Troge verlangt mehr Geld für Artenschutz
Der Präsident des Umweltbundesamtes, Andreas Troge, hat die Regierungschefs der G8-Staaten aufgefordert, sich verstärkt für den Artenschutz einzusetzen. Ärmere Länder müssten finanzielle Hilfe erhalten, sagte Troge anlässlich des "Tages der biologischen Vielfalt".
Birgit Kolkmann: Unendlich viele Farben, Formen, Pflanzen, Tiere – die Welt ist reich durch ihre Vielfalt. Die Menschen machen nur einen Bruchteil der gesamten Biomasse aus. Wir bringen genauso viel auf die Waage, wie die zehn Trillionen Ameisen auf der Welt. Wir sind also ein Fliegengewicht in der Biodiversität, in der biologischen Vielfalt. Und dabei geht es nicht nur um die Arten, sondern auch deren Genpools zum Beispiel, deren Lebensräume und Ökosysteme und deren Beziehungen untereinander. Dass alles mit allem zusammenhängt und das gravierende ökologische und existenzielle Folgen für den Planeten und die Menschen hat, wenn dieses Gleichgewicht gestört, ein Teil der Vielfalt kaputt gemacht wird, daran soll der Tag der Biodiversität erinnern. Der ist heute, und dieses Thema wird auch beim G8-Gipfel in Heiligendamm wichtig sein. Wir sind jetzt mit dem Präsidenten des Umweltbundesamtes verbunden. Guten Morgen, Andreas Troge.
Andreas Troge: Schönen guten Morgen, Frau Kolkmann.
Kolkmann: Herr Troge, wenn von tausend Arten hundert aussterben, ist das wirklich schlimm?
Troge: Ja, das ist schlimm, weil wir erst spüren, was es uns bedeutet, diese vielen Arten zu haben. Der Mensch reagiert ja im Grunde asymmetrisch. Das, was wir haben, schätzen wir nicht besonders, erst wenn wir es nicht mehr haben, wird es für uns schwierig, und wir merken den Verlust.
Kolkmann: Dafür entstehen aber auch viele neue Arten. Gleicht sich das nicht auf natürliche Weise aus?
Troge: Ja, natürlich entstehen auch neue Arten. Nur die Europäische Kommission hat ja mal grob geschätzt, dass wir etwa 1000 Mal, bis 10.000 Mal so viele Arten in den letzten Dezennien verloren haben, wie es eigentlich der Evolution entspräche. Natürlich ist immer Dynamik drin. Die entscheidende Frage ist nur, haben wir Menschen möglicherweise dazu beigetragen, dass viele Arten schneller aussterben und sich die Regeneration nicht mehr so schnell ergibt. Und da ist meine Antwort: Ja.
Kolkmann: 20 Millionen Arten kennen wir. Es gibt Schätzungen von Wissenschaftlern, nach denen es 200 Millionen gibt, wir also die meisten gar nicht kennen. Von der Natur wollen ja auch viele lernen, also zum Beispiel Forscher der Pharma-Firmen gehen in den Urwald, um neue Stoffe für die Medizin zu finden. Wenn da nun schneller Arten aussterben als bisher, könnte es da sein, dass wir vieles gar nicht mehr entdecken können, was es gibt?
Troge: Das ist völlig richtig. Wir schützen im Grunde die biologische Vielfalt, die uns umgibt, ja nicht aus dem Grunde, dass wir wissen, was sie uns heute gibt, sondern vor allen Dingen deshalb, weil wir nicht wissen, was sie uns morgen geben kann. Das Potenzial ist interessant. Und wenn Arten aussterben, haben wir das Problem, dass wir häufig ihre Lebenszusammenhänge nicht kennen – also der unbekannte Pilz, der im Grunde unsere Vegetation zum Wachstum bringt. Wenn wir diese Zusammenhänge nicht kennen, merken wir vielleicht erst gar nicht, was uns für ein Schaden entsteht, wenn wir heute nicht auf die biologische Vielfalt achten.
Kolkmann: Nun wird ja immer versucht von Ökonomen zu beziffern, was dieses alles Wert ist. Und da gibt es eine Zahl: 33 Billionen Dollar im Jahr, das erwirtschafte das Ökosystem Erde jedes Jahr. Das wäre doppelt so viel, wie alle Volkswirtschaften auf dem Planeten zusammen. Nun ist so eine Zahl wirklich sehr schwer zu verstehen. Was bedeutet es denn für die Zukunft, wenn dieses System nicht mehr effektiv arbeitet?
Troge: Das bedeutet, dass wir vieles von dem, was uns die Natur heute fast kostenlos oder kostenlos gibt, versuchen müssen, künstlich herzustellen. Das ist ein Unterfangen, das nur zum Nachteil des Menschen ausgehen kann. Denn wir würden eine ganz erhebliche Wohlstandseinbuße erleben dadurch, dass wir Arbeit und Kapital aufwenden müssen, um Naturfunktionen nachzuahmen. Ein schönes Beispiel ist die Gewässerreinigung. Wir ahmen ja in unseren Kläranlagen mehr schlecht als recht natürliche Selbstreinigungsvorgänge in unseren Flüssen nach. Und das kostete sehr viel Geld, weil wir eben sehr viele Menschen sind in Europa mit hohem Pro-Kopf-Einkommen. Also das, was uns die Natur an Dienstleistungen liefert, müssten wir mühsam erstellen, und in vielen Fällen wird das gar nicht möglich sein.
Kolkmann: Es geht ja nicht nur um den ökonomischen Nutzen, sondern eben um das Überleben auf dem Planeten generell. Wie kann denn dieses System nun besser geschützt werden. Ich glaube, dass vielen Menschen diese Konvention über Biodiversität überhaupt gar nicht bekannt ist.
Troge: Der beste Schutz ist zunächst einmal im Ansatz ein Gebietsschutz, also Lebensräume zu erhalten, damit sich natürliche Vielfalt weiter entwickeln kann, der Evolution Lauf zu lassen. Das bedeutet aber zweitens in letzter Konsequenz, dass sich der Mensch aus der breite der Natur stärker zurückziehen muss, und dies bei zunehmender Weltbevölkerung. Wenn wir die Lebensräume unserer Mitgeschöpflichkeit immer stärker bedrängen und uns nicht etwa in Siedlungen zurückziehen, die bereits da sind, dann wird es für die umgebende Natur schwierig. Ein weiteres kommt hinzu: Wir nutzen eine Vielfalt synthetischer Stoffe weltweit, die sich in Eisbärenfetten anreichern, bei Inuits anreichern in der Frauenmilch. All diese Stoffe haben auch das Risiko, die biologische Vielfalt zu beeinträchtigen. Ich denke beispielsweise an das relativ bekannte Phänomen, dass wir mit unserer fossilen Energieerzeugung sehr viele Stickstoffe in die Atmosphäre blasen, die sich dann anreichern, ähnlich wie sich CO2 in der Atmosphäre anreichert. Stichworte sind hier Versauerung und Überernährung unserer Ökosysteme.
Kolkmann: Nun soll das Thema Biodiversität, also biologische Vielfalt, auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm auch ein Thema sein. Was können denn nun Regierungen tun, um die Vielfalt als Lebensversicherung zu sichern?
Troge: Die Regierungen können vor allen Dingen eins tun: Sie können die Subventionen, die sie beispielsweise ausgeben, um die Wirtschaft zu fördern, die dann wiederum natürliche Lebensgrundlagen beansprucht, zurückführen. Ich denke insbesondere an die vielen Milliarden Dollar, die pro Jahr in die Fischereiflotten fließen. Ich erinnere auch daran, dass wir die regionale Wirtschaftsförderung stärker auf die Städte oder Ballungsräume konzentrieren sollten und nicht mehr so stark auf das Land, um dort nicht mehr Natur zu zerschneiden, was letztlich auch Lebensräume kostet, letztlich auch für uns – Stichwort: Naherholung. Ganz wichtig scheint mir auch zu sein im globalen Maßstab, den Ländern, die über viel biologische Vielfalt verfügen, etwa Entwicklungsländer im äquatorialen Raum, diesen auch eine Gegenleistung zu geben, indem wir sagen, jede Entnahme von biologischer Vielfalt muss entgeltlich erfolgen, sodass ihr ein Eigeninteresse habt, diese zu erhalten. Und darüber hinaus müssen wir, glaube ich, auch Beiträge leisten, damit die Länder wirtschaftlich in die Lage versetzt werden, ihre Substanz bei biologischer Vielfalt auf Dauer zu erhalten.
Kolkmann: Heute ist der Tag der biologischen Vielfalt. Das war ein Gespräch mit dem Präsidenten des Umweltbundesamtes. Vielen Dank, Andreas Troge.
Troge: Ade, Tschüss.
Andreas Troge: Schönen guten Morgen, Frau Kolkmann.
Kolkmann: Herr Troge, wenn von tausend Arten hundert aussterben, ist das wirklich schlimm?
Troge: Ja, das ist schlimm, weil wir erst spüren, was es uns bedeutet, diese vielen Arten zu haben. Der Mensch reagiert ja im Grunde asymmetrisch. Das, was wir haben, schätzen wir nicht besonders, erst wenn wir es nicht mehr haben, wird es für uns schwierig, und wir merken den Verlust.
Kolkmann: Dafür entstehen aber auch viele neue Arten. Gleicht sich das nicht auf natürliche Weise aus?
Troge: Ja, natürlich entstehen auch neue Arten. Nur die Europäische Kommission hat ja mal grob geschätzt, dass wir etwa 1000 Mal, bis 10.000 Mal so viele Arten in den letzten Dezennien verloren haben, wie es eigentlich der Evolution entspräche. Natürlich ist immer Dynamik drin. Die entscheidende Frage ist nur, haben wir Menschen möglicherweise dazu beigetragen, dass viele Arten schneller aussterben und sich die Regeneration nicht mehr so schnell ergibt. Und da ist meine Antwort: Ja.
Kolkmann: 20 Millionen Arten kennen wir. Es gibt Schätzungen von Wissenschaftlern, nach denen es 200 Millionen gibt, wir also die meisten gar nicht kennen. Von der Natur wollen ja auch viele lernen, also zum Beispiel Forscher der Pharma-Firmen gehen in den Urwald, um neue Stoffe für die Medizin zu finden. Wenn da nun schneller Arten aussterben als bisher, könnte es da sein, dass wir vieles gar nicht mehr entdecken können, was es gibt?
Troge: Das ist völlig richtig. Wir schützen im Grunde die biologische Vielfalt, die uns umgibt, ja nicht aus dem Grunde, dass wir wissen, was sie uns heute gibt, sondern vor allen Dingen deshalb, weil wir nicht wissen, was sie uns morgen geben kann. Das Potenzial ist interessant. Und wenn Arten aussterben, haben wir das Problem, dass wir häufig ihre Lebenszusammenhänge nicht kennen – also der unbekannte Pilz, der im Grunde unsere Vegetation zum Wachstum bringt. Wenn wir diese Zusammenhänge nicht kennen, merken wir vielleicht erst gar nicht, was uns für ein Schaden entsteht, wenn wir heute nicht auf die biologische Vielfalt achten.
Kolkmann: Nun wird ja immer versucht von Ökonomen zu beziffern, was dieses alles Wert ist. Und da gibt es eine Zahl: 33 Billionen Dollar im Jahr, das erwirtschafte das Ökosystem Erde jedes Jahr. Das wäre doppelt so viel, wie alle Volkswirtschaften auf dem Planeten zusammen. Nun ist so eine Zahl wirklich sehr schwer zu verstehen. Was bedeutet es denn für die Zukunft, wenn dieses System nicht mehr effektiv arbeitet?
Troge: Das bedeutet, dass wir vieles von dem, was uns die Natur heute fast kostenlos oder kostenlos gibt, versuchen müssen, künstlich herzustellen. Das ist ein Unterfangen, das nur zum Nachteil des Menschen ausgehen kann. Denn wir würden eine ganz erhebliche Wohlstandseinbuße erleben dadurch, dass wir Arbeit und Kapital aufwenden müssen, um Naturfunktionen nachzuahmen. Ein schönes Beispiel ist die Gewässerreinigung. Wir ahmen ja in unseren Kläranlagen mehr schlecht als recht natürliche Selbstreinigungsvorgänge in unseren Flüssen nach. Und das kostete sehr viel Geld, weil wir eben sehr viele Menschen sind in Europa mit hohem Pro-Kopf-Einkommen. Also das, was uns die Natur an Dienstleistungen liefert, müssten wir mühsam erstellen, und in vielen Fällen wird das gar nicht möglich sein.
Kolkmann: Es geht ja nicht nur um den ökonomischen Nutzen, sondern eben um das Überleben auf dem Planeten generell. Wie kann denn dieses System nun besser geschützt werden. Ich glaube, dass vielen Menschen diese Konvention über Biodiversität überhaupt gar nicht bekannt ist.
Troge: Der beste Schutz ist zunächst einmal im Ansatz ein Gebietsschutz, also Lebensräume zu erhalten, damit sich natürliche Vielfalt weiter entwickeln kann, der Evolution Lauf zu lassen. Das bedeutet aber zweitens in letzter Konsequenz, dass sich der Mensch aus der breite der Natur stärker zurückziehen muss, und dies bei zunehmender Weltbevölkerung. Wenn wir die Lebensräume unserer Mitgeschöpflichkeit immer stärker bedrängen und uns nicht etwa in Siedlungen zurückziehen, die bereits da sind, dann wird es für die umgebende Natur schwierig. Ein weiteres kommt hinzu: Wir nutzen eine Vielfalt synthetischer Stoffe weltweit, die sich in Eisbärenfetten anreichern, bei Inuits anreichern in der Frauenmilch. All diese Stoffe haben auch das Risiko, die biologische Vielfalt zu beeinträchtigen. Ich denke beispielsweise an das relativ bekannte Phänomen, dass wir mit unserer fossilen Energieerzeugung sehr viele Stickstoffe in die Atmosphäre blasen, die sich dann anreichern, ähnlich wie sich CO2 in der Atmosphäre anreichert. Stichworte sind hier Versauerung und Überernährung unserer Ökosysteme.
Kolkmann: Nun soll das Thema Biodiversität, also biologische Vielfalt, auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm auch ein Thema sein. Was können denn nun Regierungen tun, um die Vielfalt als Lebensversicherung zu sichern?
Troge: Die Regierungen können vor allen Dingen eins tun: Sie können die Subventionen, die sie beispielsweise ausgeben, um die Wirtschaft zu fördern, die dann wiederum natürliche Lebensgrundlagen beansprucht, zurückführen. Ich denke insbesondere an die vielen Milliarden Dollar, die pro Jahr in die Fischereiflotten fließen. Ich erinnere auch daran, dass wir die regionale Wirtschaftsförderung stärker auf die Städte oder Ballungsräume konzentrieren sollten und nicht mehr so stark auf das Land, um dort nicht mehr Natur zu zerschneiden, was letztlich auch Lebensräume kostet, letztlich auch für uns – Stichwort: Naherholung. Ganz wichtig scheint mir auch zu sein im globalen Maßstab, den Ländern, die über viel biologische Vielfalt verfügen, etwa Entwicklungsländer im äquatorialen Raum, diesen auch eine Gegenleistung zu geben, indem wir sagen, jede Entnahme von biologischer Vielfalt muss entgeltlich erfolgen, sodass ihr ein Eigeninteresse habt, diese zu erhalten. Und darüber hinaus müssen wir, glaube ich, auch Beiträge leisten, damit die Länder wirtschaftlich in die Lage versetzt werden, ihre Substanz bei biologischer Vielfalt auf Dauer zu erhalten.
Kolkmann: Heute ist der Tag der biologischen Vielfalt. Das war ein Gespräch mit dem Präsidenten des Umweltbundesamtes. Vielen Dank, Andreas Troge.
Troge: Ade, Tschüss.