Tschentscher: Sonderzahlung verstößt gegen Parlamentsbeschluss

Peter Tschentscher im Gespräch mit Marcus Pindur |
Der SPD-Haushaltsexperte Peter Tschentscher kritisiert den Hamburger Senat wegen der Millionen-Sonderzahlung an den Vorstandsvorsitzenden der HSH Nordbank, Jens Nonnenmacher. Dieser habe mit der Vereinbarung gegen einen eindeutigen Parlamentsbeschluss verstoßen.
Marcus Pindur: Außenstehende fragen sich etwas verdutzt, wie die ganze Malaise in Schleswig-Holstein denn zustande kam, und die Nachforschungen führen zunächst zur HSH Nordbank. Der dortige Vorstandschef sollte gehen, und er sollte vertragsgemäß 2,9 Millionen Euro Abfindung bekommen. Die SPD in Schleswig-Holstein will davon nichts gewusst haben und schrie, haltet den Dieb, Ministerpräsident Carstensen (CDU) wiederum nutzte diese Gelegenheit zum Koalitionsbruch. Wir wollen jetzt mit jemandem reden, der über die Situation der HSH Nordbank sehr gut im Bilde ist, und zwar mit Peter Tschentscher. Er ist stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender und Mitglied im Haushaltsausschuss der Hamburger Bürgerschaft. Guten Morgen, Herr Tschentscher!

Peter Tschentscher: Guten Morgen!

Pindur: Hamburg ist ja auch Eigentümer dieser maroden Landesbank HSH, wie kommt es denn, dass bei Ihnen die Millionenabfindung einigermaßen still durchgewinkt wurde, während sie in Kiel zu einer veritablen Regierungskrise führte?

Tschentscher: Also die Empörung in Hamburg über die Sonderzahlung an den Vorstandsvorsitzenden war nicht geringer als in anderen Bundesländern und vermutlich auch bundesweit. Im Gegenteil, wir haben im Grunde durch eine ganze Reihe an parlamentarischen Anfragen mit dazu beigetragen, dass irgendwann der Brief unseres ersten Bürgermeisters Ole von Beust, ich glaube am 10. Juli, eingegangen ist, in dem dann endgültig mal dargestellt wurde, dass es hier eine Millionenzahlung gibt an den Vorstandsvorsitzenden, der eindeutig abweicht von einem Parlamentsbeschluss, den wir am 01.04. mit großer Mehrheit gefasst haben, indem wir nämlich gesagt haben, wenn Millionen oder Milliarden in diese Bank an Steuergeldern fließen, dann müssen für die Vorstandsmitglieder Beschränkungen gelten für die Gehälter, und diese Grenze haben wir übernommen aus der Bundesregelung, und die lautet 500.000 Euro Jahresgehalt und nichts darüber hinaus.

Pindur: Mit welcher Begründung hat denn der Hamburger Bürgermeister Ole von Beust diese Abfindung erklärt?

Tschentscher: Es wird erklärt durch eine Vereinbarung, eine vertragliche Vereinbarung mit Herrn Nonnenmacher vom November letzten Jahres, also auch ein Zeitpunkt, zu dem schon klar war, dass die Bank vor einem Milliardenloch steht. Und zu diesem Zeitpunkt hat die Bank, also im Grunde der sogenannte (…)Ausschuss der Bank, in dem zum Beispiel auch unser Finanzsenator Mitglied ist, hat Herr Nonnenmacher zu diesem Zeitpunkt dann gesagt, wenn er Vorstandsvorsitzender wird, bekäme er ein Sonderkündigungsrecht zum 31.07. diesen Jahres, und wenn er diese Kündigung dann tatsächlich vornimmt, bekommt er noch eine Belohnung von 2,9 Millionen Euro. Und damit hat dann der Vorstandsvorsitzende im Mai wohl gedroht oder er hat sogar tatsächlich gekündigt zum 31.07., sodass jetzt nach der Darstellung unseres Senats diese 2,9 Millionen sowieso hätten zahlen müssen. Und dann hat man eben diese sowieso zu zahlenden 2,9 Millionen Euro in eine sogenannte Halteprämie umgewandelt, also man hat ihm Zusagen gemacht für eine Altersversicherung und eine aktuelle Sonderzahlung in der gleichen Höhe, nur damit er bleibt als Vorstandsvorsitzender. Und darauf hat er letztlich keinen Rechtsanspruch, sodass man sich hier nicht auf arbeitsrechtliche Verpflichtungen zurückziehen kann, sondern man hat aktiv als Hamburger Senat gegen einen eindeutigen Parlamentsbeschluss entschieden: Es wird eine neue Vereinbarung getroffen mit einer Drei-Millionen-Zahlung an den Vorstandsvorsitzenden.

Pindur: Das eine ist die unappetitlich hohe Zahlung an den Vorstandsvorsitzenden Nonnenmann, aber dann steht noch eine Vermutung im Raum, dass nämlich Ministerpräsident Carstensen diesen Koalitionsbruch in Schleswig-Holstein herbeigeführt hat, um davon abzulenken, dass die HSH Nordbank noch weitaus mehr faule Risiken in der Schublade hat, als bislang bekannt ist. Was wissen Sie denn über die derzeitige finanzielle Lage der HSH?

Tschentscher: Wir wissen als Parlamentarier genau das, was man uns im April über eine Senatsdrucksache und weitere Beratungen, an denen auch Herr Nonnenmacher beteiligt war, über den Zustand der Bank mitgeteilt hat. Wir haben das dann nicht einfach so übernommen, sondern wir haben Sachverständige, Gutachter eingeladen, die sind zum Teil sehr erfahren gewesen. Wir haben einen Schweizer Gutachter gehabt, der uns beraten hat und der uns zum damaligen Zeitpunkt gesagt hat, die Situation der Bank ist sehr ernst, aber es muss eine Rettung dieser Bank erfolgen, weil wir sonst 65 Milliarden Euro Gewährträgerhaftung als öffentliche Anteilseigner übernehmen müssen. Das heißt, der Steuerzahler hätte bei einer Insolvenz der Bank 65 Milliarden Euro an Belastungen gehabt, und diese Summe war so absurd hoch, dass man uns trotz aller Risiken von allen Sachverständigen her dringend geraten hat, dem sogenannten Fortführungskonzept der Bank zuzustimmen. Und dieses Fortführungskonzept beruht darauf, dass man die Risiken so begrenzt und fortentwickelt in den sogenannten Portfolios, dass die Bank damit überleben kann und im Laufe der Jahre wieder in schwarze Zahlen kommt. Dennoch haben alle Gutachter auch gesagt, dass dies kein sicheres Fortführungskonzept ist, sondern dass die Risiken nach wie vor hoch sind. Und insofern ist es durchaus möglich, dass wir eine nächste Hiobsbotschaft über den Zustand der HSH Nordbank bekommen. Ich rechne aber ehrlich gesagt nicht damit vor der Bundestagswahl im September, weil wir auch von unserem Senat die Erfahrung gemacht haben, dass hier durchaus unter taktischen Gesichtspunkten informiert wird. Wir haben zum Zeitpunkt der Hamburg-Wahl 2008 schon deutliche Warnhinweise gehabt, dass es hier zu Verlusten kommt, und die hat man uns dann bis zur Hamburg-Wahl verschwiegen, um dann im Laufe des Jahres 2008 von Quartal zu Quartal immer wieder bedrohlichere Zahlen zu präsentieren. Und das ging von der Ansage, die Bank sei im Kern gesund, Mitte des Jahres 2008, bis hin zu: Wir haben einen Drei-Milliarden-Verlust für dieses Haushaltsjahr im ersten Quartal diesen Jahres. Das sind also Informationsschritte, die waren sehr ernüchternd, und ich befürchte, dass jedenfalls unser Finanzsenator hier in Hamburg da nichts gelernt hat, jedenfalls sind es diese Sonderzahlungen, die uns da erneut skeptisch machen, die hat man uns auch erst auf hartnäckige Nachfragen, schriftliche Nachfragen letztlich, über den Brief des Bürgermeisters mitgeteilt.

Pindur: Die warnenden Stimmen gibt’s ja nicht nur aus der SPD, auch der ehemalige schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister Marnette von der CDU sagt, die HSH steuere gefährlich auf eine zu niedrige Kernkapitalquote zu. Das hieße dann, dass irgendwann die Aufsichtsbehörden die Bank schließen müssten, wenn nicht die Eigentümer, das heißt also im Endeffekt der Steuerzahler, wieder Geld reinschießt. Sehen Sie diese Gefahr auch, dass das passieren könnte in absehbarer Zeit?

Tschentscher: Die Gefahr besteht grundsätzlich schon, wobei derzeit drei Milliarden bereits in die Bank geflossen sind. Dann gibt es eine sogenannte Sicherheitsmarge, eine Erstverlusttranche, wie die Gutachter das genannt haben, die die Bank selbst tragen kann, von einigen Milliarden. Und dann gibt es, bevor eine Insolvenz drohen würde, die sogenannte Zehn-Milliarden-Garantie der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein, die bisher noch nicht angegriffen ist, die aber dann als nächster Schritt in Anspruch genommen werden würde von der Bank. Und das wären sehr schmerzhafte Milliarden, denn auch diese Milliarden kämen von Hamburg und Schleswig-Holstein und müssten letztlich durch den Steuerzahler oder durch eine öffentliche Anstalt getragen werden, sodass hier in der Tat nicht unbedingt jetzt in diesem Jahr, aber möglicherweise in den nächsten zwei bis drei Jahren erhebliche neue Belastungen auch auf die öffentlichen Steuerzahler zukämen.

Pindur: Herr Tschentscher, vielen Dank für das Gespräch!

Tschentscher: Bitte schön!

Pindur: Peter Tschentscher, er ist stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender und Mitglied im Haushaltsausschuss der Hamburger Bürgerschaft.