Ude fordert bessere Bildungsangebote für Migranten

Moderation: Hanns Ostermann |
Der Präsident des Deutschen Städtetags, Christian Ude, hat von den Ländern mehr Investitionen in die Bildungsangebote für Migranten verlangt. Unter anderem seien Ganztagsangebote für Kinder mit sprachlichen Defiziten unerlässlich, sagte der Münchner Oberbürgermeister.
Hans Ostermann: Sicher, es sind 1,5 Millionen Menschen, die es Jahr für Jahr in die EU drängt, die hier leben und arbeiten wollen – eine große Zahl. Im Verhältnis zu den knapp 500 Millionen EU-Bürgern allerdings relativieren sich die Probleme, es sei denn es sind Brennpunkte, Stadtteile, in denen Migranten leben. Dann wird Integration schwierig. Im Deutschen Städtetag haben sich mehr als 4400 Städte zusammengeschlossen. Sie vertreten rund 51 Millionen Bürgerinnen und Bürger. – Ich freue mich, dass der Präsident der Organisation am Telefon ist, und zwar Münchens Oberbürgermeister Christian Ude von der SPD. Guten Morgen Herr Ude!

Christian Ude: Guten Morgen!

Ostermann: Städte schaffen Integration statt Politik in Zeiten der Globalisierung. So das Motto der 34. Hauptversammlung des Deutschen Städtetages, die morgen beginnt. Haben Sie den Eindruck, dass ihre Leistungen öffentlich zu wenig wahrgenommen wurden oder werden?

Ude: Nein, das wird schon anerkannt, aber es ist ein wenig der Eindruck entstanden, als ob erst der Integrationsgipfel, zu dem die Bundesregierung eingeladen hat, der Auftakt zur Integrationsarbeit wäre und das ist denn doch nicht der Fall, denn die Städte, gerade die mit vielen Migrantenfamilien, arbeiten schon seit Jahrzehnten an der Integration von Ausländerinnen und Ausländern, von wie man heute sagt Menschen mit Migrationshintergrund, und da ist schon sehr vieles erreicht worden, so dass es vollkommen reibungslos funktioniert in vielen Fällen. Aber leider gibt es auch vor Ort durchaus schwierige Problemlagen, die zusätzliche Anstrengungen erfordern.

Ostermann: Die Akzeptanz europäischer Werte, die Gleichberechtigung von Mann und Frau, das sind dicke Bretter, die zu bohren sind. Welche Erfahrungen haben Sie da gemacht, von denen vielleicht andere europäische Länder lernen können, oder haben wir hier einen Nachholbedarf und sollten über die Grenzen schauen?

Ude: Ich glaube, dass wir beim Blick direkt über die Grenzen nichts Vorbildliches finden, was uns anspornen könnte. Beispielsweise tut sich Frankreich in den Vororten der Großstädte sehr viel schwerer mit der Integration von allerdings auch sehr viel mehr Migranten, als es in Deutschland der Fall ist. Bei uns begann der Prozess ja mit den Gastarbeitern der 60er Jahre, die dringend benötigt wurden, die angeworben worden sind und deren Integration auch ziemlich reibungslos verlief. Die Probleme sind erst zu einem späteren Zeitpunkt schwierig geworden, als nämlich sich herausgestellt hat, dass die zweite und dritte Generation der Migrantenfamilien sprachliche Probleme hat, mit den Ansprüchen der hiesigen Jugend aufwächst, aber nicht mit den entsprechenden sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten. Das führt zu Benachteiligung in Ausbildung und bei der Jobsuche und kann auch zu einer Abkapselung und einem gewissen Ghettodasein in Parallelgesellschaften führen, wie wir es vereinzelt feststellen. Dann haben wir natürlich durchaus Probleme mit Migranten, die eine ganz andere Grundeinstellung haben, nicht wie die Gastarbeiter der 60er und 70er Jahre hier Fuß fassen wollen, um dabei sein zu dürfen, sondern die sich abgrenzen wollen, weil sie sich in dieser Zivilisation schwer tun. Das ist eigentlich eine verschärfte Aufgabe, die sich jetzt erst in aller Klarheit zeigt.

Ostermann: Das ist die eine Seite der Medaille und Sie haben es eben angesprochen: bei der dritten Generation der Zuwanderer ist die Bildung sicherlich ganz entscheidend. Sie hat eine Schlüsselrolle. Müsste hier durch die Länder nicht mehr investiert werden, um den jungen Leuten langfristig Perspektiven zu geben?

Ude: Selbstverständlich ist das in allererster Linie eine Frage an das staatliche Schulwesen. Die Bundesländer legen ja größten Wert auf ihre Kulturhoheit, die sie mit Zähnen und Klauen auch gegen den Bund verteidigen. Dann müssen sie hier natürlich auch leisten, was erforderlich ist: zum Beispiel Ganztagsangebote, die wir gerade hier in Bayern bitter vermissen, denn Ganztagsangebote sind natürlich für Kinder, die noch eine sprachliche Diskriminierung überwinden müssen, unerlässlich. Es ist aber keineswegs nur ein Migrationsproblem, das hier gelöst werden muss. Auch Kinder aus bildungsfernen Schichten, auch Kinder, deren Eltern sich einfach nicht um sie kümmern können wegen der Berufstätigkeit, brauchen ganz dringend Ganztagsangebote.

Ostermann: Kleinere Klassen, Sozialarbeiter, das sind ja Forderungen, die im Raum stehen. Wollen wir mal gucken, wie die Länder dort das Geld investieren. Herr Ude, uns läuft die Zeit davon. Exakt um acht Uhr gibt es bei uns die Nachrichten. Trotzdem noch diese Frage: Geld – das ist ja klar – ist nicht alles, aber wichtig. Wie zielgenau und effektiv fließen eigentlich bei uns die Mittel?

Ude: Die fließen gerade in der Familienpolitik nicht zielgenau genug. Deswegen ist auch sehr bedauerlich, dass der Freistaat Bayern den nationalen Prozess der Kinderbetreuungsförderung wieder infrage stellt mit Zusatzforderungen für andere Elternpaare. Wir geben wahnsinnig viel Geld aus in der Familienförderung, 180 Milliarden im Jahr, und trotzdem werden Kinder mit Problemlagen nicht gezielt genug erreicht. Da müssen wir Prioritäten setzen und nicht mit Spendierhosen durchs ganze Land laufen.

Ostermann: Christian Ude von der SPD, der Oberbürgermeister in München und Präsident des Deutschen Städtetages. Danke Herr Ude für das Gespräch in Deutschlandradio Kultur.