Trost über den Tod hinaus

Rezensiert von Carola Wiemers |
Viele Grabstätten berühmter Dichter sind zu wahren Pilgerstätten geworden. Wer es sich nicht leisten kann, etwa das Grab des Petrarca zu besuchen, der kann im Bildband "Im letzten Garten" blättern und so eine Reise zu den Ruhestätten verstorbener Schriftsteller unternehmen. Die Bilder sind mit Texten der Verstorbenen versehen, die so über ihren Tod hinaus Trost spenden.
In auffallend phantasievoller Weise haben sich Dichter zu allen Zeiten Gedanken darüber gemacht, wo und wie sie zu Grabe getragen werden sollten. Bertolt Brecht, der aus dem Bibliotheksfenster seiner Wohnung in der Berliner Chausseestraße täglich auf den daneben befindlichen Dorotheenstädtischen Friedhof schauen konnte, wünschte sich - beerdigt in einem "Sarg aus Stahl oder Eisen" - einen Grabstein, "an den jeder Hund pinkeln möchte".

Der maritim veranlagte schwedische Romancier August Strindberg hingegen meinte, der Dichter sollte überhaupt kein Grab beanspruchen. Seine Asche könne ohne Bedenken in alle Winde verstreut werden, da er ohnehin nur in seinem Werk weiterlebe.

Vielleicht resultiert gerade aus jenen zu Lebzeiten formulierten Wünschen der Tatbestand, dass ein Besuch der mit berühmten Namen versehenen Grabstätten in Frankreich, Italien, England oder Deutschland zum festen Programmpunkt touristischer Pilgerschaft geworden ist.

Diesem Bedürfnis trägt nun ein im Hildesheimer Gerstenberg Verlag erschienener Band Rechnung, der bereits mit seinem sinnlichen Titel - Im letzten Garten. Besuch bei toten Dichtern - dieses Phänomen in seiner singulären Bedeutung fassbar zu machen versucht.

Peter Andreas, der hauptberuflich als Werbeberater tätig ist und schon auf einige Bildbände verweisen kann, zeichnet für die Auswahl der Fotos und Texte verantwortlich, mit der ein großer zeitlicher und geographischer Bogen von Francesco Petrarca (1304-1374) über E.T.A. Hoffmann (1776-1822) hin zu Ingeborg Bachmann (1926-1973) geschlagen wird.

Mögen so manchem unvorbereiteten Besucher bei seinem Gang zum Grab die Wörter des verehrten und geliebten Dichters gefehlt haben, mit diesem Bild-Wort-Band kann er die Lücke schließen, ohne den letzten Garten betreten zu haben. Die Lektüre beschert dem Interessierten eine üppige Reise im Kopf, von der er in mehrfacher Weise reich beschenkt heimkehrt. Auf Seite 15 eben noch bei Torquato Tasso (1544-1595) in Rom, findet er sich nach dem Umblättern bereits bei Francis Bacon (1561-1626) in England wieder, der mit den Worten: "Der Tod ist kein schrecklicher Feind", Trost zu spenden versucht.

Eingeleitet ist der in jeder Hinsicht zu schätzende Band Im letzten Garten mit einem Essay des Dichters Günter Kunert, der darin über das Faszinosum der Grabdenkmäler von Literaten nachdenkt. Er kommt zu dem Resultat:

"Wir wären ärmer ohne diese Gräber mit ihren manchmal merkwürdigen Erinnerungsbildern, es würde uns etwas fehlen: vielleicht die Bestätigung eines uns berührenden Seins, auch eines uns betreffenden Memento mori".

Auch August Strindbergs letzte Ruhestätte in Stockholm ist von Peter Andreas aufgenommen worden, ergänzt durch einen Gedanken aus seinen diabolischen "Inferno-Legenden", wo es heißt:

"Nichts ereignet sich in diesem Bezirk des Todes, ein Tag fließt dahin wie der andere, und nur wenn die Vögel brüten, wird es laut in der Stille".

An anderer Stelle wird Strindbergs düstere Perspektive derweil mit Leichtigkeit erfüllt, so durch Robert Walsers (1878-1956) Beobachtung, dass noch in den Grabsteinen zu sehen sei, wie sie "Einkäufe machen, kochen, waschen, schreiben, zur Bank gehen". So spenden die Dichter auch über ihren Tod hinaus noch Trost für die Lebenden in und mit ihren Texten.


Peter Andreas: Im letzten Garten. Besuch bei toten Dichtern.
Mit einem Essay von Günter Kunert.
Gerstenberg Verlag Hildeskeim 2005.
216 Seiten. 24,90 Euro.