TV-Autor über Politthriller "Die Vierte Gewalt"

Recherche im journalistischen Milieu

Szene aus dem TV-Film "Die Vierte Gewalt": Jan (Benno Fürmann) beobachtet die Polizisten nach dem Einbruch in die Redaktion.
Szene aus dem TV-Film "Die Vierte Gewalt": Jan (Benno Fürmann) beobachtet die Polizisten nach dem Einbruch in die Redaktion. © NDR / Marc Meyerbröker
Jochen Bitzer im Gespräch mit Nana Brink · 30.11.2016
Hocheffektiv seien Journalisten in Deutschland, aber als freie oft sehr schlecht bezahlt, so Drehbuchschreiber Jochen Bitzer. Sein TV-Film "Die Vierte Gewalt" erzählt vom großen Druck, den sein Protagonist aushalten muss. Die Gefahr eines spekulativen Journalismus werde größer, so Bitzer.
Nana Brink: Jan Schulte ist der Typ cooler Journalist. Dreitagebart, fester Blick, besessen von seinem Job, und er wittert den großen Coup. Eine Informantin steckt nämlich dem freien Journalisten brisante Dokumente zu, und mit der nächtlichen Übergabe dieser Dokumente beginnt der Polit-Thriller "Die vierte Gewalt", der heute in der ARD zur besten Sendezeit um 20:15 Uhr ausgestrahlt wird.
Das Drehbuch hat Jochen Bitzer geschrieben, von ihm stammt auch der eindrückliche Streifen "Der Fall Jakob von Metzler", und er hatte eine klare Vorgabe vonseiten der Redaktion beim NDR, nämlich: Schreibe einen Krimi, in dem es um die Ware Information geht. Und für die Recherche war Bitzer sozusagen im Milieu unterwegs, bei "Spiegel online", der "Süddeutschen" und auch bei der "TAZ". Guten Morgen, Herr Bitzer!
Jochen Bitzer: Guten Morgen!
Brink: Ist es Ihnen leicht gefallen, aus diesen Vorgaben eine Geschichte zu formen?
Bitzer: Es ist nie leicht, eine gute Geschichte zu schreiben, aber es hat viel Spaß gemacht.
Brink: Was haben Sie denn erfahren bei Ihren Recherchen sozusagen?
Bitzer: Die interessantesten – es war schon mal sehr interessant, die Newsrooms zu sehen, auch die Unterschiede in den Newsrooms der einzelnen Zeitungen, und sich mit den Chefredakteuren oder stellvertretenden Chefredakteuren zu unterhalten oder auch mit einfachen Journalisten. Und das ist natürlich schon sehr spannend zu sehen, wie heute Journalismus gemacht wird?
Brink: Wie wird er denn gemacht in Ihren Augen?

"Das sind alles wahnsinnig professionelle Leute"

Bitzer: Hocheffektiv. Das sind alles wahnsinnig professionelle Leute, die auch einen sehr hohen Arbeitsethos haben. Allerdings, wenn sie nicht fest angestellt sind, sind sie oft sehr schlecht bezahlt.
Brink: Das sieht man an Jan Schulte. Der ist ja nicht fest angestellt und steht unter großem Druck, dann die Geschichte einfach zu liefern. Das führt mich zum Thema Moral und Unabhängigkeit der Medien. Haben Sie beobachtet, dass die in Gefahr sind?
Bitzer: Das habe ich dann weniger in der direkten Kommunikation mit den Journalisten erfahren. Da habe ich natürlich erlebt und glaube auch, dass das absolut ehrlich gemeint war, dass es einen sehr hohen moralischen Ethos gibt bei den einzelnen Journalisten. Aber die Gefahr besteht natürlich sehr sehr stark, wie er ja eben bei uns im Film auch thematisiert wird, dass dadurch, dass eben die finanzielle Not so groß ist und die Bezahlung so schlecht bei den freien Journalisten, dass dadurch die Anfälligkeit für jede Form von spekulativerem Journalismus größer wird.
Brink: Aber trotzdem werden ja die Geschichten von denen gekauft. Das heißt, es gibt ja auch eine Verantwortung dann derjenigen, die diese Ware, sag ich jetzt mal, auch abnehmen in den Redaktionen.

"Erfolg wird gemessen in Klicks"

Bitzer: Ja, sicher, aber die sind ja auch daran interessiert, dass die Leser ihre Geschichten lesen. Und da kommt das eben ins Spiel, was gerade vor allem beim Onlinejournalismus eine große Rolle spielt, dass es nämlich natürlich um Erfolg geht. Und Erfolg wird gemessen in Klicks, und das sieht man heutzutage ja auch auf den Websites der einzelnen auch großen Zeitungen, bei der "Süddeutschen" zum Beispiel kann man sehen, wie viele Leute im Moment gerade einen Artikel lesen, und die Artikel werden auch entsprechend umgestellt, sodass die populären Artikel ganz oben auf den Websites sind, und danach kommen die, die immer weniger Interesse finden.
Es gibt halt so eine starke Sehnsucht danach und ein Bedürfnis auch, einen Zwang, dass das populär erzählt wird sozusagen auf den Websites. Und das ist natürlich dann schon – da neigt man natürlich dazu, die Sachen spekulativer zu machen, als sie vielleicht sind.
Brink: Sind dann die Medien noch die vierte Gewalt?
Bitzer: Ich glaube trotzdem, dass sie das sind. Man sieht das ja auch in den Panama-Papers und solchen Sachen. Es gibt ja immer wieder wirklich tolle journalistische Arbeit, und auch das will der Film ja letztendlich nicht schmälern. Wir brauchen Journalismus, wir brauchen einen freien Journalismus, den wir in Deutschland immer noch haben.

Qualitätsjournalismus in Deutschland nicht verlieren

Wir haben immer noch einen Qualitätsjournalismus in Deutschland, und es geht eher darum, den nicht zu verlieren. Und es wird natürlich immer schmaler sozusagen, die Bandbreite des wirklich gut gemachten Journalismus, auch in Deutschland wird das immer schmaler. Aber wir sind da immer noch relativ gut dabei im Vergleich auch mit europäischen anderen Ländern. Italien ist da, glaube ich, ziemlich schlecht dran. Da gibt es wenig Journalismus, der wirklich sehr sehr gut ist und neutral oder einigermaßen neutral.
Brink: Sagt der Drehbuchautor Jochen Bitzer. Vielen Dank! Er hat das Buch geschrieben zu dem Film "Die vierte Gewalt", der Politthriller, heute in der ARD um 20:15 Uhr. Danke, Herr Bitzer!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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