Turbo-Folk

Eine Spaßband macht ernst

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Die Musiker von Trad.Attack arbeiten mit Gitarren, aber auch Loops und Effektgeräten. © dpa / Oliver Berg
Von Wolfgang Meyering · 17.09.2015
Die estnische Turbo-Folkband Trad.Attack hat eine steile Laufbahn hinter sich. Schon nach kurzer Zeit schaffte sie es in die Mainstream-Charts, wurde mit Preisen ausgezeichnet. Ihr neues Album "Ah!" ist nun in Deutschland erschienen.
Trad.Attack war eigentlich ein Spaßprojekt ohne große Ambitionen, sagt Sandra Silamaa, die Sängerin der Gruppe, die auch estnischen Dudelsack, Saxofon und Maultrommel spielt. Zusammen mit dem Sänger und Gitarristen Jalmar Vabarna und dem Schlagzeuger Tönu Tubli gründete sie Ende 2013 das Projekt. Jeder von ihnen wollte, nach Erfahrungen in zahlreichen anderen Bands, endlich etwas Eigenes. Etwas einfaches und unkompliziertes. Aber wie so oft im Leben kam es dann ganz anders als sie gedacht hatten.
Mit den Loopmaschinen, Effektgeräten und absolut durch arrangierten Songs ist die Band mittlerweile viel komplizierter als sich die drei Esten das anfangs gedacht hatten. Aber das ist vielleicht auch ein wenig der rasanten Entwicklung der Gruppe geschuldet. Kurz nach der Gründung veröffentlichten sie eine Song der für einen Folksong äußerst Erfolgreich war. Ein knappes halbes Jahr später hatten sie einen Manager und noch ein paar Monate danach schon ihren ersten Auslandsauftritt. Dabei ist die Art wie sie viele ihrer Songs erarbeiten schon ziemlich ungewöhnlich. Dafür geht Sandra Silamaa nämlich in die Archive und sucht nach alten Aufnahmen von Traditioneller Musik aus Estland.
Elektronische Loops aus Archivmaterial
Mit den alten Aufnahmen aus den Archiv geht Sandra Silamaa dann in die Probe und sie hören sich die Stücke an. Und bei den Stücken, wo ihr Bauchgefühl gut ist, fangen sie dann an, mit dem Archivmaterial zu arbeiten. Schneiden elektronische Loops, also Schleifen, aus den alten Liedern und Tänzen heraus und verbinden sie mit dem was sie live auf ihren Instrumenten spielen. Die besondere Energie und der oft archaische Klang der alten Aufnahmen gibt den Songs eine ganz eigene authentische Kraft. Sie sind der Nukleus, der Kern, vieler der Stücke auf der CD. Aber die Musiker von Trad.Attack leben heute und nicht vor 100 Jahren und so werden sie auch stark beeinflusst von dem was sie sonst noch an Musik hören.
Da werden dann auch schon mal Technoeinflüsse in einem Titel verarbeitet wenn den Musikern dieser Rhythmus, dieser Groove passend erscheint. Und damit haben sie in der kurzen Zeit ihrer Bandgeschichte schon so manchen jungen Zuhörer überrascht. Und plötzlich begeistern sich viele junge Esten für ihre eigene Musiktradition die damit vorher nicht viel am Hut hatten. Auf ein ähnlich großes Interesse stoßen die Musiker von Trad.Attack auch bei ihren Konzerten im Ausland. Und das liegt, glauben sie in erster Linie daran das sie ihre Musik mit so viel Spaß und Energie spielen, sodass eigentlich jeder das Gefühl und die Idee verstehen kann. Auch wenn er kein Estnisch kann.
Bei Trad.Attack gehen modernes Lebensgefühl und archaische Musiktraditionen eine wirklich gelungene Symbiose eine. Sie katapultieren die alten Melodien ins 21. Jahrhundert und machen sie verständlich für eine große Hörerschaft. Und der Spaß und die Leidenschaft der Musiker ist bei den Stücken gut zu hören. Und diese Freude an ihrer Musik wollen sie einem möglichst großen Publikum auf diesem Planeten präsentieren. Deswegen haben sie sich vorgenommen in jedem Land dieser Welt zu spielen. 13 haben sie in den letzten gut eineinhalb Jahren schon besucht. Jetzt liegen nur noch 183 Länder vor ihnen, wie Sandra Silamaa sagt.