TV Erlangen 1848 in der Coronakrise

Höhere Mitgliedsbeiträge sind keine Option

11:44 Minuten
Ein Schild mit der Aufschrift "Platz gesperrt" steckt im Rasen eines Vereinsspielfeldes.
Die Coronakrise bringt auch die Sportvereine in finanzielle Nöte. Wie geht der TV Erlangen 1848 damit um? © imago images / Zink
Tobias Krone, Jörg Bergner, Moderator Thomas Wheeler · 12.07.2020
Audio herunterladen
Corona trifft den Spitzen- und den Breitensport hart. Welche Sportvereine haben Anspruch auf Hilfen in Bayern? Und helfen diese wirklich? Mit welchen Maßnahmen der Turnverein Erlangen 1848 durch die Krise kommt, erklärt der Vorsitzende Jörg Bergner.
Thomas Wheeler: Das Thema sind Coronahilfen für den Sport, den Spitzen- wie den Breitensport, im Bund und in Bayern. Eine Frage an Jörg Bergner, den 1. Vorsitzenden des Turnvereins Erlangen 1848 - Ferienfreizeiten als ein Hilfsmittel für angeschlagene Vereinskassen. Gibt es so etwas auch bei Ihnen?
Bergner: Ja, das gibt es bei uns, wir haben das vor zwei Jahren eingeführt, letztes Jahr ist das schon richtig gut eingeschlagen. Wir haben das auch für heuer komplett durchgeplant und organisiert – dementsprechend sind wir froh, dass wir jetzt den Sommer wenigstens die Ferienbetreuungen durchführen können. Natürlich mit Einschränkungen – Gruppengrößen und den ganzen Hygienevorgaben –, aber es tut natürlich weh, dass wir eigentlich ausgebuchte Angebote der Oster- und Pfingstferien komplett absagen mussten. Hier hatten wir natürlich einige Einbußen.
Wheeler: Das hatten Sie auch eingeplant. Nun hat Ihr Club knapp 7000 Mitglieder, vier vereinseigene Standorte und im letzten Jahr einen Umsatz von drei Millionen Euro. Aktuell bietet der TV ungefähr 450 Sportangebote und 2018 wurde der Verein für seine vielfältige Arbeit mit dem Großen Stern des Sports ausgezeichnet. Bevor wir gleich auf die finanzielle Unterstützung durch das Land Bayern kommen, würde ich gerne wissen, wie lange der Sport im Freistaat eigentlich pausieren musste und seit wann Sport in welchem Umfang wieder möglich ist?
Bergner: Freitag, der 13., wurde der Katastrophenfall ausgerufen. Wir haben daraufhin sämtliche Standorte geschlossen. Am 16. März wurde dann der Lockdown verhängt, da haben wir gleich das Fitnessstudio vormittags geschlossen. Dann hatten wir über zwei Monate komplette Schließung aller vier vereinseigenen Standorte. Wir sind deswegen sehr froh, dass ab 8. Juni wieder Sport in Bayern ermöglicht wurde, indem man die Gruppengrößen auf 20 Personen inklusive Gruppenleiter erweitert hat und die Möglichkeit gegeben hat, auch in den Sporträumen und -hallen Sport zu treiben.

Auswirkungen sind schwer abzuschätzen

Wheeler: Wie haben Sie als Vorstand unmittelbar reagiert, als der Lockdown Mitte März ausgerufen wurde?
Bergner: Zunächst haben wir uns angeschaut, welche Jahresziele wir hatten, das waren Wachstumsziele, wir wollten investieren, wir hatten mit einem weiteren Anstieg der Mitgliederzahlen wie in den letzten Jahren gerechnet. Hier sind natürlich auch Einnahmen von Beiträgen eingeplant. Uns war klar, wenn wir unsere Anlagen über längere Zeit geschlossen halten müssen, dann werden uns nicht nur Mitglieder wegfallen, weil keine Neueintritte kommen, sondern auch – das ist bei uns wichtig: die vielen Fachbereiche, die mit einem monatlichen Zusatzbeitrag versehen sind – dass uns dann irgendwann diese zusätzlichen lebenswichtigen Einnahmen monatlich wegfallen werden.
Das heißt, wir haben sofort unsere Liquiditätsplanungen und den Haushaltsplan nachgerechnet und überprüft. Und das Schwierige ist natürlich abzuschätzen, wenn man mit so einer Situation kurzfristig konfrontiert wird, welche wirklichen Auswirkungen hat es, wie lange dauert die Maßnahme? Wir haben dann sofort Maßnahmen getroffen, um die Kosten zu reduzieren, das heißt bei den Sachkosten sofort gearbeitet, haben eine Haushaltssperre erstellt und alle kurzfristigen Anschaffungen zurückgenommen. Dann haben wir uns natürlich mit dem Thema Personalkosten auseinandersetzen müssen. Wir sind als Großverein natürlich mit vielen hauptamtlichen Mitarbeitern ausgerüstet.

Die Coronakrise hat viele Sporttreibende eingeschränkt: Turnhallen waren gesperrt – Spiele und Turniere konnten und können teilweise nicht stattfinden. Das setzt vielen Verbänden und Vereinen zu. Aber es gibt Hilfen. Unser Bayernkorrespondent Tobias Krone erläutert im "Nachspiel", warum Sportler*innen in Bayern bisher am Besten durch die Coronakrise kamen - obwohl hier das Virus am Stärksten wütete.

Wheeler: 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben Sie, über 200 Übungsleiter. Wie war das konkret für die? Mussten Sie die in Kurzarbeit schicken oder sogar im Extremfall jemanden entlassen?
Bergner: Nein. Wir hatten ein wichtiges Ziel, wir wollten keine Mitarbeiter entlassen, weder betriebsbedingt noch sonst wie. Wir haben allerdings unsere 25 sozialversicherungspflichtigen Mitarbeiter zunächst mal ab April in die Kurzarbeit geschickt. Mittlerweile hat sich das so geändert, dass wir die Mitarbeiter im Sportbetrieb fast komplett wieder auf 100 Prozent Arbeitszeit haben.

Corona-Soforthilfe hat nicht gegriffen

Wheeler: Nun gab es ja Corona-Soforthilfen durch den Bund und eine spezielle Coronahilfe durch das Land Bayern. Konnten Sie diese auch beantragen?
Bergner: Wir haben das überprüft, bei uns im Vorstand ist ein Steuerberater, der hat sich mit uns zusammengesetzt. Wir sind leider nicht in den Genuss gekommen, das liegt offensichtlich an unserer Einnahmenregelung, dass wir eben zusatzbeitragspflichtige Einnahmen monatlich einziehen: Circa 2500 Mitglieder sind in zusatzbeitragspflichtigen Fachbereichen wie Fitnessstudio, Kindersportschule, Ballschule oder Kindertanzstudio, dementsprechend kommen hier dann doch monatlich gewisse Summen zusammen.
Die Soforthilfe war nicht möglich, weil wir die Personalkosten hier ja nicht gegenrechnen können. Und wir als Verein sind natürlich auch mit einem hohen Personalkostenanteil enthalten in dieser Rechnung. Dementsprechend hatten wir ja die Sachkosten, Reinigung und solche Sachen, so gut wie möglich reduziert, sodass wir am Ende nicht die geforderten Verluste errechnen und nachweisen konnten.
Wheeler: Wenn Sie mal die finanzielle Situation des Turnvereins Erlangen 1848 zusammenfassen, wie sieht es dann aus? Rechnen Sie mit einem Minus zum Jahresende oder wie ist Ihre Prognose jetzt für 2021 und die Folgejahre?
Bergner: Beim TV haben wir eine Fluktuation von 13 Prozent, sprich knapp 1000 Mitglieder, die jedes Jahr eintreten, aber auch den Verein leider verlassen. Da kann man sich sehr schnell ausrechnen, dass jetzt in einem Vierteljahr ungefähr 300 Mitglieder an Eintritten fehlen. Das heißt, wir haben vom 1. Januar 2020 bis zum 30. Juni über 300 Mitglieder verloren.

Großveranstaltungen als Einnahmequelle weggefallen

Wheeler: Keine neuen Eintritte, Herr Bergner. Aber abschließend: Könnten Sie sich als eine Konsequenz aus der gegenwärtigen Lage vorstellen, die Mitgliedsbeiträge für diejenigen, die dabeigeblieben sind, zu erhöhen?
Bergner: Nein, das ist für uns keine Option. Wir sind als Verein grundsätzlich gut aufgestellt und erfolgreich. Wir haben letztes Jahr zum Jahresende 2019 unser erfolgreichstes Vereinsjahr gehabt, wir haben Rekordstände bei den Einnahmen und Mitgliederzahlen gehabt. Und durch diese Krise haben wir jetzt halt einen Rückschlag bekommen, der uns heuer natürlich stark belastet und der uns natürlich auch nächstes Jahr noch mit erheblichen Auswirkungen beschäftigen wird.
Wenn man kurz Rückmeldung geben kann, wir haben im ersten Halbjahr eine niedrige sechsstellige Summe an Einnahmen verloren und haben durch Einsparen den Verlust ungefähr auf eine mittlere fünfstellige Summe reduzieren können. Wir haben auch die Planungen jetzt für das zweite Halbjahr, da sieht es dann ein bisschen schlechter aus: nämlich dergestalt, dass wir als Großverein einige sehr erfolgreiche Großveranstaltungen üblicherweise durchführen, die uns leider jetzt komplett weggebrochen sind. Ich nenne nur den Erlanger Triathlon, der mit 800 Teilnehmern auf der Mitteldistanz immer sofort ausgebucht ist und eine sechsstellige Größendimension hat.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema