Trickfilm

"Deutlich mehr als ein Werbefilm"

Die Legofigur Emmet bei der Ankunft zur Premiere von "The Lego Movie " in Los Angeles, Kalifornien, USA
Die Legofigur Emmet bei der Ankunft zur Premiere von "The Lego Movie " in Los Angeles © picture-alliance / dpa / Nina Prommer
Ferdinand Engländer im Gespräch mit Susanne Burg · 06.04.2014
Das Besondere am Legofilm sei, dass die Figuren sich eben nicht flüssig bewegten, erläutert Ferdinand Engländer. Man habe sich an der Stop-Motion-Technik der Hobby-Legofilm-Szene orientiert, so der Animationsstudent von der Filmakademie Ludwigsburg. Das Ergebnis sei ein "Meisterwerk" – Bissspuren und Kratzer an den Legosteinen inbegriffen.
Susanne Burg: Der neue Legofilm, vorgestellt von Bernd Sobolla. Wie das nun genau funktioniert, tote Legosteine zum Leben zu erwecken, das soll Ferdinand Engländer erklären. Er macht gerade sein Diplom bei dem Animationsinstitut, das regelmäßig Oscar-Anwärter hervorbringt, wie auch in diesem Jahr, nämlich der Filmakademie Ludwigsburg. Ferdinand Engländer hat auch schon als leitender Animator das Spiel "The Inner World" kreiert. Er ist für uns nach Stuttgart ins Studio gefahren. Hallo, Herr Engländer!
Ferdinand Engländer: Hallo!
Burg: Erst mal die Frage, die man sich gleich stellt, wenn man vom Legofilm hört: Ist es nicht nur ein langer, über eineinhalbstündiger Werbeclip für eine Spielzeugfirma?
Engländer: Überraschenderweise haben die es geschafft, die Nostalgie, die man als Kind beim Legospielen empfindet, in ein tolles Abenteuer umzusetzen, das, so würde ich behaupten, Jung und Alt Spaß macht, ja, einen in die Legowelt einlädt, wie man das noch nie zuvor gesehen hat. Also ich würde sagen, es ist schon deutlich mehr als ein Werbefilm.
Burg: Aus Legosteinen kann man ja zwar ganze Welten bauen, also real, aber die Figuren selber sind relativ steif und statisch eigentlich. Wie haben die beiden Regisseure Phil Lord und Christopher Miller daraus einen lebendigen Film gemacht?
Engländer: Also vom Grundsatz her kann man alles zum Leben erwecken mit Animation. Das funktioniert im Grundsatz so, dass man eine Reihenfolge von Bildern hintereinander zeigt, und wenn man die schnell genug ablaufen lässt, dann entsteht die Illusion von Bewegung.
Burg: Ja, aber Legofiguren sind ja nun eigentlich so, weiß ich, zwei Zentimeter groß, die kleinen, und können noch nicht mal die Arme knicken, haben irgendwie steife Gesichter. Wie sind die da vorgegangen?
Lippenbewegungen und Augenzwinkern
Engländer: Ja, die haben sich tatsächlich weitestgehend daran gehalten, wie sich eine echte Legofigur nun mal bewegen kann. So haben die Figuren auch im Legofilm keine Ellbogengelenke und Kniegelenke und bewegen sich halt steif, wie sie sind. Etwas, was sehr hilft, um Emotionen in die Figuren reinzubekommen, war tatsächlich über das Gesicht, das relativ flüssig animiert ist. Also man hat Lippenbewegungen und Augenbrauen und Augenzwinkern und all das, was einem hilft, die Figuren als Menschen zu sehen. Ja, und die Animatoren haben das Wunder vollbracht, dass man mit diesen Einschränkungen Figuren erschaffen hat, mit denen man sich identifizieren, mit denen man mitfühlen kann.
Burg: Die Regisseure haben sich stark an einer Hobby-Legofilm-Szene orientiert, die es seit Jahren gibt, die ihre Filme bei YouTube hochladen. Ich habe mal ein paar Sekunden von einem Filmchen rausgeschnitten. Zu sehen ist da ein Einbrecher – sieht man jetzt im Radio leider nicht –, der von einem Polizisten erwischt wird und der Einbrecher kann fliehen. Es klingt dann im Original auf Englisch so:
((O-Ton-Einspielung))
Burg: So viel also jetzt zum Ausschnitt aus einem Hobby-Legofilm. Herr Engländer, was zeichnet denn diese Hobby-Legofilme aus? Wie groß ist diese Szene?
Engländer: Ja, das ist mittlerweile schon eine immens große Fangemeinschaft, die da Filme macht und auf YouTube hochlädt. Da können das dann auch gleich ganz viele Leute sehen. Und es ist eine wichtige Bewegung geworden, die Lego auch erkannt hat und dafür auch tatsächlich Kameras und Software anbietet, um halt am eigenen Heimcomputer Stop-Motion-Filme wie diesen zu drehen.
Burg: Stop-Motion, das Verfahren, also es sind einzelne Bilder, die aufgenommen werden von unbewegten Motiven.
Engländer: Genau, so funktioniert das. Also wenn eine Figur zum Beispiel den Arm heben soll, dann bewegt man den Arm ein kleines Stückchen, noch nicht ganz nach oben, sondern nur ein kleines Stückchen, macht ein Bild, bewegt den Arm wieder ein Stückchen. Ja, wenn man dann so fünf, sechs Bilder hat, dann kann man das flüssig abspielen und die Figur hebt den Arm.
Burg: Jetzt habe ich gesagt, Phil Lord und Christopher Miller haben sich orientiert an dieser Stop-Motion-Technik der Hobby-Legofilm-Szene, haben aber dann doch beschlossen, das Ganze am Computer zu animieren, also nicht mit Stop-Motion. Warum nicht?
Stop-Motion im virtuellen Raum
Engländer: Ja, so schön und haptisch, wie Stop-Motion auch ist, es bringt einige Probleme mit sich. Wenn man zum Beispiel nur ein bisschen an die Kamera stößt oder sich das Licht verändert oder mal eine Figur umfällt, muss man unter Umständen die ganze Szene noch mal machen, und das dauert halt unheimlich lange. Nur für eine Minute braucht man, ich glaube, 720 Bilder, und aus diesem Grund haben die das Ganze dann in einen virtuellen Raum verlegt, wo man mehr Kontrolle über diese Legofiguren hat.
Burg: Nun kann man ja am Computer dann alles machen, man hätte die Legomännchen völlig beweglich erscheinen lassen können, dann wäre aber, wie wir eben schon besprochen haben, die Idee von Lego verloren gegangen, weil sie ja auch in echt nicht wirklich ihre Arme bewegen können, knicken können. Wenn es aber nun um einen Helden geht, der kämpfen soll – wenn der wiederum seinen Arm nicht beugen kann, ist es auch komisch, wenn er nicht zum Schlag ausholen kann. Wie haben die das gelöst?
Engländer: Es ist überraschend, wie gut das klappt. Also es gibt zum Beispiel eine Szene, wo der Hauptcharakter Auto fährt, und die Arme sind halt ein bisschen neben dem Lenkrad und das stört einen überhaupt nicht, weil der Kontext Auto ist gegeben, es fällt gar nicht auf, dass das nicht so ganz genau passt mit den Händen.
Burg: Wie der neue Legofilm animiert ist, Erklärungen von einem Animationsprofi, Ferdinand Engländer, hier im Deutschlandradio Kultur. Herr Engländer, wie funktioniert es denn nun genau, diese Computeranimation? Können Sie erklären, wie die Animatoren da vorgegangen sind, um es möglichst dann auch echt erscheinen zu lassen? Also ich habe gelesen, dass sie eben auch benutzt aussehen sollten, wirklich ganz real.
Kratzer, Fingerabdrücke und Bissspuren
Engländer: Genau. Das ist dann eine sehr große Herausforderung in diesem Projekt geworden, weil man nun mal den echten Look haben will, und das ist tatsächlich gar nicht so einfach, wie man sich das vielleicht vorstellen könnte. Also wenn man jetzt zum Beispiel einen Legostein im Computer modellieren würde, könnte man einfach einen Quader nehmen und Noppen draufsetzen, und das reicht aber nicht, weil wenn man das macht, dann ist dieser Legostein super-clean, hat keine Kratzer, und wenn man sich so einen Stein mal genauer anschaut – der hat schon einiges mitgemacht. Und die Legomacher haben sich bemüht, eben diese Realität auch in den Film reinzubringen.
So haben die Steine Kratzer, Fingerabdrücke, ich glaube, sogar Haarschuppen und solche Sachen, sehr heißgeliebte Legosteine haben Bissspuren drauf. Und das ist schon ein wahnsinniges Maß an Detail, was man da auf wirklich jeden Stein draufgebracht hat. Man hat Tools entwickelt, um das Bauen der 3D-Modelle im Computer einfacher zu machen und auch das Animieren letztendlich, und zwar kann man bei Legosteinen ... Die passen ja immer nur auf die Noppen. Und genau das haben die in den Computer gebracht. Also man konnte Steine nur da platzieren, wo man sie auch tatsächlich in der Realität platzieren kann. Und das hilft natürlich enorm, dass es echt aussieht.
Burg: Wie aufwändig ist, so was zu animieren, wie schwierig?
Engländer: Ja, wir haben ja eben schon gehört, dass es sehr, sehr viele Einzelbilder braucht, um eine flüssige Bewegung zu erzeugen. Und man muss sich vorstellen, dass, obwohl diese Dinge im Computer sind, müssen sie immer noch von Hand gesetzt werden. Also da, wo man vorher das echte Legomännchen angefasst hat und den echten Arm bewegt hat, muss man eben jetzt im Computer mit der Maus den digitalen Arm des digitalen Legomännchens bewegen. Und das braucht seine Zeit, genauso wie Stop-Motion auch.
Burg: Und dann gibt es ja nicht nur ein Legomännchen, es sind ja Szenen mit sehr, sehr vielen Männchen und dann ja auch noch den Hintergründen, die ja wohl auch alle aus Lego gebaut sind.
"In allen Bereichen in die Vollen gegangen"
Engländer: Ja, und da sind die Filmemacher auch in allen Bereichen in die Vollen gegangen, ich glaube, auch, um diese Nostalgie noch mal auf eine epischere Ebene zu bringen. Also es gibt Massenszenen mit hunderten von Charakteren, und davon gibt es mehrere, und die Landschaften sind wahnsinnig groß, es gibt Verfolgungsjagden, wo die Figuren wahnsinnig große Strecken zurücklegen. Ja, es fühlt sich so ein bisschen an, als ob es das ist, was man selber gerne gebaut hätte, wenn man nun mal die 15 Millionen Legosteine gehabt hätte. Es ist auf einem epischen Maßstab.
Burg: Wenn man das Ganze jetzt einordnet in Trends der Animation – lange hat ja Pixar die Innovation in den Film gebracht –, wie ordnet sich da der Legofilm ein? Wird er eine Wirkung haben, wird er neue Trends setzen? Wie innovativ ist er?
Engländer: Ich persönlich finde, es ist aus vielerlei Hinsicht fast schon revolutionär, zum einen, weil er deutlich geringeres Budget hatte als die großen Filme der großen Konzerne Disney und Pixar, und da nach meiner Meinung trotzdem einen Film mit dem wenigen, in Anführungszeichen, wenigen Geld ein Meisterwerk gezaubert hat. Auf der anderen Seite liegt der Film total im Trend. Es gab ja schon mit "Wreck-It Ralph" einen Film, der so ein bisschen in die Retro-Kindheit-Ecke abgedriftet ist, da geht es nämlich um Videospiele. Also das kommt auf jeden Fall momentan sehr gut an. Ja, aber ich glaube wirklich, dass der Film mit den großen Studios sehr gut mithalten kann.
Burg: Mithalten – ist er denn auch wirklich innovativ?
Engländer: Also zum einen, dass man sich traut, eine Animationstechnik zu nehmen, die man nicht so gewohnt ist – man ist von Pixar und Disney gewohnt, dass sich alles flüssig bewegt, dass alles in diesem gewohnten schönen Design ist, und jetzt hat man hier einen Film, der nicht nur sehr, sehr stark an der Legoästhetik festhält, sondern auch im Animationsstil komplett sich an diese Stop-Motion-Sachen hält. Es gibt auch manche Animationen, wo die Figuren in ihre Posen plötzlich reinploppen. Das sind Sachen, die sind wir eigentlich gar nicht gewöhnt, obwohl man ...
Burg: Also nicht mehr, weil es sich längst überholt hat und die Technik so weit fortgeschritten ist.
Engländer: Genau. Aber es ist auch durchaus legitim, so zu animieren. In dem Fall passt es ja fantastisch zu den Legofiguren und zu dem, was man erzählen will. Ich finde, da kann die Branche auch was mutiger sein und tatsächlich neue Animationsstile ausprobieren, besonders, wenn sie zur Geschichte passen.
Burg: Haben Sie denn für sich persönlich auch was mitgenommen?
Engländer: Ja, auf jeden Fall: So konsequent das zu machen in diesem Animationsstil lässt mich schon hoffen, dass vielleicht mehr gewagtere Projekte in Zukunft möglich werden, mit weniger Geld auch, sodass es realistischer wäre, dass kleinere Studios vielleicht auch Kinofilme machen.
Burg: Ab Donnerstag kann man sich nun auch selber dann einen Eindruck verschaffen, dann läuft nämlich der neue Legofilm in Deutschland an. Ferdinand Engländer ist Animator von der Filmakademie Ludwigsburg. Vielen Dank, Herr Engländer!
Engländer: Bitte!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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