Turn around
Bei Herrn P. im Haus turnen fast alle herum. Nur der Nachbar, der im vierten Stockwerk Herrn P. gegenüber wohnt, turnt nicht. Herr P. turnt auch nicht. Herr P. lässt turnen.
Es turnt für Herrn P. im ersten Stockwerk die gesamte Familie Frisch – die neben der Facharztpraxis für Ortopädie wohnt. Herr Frisch, Frau Frisch sowie die Kinder Johannes, Jasmin und Jakob turnen vorzugsweise an der alten Teppichklopfstange im Hof, die sie als ihr Reck bezeichnen. Dabei tragen sie meistens Jogging-Anzüge in verschiedenen Farbkombinationen eines bedeutenden Markenherstellers aus Herzogenaurach.
Frau Fromm im zweiten Stockwerk, die neben der Steuerberater-Kanzlei wohnt, betreibt bei weit geöffneten Fenstern eine Form der Gymnastik, die sie selbst als Aerobik bezeichnet. Dazu erklingt ihre schöne Sopranstimme über den Hof, die "Bauch, Beine, Po" ruft – zu den rhytmischen Klavierklängen, die ihr freundlicherweise auf einem alten und leider etwas verstimmten Klavier Fräulein Fröhlich aus dem dritten Stock erzeugt. Das ganze ist so eine Art Mischung aus Richard Clayderman und dem "Wohltemperierten Klavier" von Bach mit einer Prise Radetzkymarsch.
Fräulein Fröhlich - die auf dieser Anrede besteht und eine unverheiratete pensionierte Oberstudienrätin für Latein, Musik und Turnen ist – läuft im nahegelegenen Park immer neben ihrem auch schon etwas ältlichen Rauhaardackel Pius her: und zwar mit verkürzten Joggingschritten, die ihren 78 Jahren angepaßt sind.
Der strengste Turner im Hause ist Herr Frei aus dem dritten Stock. Herr Frei ist Major bei der Bundeswehr. Und Major Frei turnt nicht einfach. Major Frei macht Amila. Das ist die Abkürzung für die "Allgemeine militärische Ausbildung" und verpflichtet einmal in der Woche zum 30-Minuten-Ausdauerlauf. Das ist auch nur Joggen. Major Frei exekutiert ihn in einem eng – nein: sehr eng – sitzenden Lycra-Höschen in grün und gelb, wo man alles sieht. Und zwar zweimal in der Woche für 30 Minuten im nahegelegenen Park.
Wenn Herr P. zufällig im dritten Stock Major Frei trifft, der im sehr eng sitzenden Lycra-Höschen in grün und gelb gerade wieder die letzten Meter seiner Amila vollstreckt, dann keucht Major Frei immer: "Mal Sport machen, Herr Nachbar, mal Turnen, Herr Nachbar". Ansonsten schätzt Herr P. aber Major Frei sehr als freundlichen und hilfsbereiten Nachbarn.
Der einzige Nachbar, mit dem Herr P. auf angespanntem Fusse steht, ist ausgerechnet der auf seinem, dem vierten Stockwerk. Zum einen handelt es sich dabei um einen Beamten aus dem Finanzamt – was an sich schon Grund genug für Spannungen wäre. Zum anderen ist der Nachbar nicht nur humorlos und beschwert sich dauernd bei der Hausverwaltung über die an der Teppichklopfstange keuchende Familie Frisch und die geöffneten Aerobik-Fenster von Frau Fromm. Er ist überdies einfach faul und lässt sich seine Lebensmittel aus dem Supermarkt anliefern, weil er es so schon schwer genug hat, in den vierten Stock hochzukeuchen.
Bei ihm hat Major Frei schon lange aufgegeben, ihm ein fröhliches "Mal Sport machen, Herr Nachbar, mal Turnen, Herr Nachbar" zuzurufen. Verglichen mit ihm ist selbst Herr. P. fast schon sportlich turnerhaft. Ach ja: dieser Nachbar ist der Herr Feist.
Frau Fromm im zweiten Stockwerk, die neben der Steuerberater-Kanzlei wohnt, betreibt bei weit geöffneten Fenstern eine Form der Gymnastik, die sie selbst als Aerobik bezeichnet. Dazu erklingt ihre schöne Sopranstimme über den Hof, die "Bauch, Beine, Po" ruft – zu den rhytmischen Klavierklängen, die ihr freundlicherweise auf einem alten und leider etwas verstimmten Klavier Fräulein Fröhlich aus dem dritten Stock erzeugt. Das ganze ist so eine Art Mischung aus Richard Clayderman und dem "Wohltemperierten Klavier" von Bach mit einer Prise Radetzkymarsch.
Fräulein Fröhlich - die auf dieser Anrede besteht und eine unverheiratete pensionierte Oberstudienrätin für Latein, Musik und Turnen ist – läuft im nahegelegenen Park immer neben ihrem auch schon etwas ältlichen Rauhaardackel Pius her: und zwar mit verkürzten Joggingschritten, die ihren 78 Jahren angepaßt sind.
Der strengste Turner im Hause ist Herr Frei aus dem dritten Stock. Herr Frei ist Major bei der Bundeswehr. Und Major Frei turnt nicht einfach. Major Frei macht Amila. Das ist die Abkürzung für die "Allgemeine militärische Ausbildung" und verpflichtet einmal in der Woche zum 30-Minuten-Ausdauerlauf. Das ist auch nur Joggen. Major Frei exekutiert ihn in einem eng – nein: sehr eng – sitzenden Lycra-Höschen in grün und gelb, wo man alles sieht. Und zwar zweimal in der Woche für 30 Minuten im nahegelegenen Park.
Wenn Herr P. zufällig im dritten Stock Major Frei trifft, der im sehr eng sitzenden Lycra-Höschen in grün und gelb gerade wieder die letzten Meter seiner Amila vollstreckt, dann keucht Major Frei immer: "Mal Sport machen, Herr Nachbar, mal Turnen, Herr Nachbar". Ansonsten schätzt Herr P. aber Major Frei sehr als freundlichen und hilfsbereiten Nachbarn.
Der einzige Nachbar, mit dem Herr P. auf angespanntem Fusse steht, ist ausgerechnet der auf seinem, dem vierten Stockwerk. Zum einen handelt es sich dabei um einen Beamten aus dem Finanzamt – was an sich schon Grund genug für Spannungen wäre. Zum anderen ist der Nachbar nicht nur humorlos und beschwert sich dauernd bei der Hausverwaltung über die an der Teppichklopfstange keuchende Familie Frisch und die geöffneten Aerobik-Fenster von Frau Fromm. Er ist überdies einfach faul und lässt sich seine Lebensmittel aus dem Supermarkt anliefern, weil er es so schon schwer genug hat, in den vierten Stock hochzukeuchen.
Bei ihm hat Major Frei schon lange aufgegeben, ihm ein fröhliches "Mal Sport machen, Herr Nachbar, mal Turnen, Herr Nachbar" zuzurufen. Verglichen mit ihm ist selbst Herr. P. fast schon sportlich turnerhaft. Ach ja: dieser Nachbar ist der Herr Feist.