Trumps einsame Jerusalem-Entscheidung

"Unerwartet, unerfahren, uninformiert"

Palästinenser verbrennen am 06.12.2017 in Gaza (Palästinensische Autonomiegebiete) während eines Protests gegen US-Präsident Trumps Vorhaben, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, die amerikanische und israelische Flagge. (zu dpa «Trump legt mit Jerusalem die Lunte an das Pulverfass Nahost» vom 06.12.2017)
Die neue Lage rund um Jerusalem führt zu Protesten im Gaza-Streifen © picture alliance / dpa / Wissam Nassar
David Witzthum im Gespräch mit Ute Welty · 07.12.2017
Donald Trumps Jerusalem-Entscheidung wirft in der israelischen Öffentlichkeit viele Fragen auf. "Heute weiß man weniger als gestern", sagt der politische Kommentator David Witzthum. Das Schlimmste, was passieren könnte: Dass aus dem israelisch-palästinensischen nun ein religiöser Konflikt wird.
Die Entscheidung von Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, ist fast überall auf der Welt auf Ablehnung und scharfe Kritik gestoßen. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel war dem US-Präsidenten vor, "Öl ins Feuer" zu gießen.
US-Präsident Donald Trump (l) hält am 06.12.2017 eine Proklamation, in der er Jerusalem als die Hauptstadt Israels anerkennt. Neben ihm steht Vizepräsident Mike Pence.
Soeben unterzeichnet: US-Präsident Donald Trump hält stolz eine Proklamation in die Kameras, in der er Jerusalem als die Hauptstadt Israels anerkennt© dpa-Bildfunk / AP / van Vucci
Die Palästinenser haben für heute einen Generalstreik ausgerufen, morgen kommt der UN-Sicherheitsrat zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. In der israelischen Öffentlichkeit wird derweil darüber spekuliert, welche Strategie die USA verfolgen.

"Man weiß überhaupt nicht, wohin er steuert"

Der Schritt Trumps sei unerwartet gekommen, sagte der politische Kommentator David Witzthum im Deutschlandfunk Kultur. Und Skepsis darüber sei unter den Israelis weit verbreitet. Denn Trump sei "unerfahren" und "uninformiert": "Man weiß überhaupt nicht, wohin er steuert."
Das Bild zeigt Jerusalem mit dem Felsendom und seiner goldenen Kuppel.
Jerusalem mit dem Felsendom und seiner goldenen Kuppel© AFP / Thomas Coex
Was jetzt kommt? Für Witzthum ist das Nachdenken darüber Stochern im Nebel: "Heute weiß man weniger als gestern." Die wichtigste Frage sei derzeit, ob aus dem israelisch-palästinensischen Konflikt nun ein religiöser Konflikt werde, betonte Witzthum.
Sicher ist wohl nur: Eine Verlegung der US-Botschaft, die mit Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt verbunden ist, wird wohl Jahre dauern. Dadurch ergäbe sich die "Gelegenheit, noch mal zu denken", so der Kommentator.

Geht es um einen "Weckruf"?

Vielleicht sei Trumps Entscheidung ja auch ein "Weckruf" und die erste Stufe einer Strategie, mit der Trump Israelis und Palästinensern Verhandlungen unter Vermittlung der USA aufzwingen wolle. Das allerdings werde dann mit der rechten Regierung in Israel unter Netanjahu schwer, sagte Witzthum voraus.
Der israelische Ministerpräsident Netanjanu (L) und Meir Rubinstein, Bürgermeister von Beitar Illit, einer Siedlung im Westjordanland, bei der Grundsteinlegungs-Zeremonie für ein neues Viertel der Siedlung, welche die größte in der Westbank südlich von Jerusalem ist.
"Historischer Tag": Israels Ministerpräsident Netanjahu (links) im Westjordanland bei der Grundsteinlegung für ein neues Viertel© AFP / Menahem Kahana
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte in einer Reaktion von einer "mutigen und gerechten Entscheidung" und einem "historischen Tag" gesprochen. Momentan sieht es so aus, als könne er durch die Jerusalem-Debatte nur gewinnen. Denn es hilft ihm, von den Korruptionsermittlungen abzulenken, die gegen ihn laufen. Und wenn tatsächlich die Gewalt ausbricht, die nächste Intifada kommt, wird Netanjahu laut Witzthum zu "Mister Security".
Der endgültige Status von Jerusalem ist einer der wesentliche Streitpunkte im Nahost-Konflikt. International herrschte bislang Einigkeit darüber, dass das Problem in Friedensgesprächen zwischen Israelis und Palästinensern geklärt werden muss. (ahe)
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