Trinkwasserbrunnen

Zu 99,9 Prozent unterhalb der Grenzwerte

In die Behälter einer Sammelstelle im Schwarzwald läuft Wasser, das aus unterschiedlichen Bodentiefen abgepumpt wird, um es zu analysieren.
In die Behälter einer Sammelstelle im Schwarzwald läuft Wasser, das aus unterschiedlichen Bodentiefen abgepumpt wird, um es zu analysieren. © picture alliance / dpa / Rolf Haid
Von Udo Pollmer |
Das schlechteste Grundwasser bescheinigte die EU-Kommission den Deutschen und warnte wie das Bundesumweltamt vor zu viel Nitrat. Doch sie beziehen ihre Messwerte vor allem aus belasteten Gebieten - was die Statistik verfälscht.
Unser Grundwasser, erklärt das Umweltbundesamt, sei "häufig zu stark mit Nitrat belastet“. 15 Prozent des Grundwassers überschreiten den Trinkwasser-Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter. Noch härter geht die EU-Kommission mit den Deutschen ins Gericht. Ende 2013 warnte sie in Ihren "Nitratbericht“: In Deutschland liege sogar jede zweite Messstelle über dem kritischen Wert von 50 Milligramm/Liter.
Wo liegen die Ursachen? Laut UBA "bringen die Bauern zu viel stickstoffhaltigen Dünger auf die Äcker“. "Auch Gülle aus Mastställen oder Biogasanlagen landet immer öfter auf den Feldern – und was die Pflanzen nicht verbrauchen können, endet als Nitrat im Grundwasser.“ Als Folge weisen laut UBA "rund 50 Prozent aller Grundwasser-Messstellen in Deutschland … derzeit erhöhte Nitrat-Konzentrationen über 10 Milligramm/Liter“ auf. Klingt zwar besser als das Urteil EU, ist aber nicht wirklich beruhigend.
Gülle und Kunstdünger, die nicht von den Pflanzen aufgenommen werden, sickern nicht einfach ins Grundwasser. Im Boden leben Mikroben, die gerne Nitrat fressen. Wenn man also relativ weit oben im Boden misst, dann findet man viel Nitrat. Daher kommen die genannten 15 Prozent des UBA. Misst man unten in 25 Meter Tiefe – also auf der Höhe, auf der das Trinkwasser entnommen würde –, enthalten zum Beispiel nach den Ergebnissen aus Niedersachsen nur noch 3,3 Prozent zu viel Nitrat. Aber so ein Wasser wird erst gar nicht als Trinkwasser genutzt.
Vor gut 30 Jahren waren steigende Nitratgehalte ein echtes Problem. Damals wurde massiv Stickstoff auf die Äcker gekippt – oft genug gedankenlos. Seither sinken die Mengen und in der Folge seit über zehn Jahren auch die Nitratgehalte im Wasser. Man hat gelernt, durch gezielte Düngung Nitrat einzusparen. Wissenschaft und Wasserwerke haben dieses Knowhow den Landwirten vermittelt. Im Rübenanbau brauchte ein Landwirt 1970 noch 25 Kilo Stickstoff für eine Tonne Zucker, heute genügen acht Kilo.
Überdüngung erfolgreich eingedämmt
Wo findet man aktuell die hohen Nitratgehalte? Ein Zentrum der Massentierhaltung ist das niedersächsische Weser-Ems-Land. Doch was sehen wir da: Dort wo die Tierhaltung am intensivsten ist, ist das Grundwasser oftmals sauber. Produzieren die Mastanlagen auf einmal keine Gülle mehr? Doch. Aber es wird heute über jeden Mist Buch geführt und so auch über den Darminhalt eines jeden Schweines. Der wird über eine Güllebörse verwaltet. Damit gelang es, trotz intensiver Tierhaltung einer Überdüngung erfolgreich zu begegnen.
Das erklärt noch nicht die hohen Nitratgehalte im Grundwasser von Wald und Heide. Auf leichten Sandböden gerät das natürliche Nitrat schnell ins Grundwasser. Nitrat wird beispielsweise bei Gewittern durch Blitze aus Luftstickstoff gebildet, es entsteht durch Zersetzung abgestorbener Pflanzen oder wird durch Schmetterlingsblütler im Boden erzeugt. Die nitratabbauenden aber sauerstoffscheuen Mikroben meiden gut durchlüftete Sandböden und prompt ist viel Nitrat im Wasser – ganz ohne menschliches Zutun.
Woher rührt dann das vernichtende Urteil der EU? Aus faulen Tricks! Die Bundesländer unterhalten tausende von Grundwassermessstellen. Von denen wählen sie circa 800 mit erhöhten Werten aus und melden sie dem Bund. Dieser wählt davon wieder 186 Messstellen in belasteten Gebieten aus und reicht die Daten an die EU durch. Die EU moniert dann, dass das Messnetz in Deutschland so weitmaschig wäre wie in der Tundra Finnlands, und errechnet anhand der 186 versifften Wässer den deutschen Durchschnitt. So kriegt jeder Politiker das Zeugnis von der EU, das er bestellt hat. Übrigens: Mehr als 99,9 % der Trinkwasserbrunnen in Deutschland liegen unterhalb des Grenzwertes. Mahlzeit!
Quellen
UBA: Zu viel Nitrat im Grundwasser. Im Trinkwasser kein Problem! Pressemeldung vom 10.2.2014
UBA & VZ Bundesverband: Für umweltfreundlichere Lebensmittel. Gemeinsame Pressemeldung vom Januar 2014
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU): Grundwasser in Deutschland. Berlin 2008
Europäische Kommission; Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die Umsetzung der Richtlinie 91/676/EWG des Rates zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen auf der Grundlage der Berichte der Mitgliedstaaten für den Zeitraum 2008–2011. Brüssel, den 4.10.2013
Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz: Grundwasserbeschaffenheit: Messergebnisse landesweit: Nitratgehalte. Homepage
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Nitratbericht 2012
Europäische Kommission: Umweltschutz: Gewässerbelastung nimmt ab, aber es bleibt noch viel zu tun. Brüssel, Pressemeldung vom 18.10.2013
Keckl G: Gespensterdebatten um das Nitrat im Grundwasser. Dokumentation vom 23.2.2014
Philippot L et al: Ecology of denitrifying prokaryotes in agricultural soil. Advances in Agronomy 2007; 96: 249-305
Mehr zum Thema