Türkei-Korrespondent zum Abzug des "Spiegel Online"-Reporters

"Ein ganz klarer Fingerzeig Ankaras"

Demonstration für mehr Pressefreiheit in der Türkei: Zwei Internationale Presseausweise auf einem Miniatursarg.
Demonstration für mehr Pressefreiheit in der Türkei: Zwei Internationale Presseausweise auf einem Miniatursarg. © picture alliance / dpa / Ole Spata
Thomas Seibert im Gespräch mit Nicole Dittmer und Julius Stucke · 17.03.2016
Die Türkei schere sich nicht mehr groß darum, was der Westen denke. Das zeige der Abzug Hasnain Kazims von "Spiegel Online" aus Istanbul, so Korrespondent Thomas Seibert. Zudem bedrohe der derzeitige Versuch Erdogans, den Begriff Terrorismus neu zu fassen, die Arbeit unabhängiger Journalisten vor Ort.
"Das ist ein ganz klarer Fingerzeig Ankaras: 'Wir haben euch auf dem Kieker – und wir können euch loswerden!'" So wertete Türkei-Korrespondent Thomas Seibert die Nicht-Verlängerung der Presse-Akkreditierung seines Kollegen von "Spiegel Online", Hasnain Kazim, im Deutschlandradio Kultur. "Spiegel Online" zog den Reporter nun ab. Da für ausländische Journalisten die Aufenthaltsgenehmigung an die Akkreditierung gekoppelt sei, könne Kazim nicht mehr frei im Land arbeiten, so das Online-Nachrichtenmagazin. Für Thomas Seibert ein klares Zeichen, dass die Türkei sich nicht mehr groß darum kümmere, was der Westen denke. Auch Kollegen anderer europäischer Länder seien betroffen. "Die Welt" zieht ihren Korrespondenten Deniz Yücel ebenfalls aus der Türkei ab. Einen Bericht von Tagesschau.de hat Axel Springer am Donnerstagnachmittag bestätigt.

"Der rechtliche Spielraum für Dissens wird immer enger"

Schwierig sei die Situation jedoch vor allem auch für türkische Journalisten, so Korrespondent Seibert. "Besonders, weil auch der rechtliche Spielraum für Dissens immer enger wird. Präsident Erdogan hat jetzt gerade vor zwei Tagen gefordert, die Definition des Begriffes Terrorismus neu zu fassen, so dass da auch gewaltlose Aktionen und Meinungsäußerungen drunter fallen können. Wenn das umgesetzt wird, dann wird es noch schwieriger für Reporter, unabhängig zu berichten." Dabei gehe es nicht nur um ausgesprochen regierungskritische Medien. Schon eine ausgewogene Berichterstattung werde immer schwieriger.
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