Triviale Satire

31.03.2011
In seinem Romandebüt "Im Inneren der Seifenblase" verfolgt Schauspieler und "Dschungelcamp"-Insasse Mathieu Carrière eine Doppelstrategie. Das Werk ist Mimesis und Parodie des Trivialen in einem. Sein literarischer Balanceakt wirkt etwas bemüht und überspannt.
Für Aufsehen sorgte der Schauspieler Mathieu Carrière zuletzt durch seine Teilnahme am "Dschungelcamp" von RTL, einer Show, die geradezu als Sinnbild für triviale Fernsehkultur gilt und in der man Mathieu Carrière nicht unbedingt erwartet. Er ist ein Gesicht des künstlerisch anspruchsvollen europäischen Autorenkinos der 60er und 70er-Jahre, zudem ein Kenner der neueren französischen Philosophie, zumal der Schriften Jacques Derridas, und hat literarische Essays verfasst.

In den vergangenen Jahren war es um die Schauspielkarriere von Mathieu Carrière allerdings still geworden, man sah ihn gelegentlich in Nebenrollen unerheblicher Fernsehfilme, im Kino gar nicht mehr. Sein Auftritt im "Dschungelcamp" ließ sich deshalb auch als Demonstration der Nöte eines Künstlers zu sehen, der, um zu überleben, einen Teufelspakt mit dem Schund eingeht und zugleich darum kämpft, sich vom Schund nicht vereinnahmen zu lassen.

Eben dies ist das Thema des ersten Romans von Mathieu Carrière "Im Inneren der Seifenblase". Denn die Hauptfigur ist, wie Carrière selbst, ein bekannter deutscher Schauspieler, und dieser Bob Bodenbauer geht ebenfalls einen Teufelspakt mit dem Schund ein.

Zu Beginn der Romanhandlung wacht Bodenbauer in einer Klinik aus dem Koma auf und versucht mühsam, sich daran zu erinnern, wer und wo er ist. Im nächsten Moment ereignen sich zwei Dinge: Eine attraktive Krankenschwester kommt ins Zimmer, und das Telefon klingelt. Genau dies würde sich auch in einer durchschnittlichen Fernsehsoap ereignen. Und in eine solche schickt der Roman seine Hauptfigur nun tatsächlich.

Denn als Bodenbauer den Hörer abnimmt, sagt ihm eine unbekannte Stimme, er werde demnächst eine Rolle in einer sogenannten Telenovela übernehmen – einer Fernsehsoap mit Seriencharakter also, einem Kitschprodukt mit attraktiven Krankenschwestern, klingelnden Telefonen am Bett gerade erwachter Komapatienten etc. So kommt es auch, und Bodenbauer ist "Im Innern der Seifenblase" angelangt, einem trivialen Nichts.

Mathieu Carrière experimentiert in seinem Debüt mit einer erzählerischen Doppelstrategie: Denn der Roman karikiert und kritisiert den Irrwitz des Trivialfernsehens und macht sich die Maßgaben des Trivialen gleichzeitig als literarisches Programm zu eigen. Die Handlung überschlägt sich vor unglaubwürdigen Zufällen, gebrochenen Herzen und halbseidenen Pointen. "Die Seifenblase" ist Mimesis und Parodie in einem, ein echter und zugleich ein satirischer Schundroman.

Diesen Balanceakt bewältigt der Autor nur ansatzweise. So interessant das Sujet des Romans fraglos ist, so bemüht und überspannt wirkt bisweilen die literarische Ausführung. Der perfekte Mittelweg zwischen Distanz und Identifizierung ist für den Autor Carrière nicht weniger schwierig zu finden als für den Teilnehmer des "Dschungelcamps".

Besprochen von Ursula März

Mathieu Carrière: Im Inneren der Seifenblase
Roman
Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2011
366 Seiten, 19,90 Euro