Trotz allem mit Humor

Von Tobias Wenzel |
Seit ihrem Debütroman "Brick Lane" zählt Monica Ali zu den bekanntesten englischsprachigen Nachwuchsschriftstellern. In Bangladesh geboren und in Großbritannien aufgewachsen, stand sie lange zwischen zwei Kulturen. Ihren Humor hat sie sich in ihrem schriftstellerischen Werk und im Alltag dennoch bewahrt.
Erinnerungen an ihre Geburtsstadt Dhaka in Bangladesh habe sie noch, sagt die englischsprachige Schriftstellerin Monica Ali. Allerdings wisse sie nicht, ob es ihre eigenen Erinnerungen seien oder nur Erinnerungen an die Erzählungen ihrer Eltern. Schließlich war Monica drei Jahre alt, als ihre Mutter mit ihr und ihrem Bruder nach Großbritannien ging:

"Genauer erinnere ich mich daran, wie wir in Großbritannien ankamen. Mein Vater konnte anfangs nicht mitkommen. Es war eine sehr schlimme Zeit für die Familie. Und ich weiß noch, wie ich nicht wirklich Englisch sprechen konnte und mein Bruder auch nicht. Daran erinnere ich mich tatsächlich."

Monica Ali lehnt sich zurück in den Sessel der Hotelsuite, so dass ihre großen silbernen Ohrringe baumeln. Mit ihrem schlichten schwarzen Oberteil und den stubbeligen Haaren, wirkt sie alles andere als prätentiös. Und das macht die schöne 39-jährige Tochter eines Bengali und einer Engländerin, so sympathisch. Mit ihrem Debüt "Brick Lane" wurde sie schlagartig berühmt. In dem Roman erzählt Monica Ali die Geschichte der 19-jährigen Nazneen aus Bangladesh. Sie wird in der Bangladesh-Community in London mit einem viel älteren Mann zwangsverheiratet. Nazneens Geschichte ist nicht die von Monica Ali:

"Ich habe eine andere Lebenserfahrung als sie. Nazneen entdeckte ich vielmehr über meine eigene Mutter. Meine Mutter ist eine weiße Frau aus dem Norden Englands. Sie ging nach Dhaka in Bangladesh und heiratete meinen Vater, ohne irgendeine Kenntnis von seiner Religion zu haben, von seiner Kultur oder seiner Sprache. Meine Mutter hat mir oft davon erzählt. Und das hat wohl Nazneen in mir entstehen lassen."

So ist letztlich auch etwas von Monica Ali in ihrem Roman "Brick Lane". Auch sie hat in England zwischen den Kulturen gelebt. Ihr Vater, erzählt sie, hatte bengalische Freunde. Und zur Schule sei sie mit britischen Kindern gegangen. Damals ließ man sie spüren, dass ihre Haut dunkler ist als die ihrer Schulkameraden:

"Menschen vergessen so schnell! Ich bin in den 70er Jahren in Bolton aufgewachsen, einer Stadt mit einem hohen Immigranten-Anteil. Wenn ich aus der Schule nach Hause ging, las ich auf den Mauern die Buchstaben NF, für die rechtsextreme British National Front. Damals hatten rassistische Witze Hochkonjunktur. Selbst im Fernsehen erzählte man sie. Und da fragen mich jetzt Leute, ob ich in meiner Kindheit Rassismus erlebt hätte! Auf was für einem Planeten leben wir denn eigentlich!"

Auch bei solch ernsten Themen verliert Monica Ali nicht ihren Humor. Das gilt auch für ihre Literatur: für "Brick Lane" genauso wie für ihr neues Buch "Alentejo Blue". Ali schafft in diesem Text eine düstere Atmosphäre, nicht ohne mit skurrilen Bildern den Leser zum Schmunzeln zu bringen. In "Alentejo Blue" sind alle Bewohner eines portugiesischen Dorfes traurig. Die Einheimischen ebenso wie die Aussteiger aus dem Ausland. Darunter der englische Schriftsteller Harry Stanton. Er drückt sich vor dem Schreiben, indem er Flipper spielt und sich sexuell mit der Mutter und Tochter einer anderen englischen Familie einlässt. Und mit welcher Taktik umgeht Monica Ali das Schreiben?

"Jedenfalls nicht, indem ich mit Frauen schlafe! Ich habe da andere Strategien. Es gibt Tage und Momente, in denen ich zum Beispiel als Verzögerungstaktik mich mit etwas zu viel Eifer um die Wäsche kümmere. Aber das ist relativ selten. Ich muss nämlich sehr diszipliniert sein beim Schreiben, weil ich eine Familie und zwei junge Kinder habe. Und die benötigen viel Zeit. Deshalb schreibe ich immer von 9 bis 15 Uhr. Und wenn meine Kinder im Bett sind, schreibe ich auch noch am Abend."

Die australische Autorin Germaine Greer warf Monica Ali vor, dass sie in "Brick Lane" einfache Menschen aus Bangladesh porträtiere, obwohl sie, Ali, zur Mittelschicht gehört. Greers Forderung: Ali und überhaupt alle Schriftsteller sollten nur noch autobiographische Texte schreiben.

"Ich finde diese Kritiker so lächerlich. Wir müssen solchen Menschen etwas entgegensetzen. Schreiben heißt für mich Imagination. Wenn man Fiktionales schreibt, muss man natürlich auch recherchieren. Recherchen geben einem aber nur den Mut, etwas zu erschaffen. Das ist doch die Aufgabe der fiktionalen Literatur."

Diese Verquickung von Recherche und Imagination hat sie auch bei ihrem neuen Buch "Alentejo Blue" angewandt. Erst machte sie in der portugiesischen Landschaft Alentejo Urlaub. Dann erfand sie zahlreiche triste Gestalten: vom Barbesitzer, der sein Glück in den USA versuchte und resigniert zurück ins portugiesische Dorf kam, bis zur Supermarktkassiererin, die nebenbei Lebensversicherungen verkaufen will, um sich mit der Provision ein Flugticket nach London kaufen und endlich ihr Dorf verlassen zu können. Monica Ali versteht sich darauf, diese Menschen und ihre Gefühlswelten zu porträtieren, oft mit schwarzem Humor.