TV-Duell Merkel-Schröder

Von Wolfgang Labuhn |
Wahlen zum Deutschen Bundestag werden nicht in Fernsehdebatten gewonnen oder verloren. Darüber sind sich Wahl- und Medienforscher seit langem einig. Uneinig ist man sich lediglich über die anschließende Wirkung der Mediendebatte über die Debatte.
Wie immer: Selbst wenn der Informationsgehalt von Fernsehduellen der Spitzenkandidaten gen Null tendieren und das Wahlverhalten der Bevölkerung nicht entscheidend beeinflussen sollte, sind solche Auftritte von Politikern, die die Geschicke unseres Landes leiten möchten, nicht unwichtig. Wo sonst könnten die Deutschen sich besser der Illusion hingeben, das politische Spitzenpersonal sozusagen hautnah erleben und begutachten zu können, näher und unmittelbarer als auf jeder Wahlveranstaltung? Man möchte schließlich wissen, welche Figur der Kanzler – oder die Kanzlerin – abgibt, wenn man ihm – oder ihr – aus nächster Nähe auf die Pelle rückt. Der aufklärerische Wert von TV-Duellen liegt deshalb eher auf der konnotativen Ebene, wie Sprachpsychologen sagen würden, im Bereich der unterschwelligen, auch unbeabsichtigten Botschaft, die Auskunft gibt über Naturell und Charakter des Boten – oder der Botin.

Über die Motive der Wahlkampfstrategen im Berliner CDU-Hauptquartier, dem öffentlichen Interesse zum Trotz auf nur einer Fernsehdebatte Merkel-Schröder zu beharren, kann man deshalb nur rätseln. Ist Angela Merkel in ihren Augen nicht telegen genug? Dabei wurde gerade in letzter Zeit ihr neuer Stil gelobt, der sie – nun sympathisch lächelnd - auf viele Titelseiten brachte. Oder traut die Union ihrer Spitzenkandidatin nicht zu, im direkten Schlagabtausch mit dem souveränen Gerhard Schröder, Beiname: "Medienkanzler", punkten zu können? Dann wäre Angela Merkel die falsche Kandidatin für das Amt des Bundeskanzlers. Denn der sollte eigentlich jederzeit in der Lage sein, seine Politik und sein Handeln nicht nur im Parlament, sondern auch im Fernsehen, dem wichtigsten Medium unserer demokratischen Öffentlichkeit, gegenüber Kritikern überzeugend erläutern und begründen zu können. Befürchtet man etwa weitere peinliche Pannen wie die Verwechselung von Brutto- und Nettolohn, die Angela Merkel in dieser Woche zur Freude der SPD schon zweimal unterlaufen ist? Dann wären ernsthafte Zweifel an der wirtschafts- und finanzpolitischen Kompetenz der Herausforderin angebracht.

Der Kanzler und die Fernsehsender wollten, wie 2002, zwei TV-Duelle, eins im öffentlich-rechtlichen und eins im privaten Fernsehen. Der Kompromiß: Es wird nur eine Debatte geben. Kanzler und Kanzlerkandidatin stellen sich am Abend des 04. September 90 Minuten lang vier Moderatorinnen und Moderatoren öffentlich-rechtlicher und privater Fernsehkanäle, die das Duell direkt übertragen – eine Medienpremiere, deren Ergebnis heute niemand vorhersagen kann. Doch Angela Merkel wird nun mit dem Vorwurf leben müssen, gekniffen zu haben, und das Resultat des Vor-Duells steht damit schon fest: Eins zu Null für Schröder.