Trumps Mauer in Schottland

David gegen Donald

Ausdruck des Protests gegen Trumps Golfplätze: die Wellbechhalle von Michael Forbes
Ausdruck des Protests gegen Trumps Golfplätze: die Wellbechhalle von Michael Forbes © Deutschlandradio / E. Schade
Von Eberhard Schade · 12.02.2017
Im schottischen Balmedie baute der Unternehmer Donald Trump vor gut zehn Jahren eine luxuriöse Golfanlage. Dabei baggerte er den Nachbarn einen Erdwall vor die Haustür, der bis heute nicht abgetragen wurde. Für die britischen Medien war klar: Das ist "Trumps Mauer in Schottland". Unser Reporter hat sich das Bauprojekt und dessen Folgen angesehen.
David Milne ist ein Mann etwa Mitte 50 mit gepflegtem Vollbart. Er steht im kurzen Poloshirt im Nieselregen und kommt gleich zur Sache. Es geht um einen billigen Maschendrahtzaun, dessen Pfosten krüppelige Kiefern stützen, die sonst wohl der stürmische Wind an der Küste von Aberdeen umlegen würde.
Die Kiefern rund um das Grundstück hat Donald Trump pflanzen lassen. Er wollte damit Golfern aus aller Welt wohl den Anblick von Milnes bescheidenem Haus oben auf der Düne ersparen.
2006 kündigte Donald Trump an, hier – inmitten der Dünen – den "besten Golfplatz der Welt" zu bauen. Gleich zwei Weltklasse-Plätze, dazu ein Luxushotel mit 450 Zimmern, 950 Ferienappartements. David Milnes Zuhause stand ihm dabei im Weg.

Alles fing ganz harmlos an

David Milne erzählt von seinem nun schon zehn Jahre währendem Kampf gegen den mittlerweile mächtigsten Mann der Welt. Dabei fing alles ganz harmlos an.
2006 rief ein Mann namens Peter White bei an. Er fragte mich, ob ich mein Grundstück verkaufen will, erinnert sich Milne. Er lehnte ab. Ein paar Monate später schickte Trump seinen Sohn.
"Wir konnten hier damals von Peterhead bis zum Leuchtturm am südlichen Ende von Aberdeen nahezu 40 Meilen Küste überblicken. Warum sollten wir das jemals aufgeben, verkaufen wollen? Sechs Monate später pflanzte er die Kiefern, um uns die Aussicht zu versperren."
Und auch bei den Nachbarn, den Munros, schalteten Trumps Leute irgendwann von der sanften um auf die harte Tour.
Susan und John Munro wohnen gleich nebenan. Sie wachten genau wie die Milnes eines Morgens vom Lärm der Bulldozer auf. Nur: Der Erdwall um ihr Grundstück steht noch heute, neun Jahre später.
Er sieht auf den ersten Blick aus wie eine normale Wegbefestigung. Vier Meter hoch und mittlerweile mit wildem Gras und Büschen zugewachsen. Britische Zeitungen machten daraus sofort "Trumps Mauer in Schottland".
John Munro hat die Schnauze voll, will mit Reportern nicht mehr darüber reden, wie Trump ihn und seine Frau quasi eingemauert hat. Der alte Mann im Türrahmen sieht gar nicht gut, gar nicht gesund aus. Er wirkt zermürbt vom Nachbarschaftsstreit.

Die Sorgen der Anwohner sind den Golfern egal

Kerngesund dagegen sieht Dave aus, der Eigentümer einer Recyclingfirma in Aberdeen. Er steht direkt auf der anderen Seite des Erdwalls und ist an diesem Morgen der einzige Besucher auf Trumps Golfplatz. Dave übt Abschläge. Seit Juni 2016 ist er Mitglied in Trumps Club.
Von den Sorgen der Anwohner und davon, dass der Platz, den er so liebt, ein intaktes Ökosystem zerstört haben soll, hat er gehört, es interessiert ihn aber nicht weiter. "Einer meckert doch immer, wenn jemand mal etwas anpackt", sagt der Unternehmer.
Doch Trumps Weltklasse-Anlage hat der Natur sehr wohl Schaden zugefügt. So steht es zumindest in einem Bericht des schottischen Grünen-Politikers Martin Ford. Der Landrat sagt sofort einem Spaziergang durch die Dünen, die an Trumps Golfplatz angrenzen, zu. Martin Ford erzählt vom Ölboom und Krisen, die die Preise für das Barrel Öl in den Keller stürzen ließen. In der Folge verloren viele Menschen in der Region ihre Jobs.
Und nun war da Trump mit seinem Milliardenversprechen. Mit diesem Druck im Nacken musste nun die Gemeinde über Trumps Bauantrag abstimmen. Als Vorsitzender hatte Ford die entscheidende Stimme - und kippte den Antrag. "Und warum", sagt er, "genau das zeige ich Ihnen jetzt!"

Wanderdünen können nicht mehr wandern

Wenig später steht der Günen-Politiker am Fuße einer Düne südlich des Golfplatzes, deutet auf einen kniehohen Sandhügel, der sich an einem Büschel Schilfgras aufgetürmt hat. Eine Wanderdüne im Frühstadium. Sie gehört zu einem System von Wanderdünen, die sich seit Jahrhunderten die schottische Ostküste Meter für Meter heraufarbeiten.
200 Meter weiter dann der Schnitt. Wie mit einem Lineal gezogen stehen der natürlichen Dünenwanderung plötzlich Grasbüsche im Weg. Die haben Trumps Leute gesetzt, damit ihnen der Wind vom Meer nicht dauernd Sand aufs Grün weht.
"Trump hat sich dann auch noch als Bewahrer der Dünen aufgespielt, womit er genaugenommen ja sogar Recht hat, denn wenn er ihnen Grasbüsche in den Weg pflanzt, können sie ja nicht weg, bleiben dort. Was er aber nicht dazu gesagt hat ist, dass er dadurch das ganze System zerstört."
Am Ende hatte sich Trump schließlich durchgesetzt, die Baugenehmigung bekommen. Ganz oder gar nicht hatte er der schottischen Regierung gedroht – und die knickte schließlich ein. Wenige Monate später legte er los.
Wie David Milne gehörte auch Martin Ford von Anfang an zu denen, die Trumps großen Versprechungen skeptisch gegenüber standen. "Karrieretechnisch", sagt er, "war ich danach am Ende".

Hoteliers profitieren von Trump

Dünen, die nicht mehr wandern. Bittere Nachbarn, abservierte Lokalpolitiker. Alles Blödsinn, sagt Stewart Spence, Besitzer mehrerer Fünf-Sterne Hotels in Aberdeen und Umgebung. "Die Zukunft Aberdeens liegt im Tourismus", wirbt Spence und schon allein deshalb ist er ein großer Fan von Donald Trump. Und der eine Unternehmer pofitiert vom anderen. Denn: Kommen mehr Golfer nach Aberdeen, übernachten sie bei Spence im Hotel.
Trumps Nachbarn, die Milnes, Munros und wie sie alle heißen – die sollten lieber alle schön die Füße stillhalten und mal darüber nachdenken, wie viel ihre Grundstücke heute wert sind.
Für ihn, den Unternehmer, ist die Situation glasklar. Sein Freund Donald hat alles richtig gemacht. Weil die Region profitiert hat. "Dahinter muss nun mal der ein oder andere Nachbar zurückstecken", sagt er. "So läuft das nun mal".

Vor laufender Kamera als "Schwein" beschimpft

Den Lauf der Welt einfach so akzeptieren und sein Grundstück verkaufen, das hat auch der dritte und letzte Nachbar Trumps von Anfang an abgelehnt. Der Lachsfischer Michael Forbes.
Michael Forbes hat wettergegerbte Haut, tiefe Falten. Auf einem Foto in der New York Times blickt er düster, fast böse. Hier in seinem Sessel inmitten von Regalen voller Nippes sieht er friedlich aus und lächelt verschmitzt. Er erzählt von einer mutwillig zerstörten Wasserleitung, von bestochenen Polizisten und Trumps Sicherheitsleuten, die ihn und seine Mutter in den vergangenen Jahren immer wieder schikaniert hätten. Das ganze gipfelte irgendwann darin, dass Trump Michael Forbes einmal vor laufenden Kameras als "Schwein" beschimpfte.
Michael Forbes ist in Schottland so etwas wie ein Volksheld. Und das hat er amtlich. Er steht auf, geht hinüber zu einer Glasvitrine. Gleich vorne steht eine geriffelte Whiskyflasche mit einem Silberring. Darauf eingraviert sein Name und "Top Scot Award 2012".
Der Titel beliebtester Schotte des Jahres, gewählt vom schottischen Volk.
Und Trump?
"He is just a joke. He is a clown, that's what he is.”

Journalistin fordert Einreiseverbot für Trump

Ein Clown. Ein böser Clown, der andere öffentlich beschimpft und sie so ins Rampenlicht katapultiert – natürlich hat das über die Jahre etwas mit diesen Leuten gemacht, sagt Suzanne Kelly. Sie hat die Milnes, Munros und Forbes von Anfang an begleitet, darüber geschrieben in der Online-Zeitung "Aberdeen Voice".
"Donald Trump kann sich eine Scheibe von ihnen abschneiden, von dem Stolz und der Würde, die sie sich bewahrt haben trotz dieser Schlammschlacht!"
Suzanne Kelly ist eine große, toughe Frau mit wilden roten Locken und einem sehr entschlossenen Mundpartie. Sie hat in den vergangenen Jahren unzählige Briefe und Emails an die Gemeinde geschrieben, damit die zum Beispiel endlich die gekappte Wasserleitung zum Grundstück der Forbes repariert. Oder den Erdwall vor dem Haus der Munros abträgt. Umsonst. 2015 stellte sie eine Petition ins Netz, in der sie ein Einreiseverbot für Trump nach Schottland forderte. 600 000 Schotten haben die Petition unterschrieben.
"Und wofür das alles?" fragt Suzanne.
Die Bilanz nach zehn Jahren Golfplatz: 19 statt der versprochenen 450 Hotelzimmer. 100 statt 6000 Jobs. 30 Millionen Pfund statt eine Milliarde Investitionen in der Region. Bittere Nachbarn und ein zerstörtes Ökosystem.
Drei Autos stehen am ersten Öffnungstag im Januar vor dem Clubhaus des Golfplatzes. Das Clubhausinnere ächzt unter barockem Inventar. Gewaltige Kronleuchter sind eingerahmt von holzvertäfelten Wänden mit Trumps geschwungenem Initial in Gold. Im Shop: Devotionalien, wo man auch hinsieht. Trump-Basecaps, vergoldete Pitch-Gabeln für 25 Pfund, daneben der Duft von Tochter Ivanka.
Durch die großen Türfenster im Kaminzimmer hat man einen fantastischen Blick auf die Dünen, die dahinter liegende Nordsee. Und durch die Seitentür sieht man – oben, hinter ein paar Krüppelkiefern - das Haus von David und Moira Milne.

Erste Anzeichen des Ausverkaufs

David Milne richtet sich in seinem Sessel auf. "Ich glaube nicht, dass Trump da unten Gewinn macht", sagt er und zeigt durch sein Fenster und die Kiefern aufs Clubhaus. Ständig hört er von neuen Rabatten fürs Spielen oder Übernachten. Für ihn – wie für Suzanne Kelly – erste Anzeichen eines Ausverkaufs.
"Sie kürzen die Preise wie bei einem Schlussverkauf! Betriebswirtschaftlich betrachtet ist das ein Zeichen von Hoffnungslosigkeit, dass du im Panik-Modus bist."
Ein Grund mehr für David Milne, sich nicht geschlagen zu geben.
"It has taken them 10 years to build one golf course, a pathetic clubhouse and a boutique hotel. So it's gonna take a long time, before they build the rest. Defeated by him? No. Because we are still here, we are still in our house!”
David Milne fühlt sich sicher. So sicher, wie man sich als Nachbar von Donald Trump fühlen kann.
"So you feel safe here? To a major extent, yes. But not 100 per cent."

Autor Eberhard Schade: "David Milnes Frau sagte zu mir: 'Das klingt alles wie ein schlechter Traum oder eine Episode aus der Serie Dallas. Ist leider aber alles real'."

© privat
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