Triumph des katalanischen Films

Von Wolfgang Martin Hamdorf |
Zum 25. Mal wurden in Madrid die spanischen Filmpreise "premios Goya" verliehen. Großer Abräumer war der katalanischsprachige Film "Pa negre" ("Schwarzes Brot"), der unter anderem für die beste Regie und beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet wurde. Akademiepräsident Alex de la Iglesia nahm bei der Gala seinen Abschied.
Am Ende einer mehr als dreistündigen Gala gab Schauspieler Javier Bardem den "Goya" für den besten Film bekannt: Mit "Pa negre" (auf Deutsch "Schwarzes Brot") ging der Preis zum ersten Mal an einen in katalanischer Sprache gedrehten Film.

Der Film führt zurück in die frühen Vierziger Jahre, in die unmittelbare Zeit nach dem Spanischen Bürgerkrieg und erzählt einen vielschichtigen Kriminalfall in einem berückenden Ambiente aus Neid und Korruption. Das kleine katalanische Dorf wird dabei auch zur Metapher für eine durch Krieg und Diktatur zerrissene Gesellschaft. Der 58-jährige Regisseur Agustí Villaronga zeichnet sich innerhalb des oft sehr konventionellen Panoramas des spanischen Films durch eine radikale und eindringliche Erzählweise aus.

Agustí Villaronga: "Die Schatten der Vergangenheit prägen die Geschichte. Die Hauptfigur ist zwar ein kleiner Junge, aber es ist auch ein Ensemblefilm, denn alle Figuren sind in ein Spinnennetz der eigenen Schuld verstrickt. Es gibt zwei Schlüsselszenen: Der Mord am Anfang ist wie ein Kriegsausbruch, ein Ereignis, dem sich keiner entziehen kann: Wenn ein großer Stein in eine Pfütze voller Scheiße fällt, bleibt keiner sauber. Das zweite Ereignis ist diese Kastration des jungen Mannes, 20 Jahre davor: diese gemeinsame Schuld, die die Männer des Dorfs geprägt hat. So entsteht eine drückende Atmosphäre, ohne dass ich explizit auf den Bürgerkrieg eingehen muss, denn dazu ist schon viel gesagt worden."

Mit neun Auszeichnungen, darunter der Goya für die beste Regie, die beste Schauspielerin und den besten Nachwuchsdarsteller, war "Pa negre" der große Sieger des Abends. Die anderen Favoriten blieben weit dahinter zurück: So war "Balada triste de trompeta" (auf deutsch "Die traurige Ballade von der Trompete") von Alex de la Iglesia, die groteske und blutrünstige Geschichte von zwei Clowns, für 15 Goyas nominiert, erhielt am Ende nur zwei. Auch Iciar Bollains Politdrama "Tambien la lluvia" (Sogar der Regen), das auch im Panorama der Berlinale zu sehen ist, war für 13 Goyas nominiert, musste sich aber mit zwei Auszeichnungen begnügen.

Zum 25. Jubiläum zelebrierte die Akademie die Gala zum ersten Mal im ehrwürdigen "Teatro Real", dem Operngebäude der spanischen Hauptstadt und ein 600 Meter langer roter Teppich ersetzte die grüne Auslegware vergangener Jahre. Dabei hatte der Streit um das neue Gesetz des spanischen Kulturministeriums gegen die Videopiraterie die Gala überschattet. Es ermöglicht die Sperrung von Seiten zum kostenlosen Download für audiovisuelle Produkte im Internet. Aus Protest hatte der Präsident der Akademie, der spanische Filmemacher, Alex de la Iglesia, seinen Rücktritt angekündigt.

Auch wenn Akademiepräsident und Kulturministerin gestern Abend noch einträchtig fürs Pressefoto posierten, ist der eigenwillige Filmemacher längst zum Idol für die "Internautas", die Internet Community und die Gegner des neuen Gesetzes geworden und Ministerin Angeles Gonzales Sinde verfolgte seine Abschiedsrede mit angestrengtem Gesicht:

Alex de la Iglesia: "Das Internet ist nicht die Zukunft, wie manche glauben, das Internet bestimmt längst die Gegenwart. Es ist eine Form der Verständigung, eine Form der gemeinsamen Unterhaltung und der Nutzung kultureller Angebote, die Hunderte von Millionen Menschen nutzen. Internet ist längst Teil unseres Lebens, es ist unser neues Fenster zu Welt."

Der scheidende Akademiepräsident, der sich in Zukunft ausschließlich auf seine eigenen Filme konzentrieren will, mahnte die spanischen Filmschaffenden, die Entwicklung nicht zu verschlafen:

"Man wirft mir vor, ich hätte eine Krise provoziert. Aber Krise bedeutet im Altgriechischen 'Prozess', 'Entwicklung', 'Veränderung'. Veränderung braucht Aktion. Es gibt keinen Weg zurück. Von den Entscheidungen, die jetzt getroffen werden, hängt alles ab. Nichts, was vorher wichtig war, ist heute noch wichtig. Die Spielregeln haben sich geändert."

Besonders besorgt ist die Akademie über den Verlust von fast sieben Millionen Zuschauer im vergangenen Jahr. Der Marktanteil des Spanischen Films sank auf elf Prozent. Das belebt auch wieder die Diskussion über die staatliche Filmförderung, die der konservativen Opposition ein Dorn im Auge ist. Die Filmemacherin Iciar Bollaín, bereits als Nachfolgerin des scheidenden Akademiepräsidenten gehandelt, gibt sich kämpferisch:

"Wir müssen alles besser machen? Ja, auf jeden Fall! Filme, die das Publikum ansprechen? Selbstverständlich! Aber ich glaube, die Filmkultur ist ein Reichtum für unser Land und die entsteht nicht einfach von selbst, wie Pilze nach dem Regen, sondern das muss man schützen und pflegen."