Trüffelschwein der Berliner Musikszene

Von Dirk Schneider |
Ran Huber ist einer der umtriebigsten Konzertveranstalter Berlins. Mit seiner Konzertreihe "amSTARt" stellt er unbekannte Musiker und Newcomer vor. Einige gehören mittlerweile zu den Großen, wie etwa Jamie Lidell. Auch dass die Schauspielerin Julia Hummer als Musikerin einen Namen hat, ist nicht zuletzt Ran Hubers Verdienst.
"Man kann davon ausgehen, dass 99 Prozent der Menschen nicht an irgendetwas Neuem interessiert sind. Also die machen einfach, was ihnen vorgesetzt wird, oder was ihnen von den Medien vertickert wird."

Ran Huber sitzt in seinem Kreuzberger Lieblingsrestaurant und regt sich über sein Lieblingsthema auf: dass es so viel tolle Musik auf der Welt gibt, und dass nur so wenige Leute sie kennen. Das zu ändern, ist die Leidenschaft des 37-Jährigen. In seiner Konzertreihe "amSTARt" stellt er regelmäßig Bands vor, die seiner Meinung nach ein größeres Publikum verdient haben.

Ran Huber, etwas über 1,80 Meter groß und schlank, hat eine bunte Wollmütze über die wuscheligen Haare gezogen, und einen blauen Parka über den alten Rollkragenpulli. Diesen Abend hat er in den Kreuzberger Club "West Germany" eingeladen. Seine Konzertreihe hat keinen festen Ort, aber dass er etwas im Westteil der Stadt veranstaltet, ist eine neue Entwicklung.

"Das ist für "amSTARt" gesehen revolutionär. Ich habe immer nur im ehemaligen Ostteil der Stadt veranstaltet. Die erste Ausnahme war letztes Jahr, da habe ich einen Abend im Flughafenrestaurant Tempelhof gemacht. Ach, hier ist es ja schon."

Wir befinden uns am "Zentrum Kreuzberg", dem gigantischen Betonkomplex aus den 70er Jahren, direkt am U-Bahnhof Kottbusser Tor. Eine unscheinbare Tür führt in ein Treppenhaus, im dritten Stock hängt ein Zettel: "Zutritt nur für geladene Gäste". Der Club ist nicht ganz legal, man will den Anschein einer Privatveranstaltung wahren.

Drinnen gekachelter Boden, Reste von herausgerissenen Zwischenwänden, das Ganze war einmal eine Arztpraxis, erklärt Ran Huber. Wo früher die Rezeption war, wird jetzt Alkohol ausgeschenkt. An diesem Abend spielen Supercheap, ein Rockduo aus Leeds, das inzwischen seinen Wohnort nach Berlin verlegt hat, und Applegarden, ein Elektronik-Duo aus Rotterdam.

Frederike von Nazareth ist Herausgeberin des Musik-Fanzines "Der letzte Schrei" und wie viele andere eine regelmäßige Besucherin der "amSTARt"-Reihe:

"Ich kenn die meisten Bands nicht und man weiß nie so richtig was kommt, aber es macht halt immer Spaß, weil Ran halt mit soviel Idealismus dabei ist und mit soviel Begeisterung. Ich mag es manchmal gar nicht und weiß auch gar nicht, was es soll, und manchmal finde ich es ganz, ganz großartig."

Aufgewachsen ist Ran Huber in der Nähe von Weilheim, einer Gegend in Bayern, die Geburtsstätte vieler bekannter Bands ist wie The Notwist, Console oder Tied and Tickled Trio. Die Musiker dieser Bands gehörten zu seinem Freundeskreis. Anfang der 90er Jahre ist Huber dann zum Studieren nach Berlin gezogen. Der Osten der Stadt hat ihn fasziniert. In der Auguststraße in Mitte hat er mit Freunden eine kleine Kneipe aufgemacht, bekannt als Fensterbar.

"Das hieß halt Fensterbar, weil man da von der Straße nur durchs Fenster rein kam in diesen Raum, ein relativ schlichter, rechteckiger sehr hoher Raum mit einem Sofa und einem kleinen Tresen und einem Kühlschrank und einem Ghettoblaster."

Die Stadt hatte bald Aufregenderes zu bieten als das Philosophiestudium. In der legendären Galerie Berlin-Tokio am Hackeschen Markt hat Huber seine ersten Konzerte veranstaltet. Dabei brachte er Bands aus seiner bayerischen Heimat mit Berliner Bands zusammen auf die Bühne.

"Ich hab halt am Anfang nicht gesagt: Ich muss ein Veranstalter sein und mir hier tolle Bands suchen. Sondern mir hat das Spaß gemacht und ich hab mich einfach aus dem großen Pool befreundeter Künstler bedient."

Inzwischen gilt Ran Huber als einer der eifrigsten Konzertveranstalter Berlins. Im Schnitt bringt er es auf fünf Konzerte im Monat.

"Was mich antreibt ist einfach die Tatsache, dass man was machen muss, was einem Spaß macht, um nicht wahnsinnig zu werden oder depressiv, da bin ich so ganz pragmatisch. Ich und mein Leben und "amSTARt" war bis vor kurzem ein und dasselbe. Jetzt hab ich das so ein bisschen umarrangiert, weil ich das auch nicht mehr geschafft habe, rein energietechnisch."

Ran Huber hat kein Problem, auch abseits von Berlins angesagten Vierteln schöne Orte für Konzerte zu finden, wie zum Beispiel einen alten Kinopalast am Stadtrand. Er ist von keiner Szene abhängig und freut sich über jeden, dem seine Konzerte gefallen:

"Eigentlich ist mein Traum, wenn ich als Veranstalter enden sollte, mal negativ ausgedrückt, ein Veranstaltungsformat zu finden, was für 5- bis 95-Jährige geeignet ist, wo also vier Generationen hingehen und zusammen Spaß haben können. Also Tanztee meets CBGBs oder so."

Der Abend im "West Germany" wäre sicher nichts für Kinder oder Senioren. Aber den Anwesenden gefällt es, und wenn eine dieser Bands berühmt werden sollte, können sie später von sich behaupten, einen legendären Abend erlebt zu haben.