Twitter verbietet politische Werbung

Ein Tweet auf den heißen Stein

Ingrid Brodnig im Gespräch mit Nicole Dittmer · 31.10.2019
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Twitter will keine politische Werbung mehr zulassen. Ist das ein ehrlicher Versuch, Wahlkampf im Netz wieder fairer zu gestalten? Oder ist es doch nur ein geschicktes, aber wirkungsloses PR-Manöver?
Twitter verbreitet ab dem 22. November keine direkte Werbung mehr von, für oder gegen politische Kandidaten. Ebenso wenig wie Werbung zu "Inhalten" oder Gesetzesvorhaben mit "nationaler Bedeutung". Dazu zählen unter anderem der Klimawandel, das Gesundheitssystem, Immigration, Steuern oder die nationale Sicherheit.
Die Autorin und Journalistin Ingrid Brodnig zeigt sich skeptisch gegenüber dem Vorstoß von Twitter: "Wo ziehen wir die Grenzen? Es geht auch um Themen wie Klimawandel. Wenn ich mich da für eine Idee einsetze, kann es sein, dass das nicht mehr geschaltet werden darf."

Das "Kind mit dem Bade" ausgeschüttet

Zwar existierten nachweislich Fälle, in denen manipulative Formen politischer Werbung auf Facebook aufgetaucht seien – etwa bei der Wahl in den USA 2016: "Wir wissen, dass vor der Wahl russische Akteure sich als Amerikaner ausgegeben haben und dann wütend machende Werbung geschaltet haben, sowohl im linken als auch im rechten Spektrum. Da wurde politische Werbung genutzt, um einen Keil in die Gesellschaft zu treiben."
Da nun 2020 die nächste Wahl ansteht, seien die US-Amerikaner verständlicherweise nervös. Mit dem Vorstoß, alle politische Werbung zu verbieten, wolle sich Twitter der Debatte als Ganzes entziehen. Und so das "Kind mit dem Bade" ausschütten, so die Journalistin.

Nicht jede politische Werbung ist Fake News

Denn: Nicht jede politische Werbung sei automatisch auch Fake News. Jetzt auf alle politische Werbung zu verzichten, sei unfair gegenüber seriösen politischen Akteuren. Brodnig: "Warum werden alle dafür bestraft, wenn einzelne Akteure manipulativ agieren? Wir müssen differenzieren können zwischen legitimer Wahlwerbung und unfairen Attacken, die Falschmeldungen verbreiten."
Für die Journalistin könne nur mehr Transparenz zu einer akzeptablen Lösung führen. Es müsse einsehbar sein, wer die Werbung bezahlt habe, wie viel Geld geflossen sei und welche Bürger gezielt angesprochen worden seien. Denn genau darin liege die Stärke von politscher Werbung im Netz: Mit ihr ließen sich Bürger erreichen, die sonst nie mit den politischen Akteuren in Kontakt kämen.

Mehr Transparenz, mehr Kontrolle

Auch Twitters Konkurrent Facebook habe kürzlich eine umstrittene Entscheidung getroffen: "Politische Werbung wird auf Facebook nicht von Faktencheckern überprüft. Das ist grotesk. Es ist absurd, dass, wenn eine Partei Falschmeldungen aufstellt, das nicht überprüft werden soll", so Brodnig.
"Twitter und Facebook sind zwei Extreme. Die eine wollen alle politische Werbung verbieten, die anderen wolle alle politische Werbung erlauben, selbst wenn sei Falschheiten beinhaltet. Ich glaube, wir müssen einen Mittelweg finden, nämlich Kontrolle und Transparenz."
(rod)
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