Bewährungsstrafe für Tsitsi Dangarembga

"Die Meinungsfreiheit aus der Verfassung gehebelt"

05:52 Minuten
Tsitsi Dangarembga spricht nach einem Prozesstag mit der Presse.
Rund zwei Jahre dauerte der Prozess gegen Tsitsi Dangarembga - und könnte noch weitergehen. © picture alliance / AP / Tsvangirayi Mukwazhi
Barbara Groeblinghoff im Gespräch mit Vladimir Balzer · 29.09.2022
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Sechs Monate Haft auf Bewährung: Das lange Warten hat ein Ende, das Urteil gegen Tsitsi Dangarembga in Simbabwe ist gefallen. Die Prozessbeobachterinnen Barbara Groeblinghoff und Bascha Mika kritisieren das Verfahren deutlich.
Ein rund zwei Jahre dauernder Prozess in Simbabwe mit 33 Gerichtsterminen und zahlreichen Verzögerungen liegt hinter der Autorin Tsitsi Dangarembga. Nun steht das Urteil fest. Sie wurde von einem Sondergericht schuldig gesprochen - trotz internationaler Proteste.
Das Strafmaß: sechs Monate Haft auf Bewährung, die für fünf Jahre gilt. Innerhalb dieser Zeit darf Dangarembga sich nichts zuschulden kommen lassen, sich politisch äußern oder aktiv werden. Die Schriftstellerin kündigte bereits im Vorfeld an, gegen eine Verurteilung bis vor den Obersten Gerichtshof zu ziehen. Ein härteres Strafmaß wäre dann allerdings auch möglich.

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Die Anklage warf Dangarembga einen öffentlichen Aufruf zur Gewalt, Friedensbruch sowie Bigotterie vor. Die Friedenpreisträgerin des Deutschen Buchhandels von 2021 hatte gemeinsam mit der Journalistin Julie Barnes vor zwei Jahren in Harare für Reformen demonstriert.
Die Protestaktion war kurz zuvor von der Regierung verboten worden. Dangarembga trug bei dem Protest ein Plakat. Auf dessen Vorderseite stand: "Wir wollen etwas Besseres - reformiert unsere Institutionen". Die Rückseite listete die Namen eines inhaftierten Journalisten und eines inhaftierten Oppositionspolitikers auf.

Oppositionelle werden mundtot gemacht

Die Begründung des Urteils sei "abenteuerlich", sagt Barbara Groeblinghoff von der Friedrich-Naumann-Stiftung, die den Prozess beobachtet hat. "Das Urteil ist komplett politisch und juristisch nicht zu begründen."
Zwar sei die Fassade eines ordentlichen Verfahrens gewahrt worden, allerdings handelte es sich um ein Sondergericht, erklärt die Projektleiterin für Simbabwe und Südafrika. "Es ist ein sogenanntes Antikorruptionsgericht, was in der Verfassung nicht vorgesehen ist und was es normalerweise auch nicht gibt." Dieses sei direkt Simbabwes Präsidenten Emmerson Mnangagwa unterstellt.
Mit dem Urteil sollen Dangarembga und Barnes mundtot gemacht werden, so Groeblinghoff. "Wenn die beiden nur 'piep piep' machen und es gefällt dem Staat nicht, gehen sie sofort ins Gefängnis", erklärt die Prozessbeobachterin.
Diese Einschätzung teilt auch die Publizistin Bascha Mika, die den Prozess ebenfalls begleitet hat, und spricht von einer "Zermürbungsstrategie". "Das, was sie ausmacht, auch in ihrer Haltung, wird ihr genommen", erklärt Mika die Tragweite des Urteils.
Zwar habe man einen Schuldspruch erwartet, dennoch seien die beiden Angeklagten sowie ihre Angehörigen und Unterstützer schockiert gewesen, berichtet Groeblinghoff. "Innerhalb von Minuten war allen klar: Eine Gefängnisstrafe ist eine Gefängnisstrafe."

Eine Flucht kommt nicht in Frage

"Die Richterin hat die Meinungs- und Pressefreiheit aus der Verfassung gehebelt", sagt Groeblinghoff. Neben ihrer literarischen Tätigkeit macht Dangarembga auch Filme. Bevor sie sich auf ihr schriftstellerisches Werk konzentrierte, war sie ehemals bildungspolitische Sprecherin der Opposition in Simbabwe. Daher hat sie in dem Land eine wichtige Stellung.
Obwohl sie mit einem deutschen Mann verheiratet ist und auch in Deutschland gelebt hat, kam es für die Publizistin nicht in Frage, ihr Heimatland zu verlassen. Mika ordnet diese Entscheidung ein:

Tsitsi Dangarembga ist eine unglaublich kluge Frau und hat extreme moralische Standards. Hätte sie das Land verlassen, hätte sie wohl das Gefühl gehabt, feige zu sein und sich selbst und ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht zu werden.

Die Publizistin Bascha Mika

Dangarembga wolle die Verhältnisse verändern, und zwar für alle und nicht nur für sich selbst.

Dangarembga ist längst nicht der einzige Fall

Neben Dangarembga gebe es etwa 2000 ähnlich gelagerte Fälle im Land, so Groeblinghoff. "Man kann den Simbabwern nicht nachsagen, dass sie sich nicht gegen die Tyrannei wehren. Das tun sie." Ein Hoffnungsschimmer sei das Nachbarland Sambia, wo die Opposition friedlich die Macht übernommen hat. Das mache den Machthabern in Simbabwe Angst.
Mika plädiert vor diesem Hintergrund dafür, den internationalen Druck auf Simbabwe nicht nur im Fall Dangarembga aufrecht zu erhalten. "Dem Regime kommt es überhaupt nicht zugute, wenn die internationale Öffentlichkeit merkt, was eigentlich im Land los ist", sagt die Journalistin. "Es befindet sich in einem absolut desaströsen Zustand, sowohl was die wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche als auch die Menschenrechtslage angeht."
(lsc/AP)
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