Tribute an The Velvet Underground

Von Avantgarde keine Spur

07:26 Minuten
John Cale mit Gitarre auf einer in blaues Licht getauchten Bühne. Neben ihm steht die Sängerin Sky Ferreira.
John Cale auf der Bühne in Brooklyn. Das Konzert fand zum 50-jährigen Jubiläum des Velvet-Underground-Debütalbums statt. © picture alliance / zumapress.com / Rahav Segev
Von Mathias Mauersberger · 28.09.2021
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Die Band The Velvet Underground schrieb Rockgeschichte. 55 Jahre nach den Aufnahmen zu ihrem Debütalbum "The Velvet Underground & Nico" bringt die Plattenfirma jetzt ein Tribute-Album heraus, das unser Rezensent mit gemischten Gefühlen gehört hat.
Als The Velvet Underground 1967 ihr erstes, von Andy Warhol finanziertes Album herausbrachten, wollte es kaum jemand haben. Nur 30.000 Mal verkaufte sich "The Velvet Underground & Nico" unmittelbar nach der Veröffentlichung. Es sollte Jahre dauern, bis die Qualität der Aufnahmen erkannt wurde.

Gefundener iPod

Irgendwann in ihren 20ern hätten sie eine Hausparty veranstaltet, erzählt die australische Songwriterin Courtney Barnett. "Irgendwer hatte seinen iPod liegen gelassen. Niemand holte ihn ab, also hörte ich jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit eine neue Band. Und entdeckte auf diesem iPod The Velvet Underground."
Courtney Barnett war noch lange nicht geboren, als das Debüt von The Velvet Underground erschien. Aber ihre Musik ist stark von der Rock-Band aus New York beeinflusst. Auf dem Tribut "I’ll be your mirror" spielt sie das Titelstück: Lou Reeds Liebeslied für die Sängerin Nico. Barnett intoniert es zur akustischen Gitarre. Ganz puristisch.
Welchen Stellenwert The Velvet Underground auch heute noch genießen, zeigt sich an der Liste der Musiker, die Produzent Hal Willner für die Aufnahmen gewinnen konnte. Reed-Weggefährte Iggy Pop singt "European Son", Thurston Moore interpretiert "Heroin" und R.E.M.-Sänger Michael Stipe eröffnet stimmungsvoll umrahmt von Klarinetten.

Meister des Weglassens

"Es geht beim Schreiben von Songs oft darum, was du nicht tust. Jazzmusiker wissen das! Nicht zum Maximalsten zu werden, sondern Dinge simpel und sparsam wirken zu lassen - das ist das Ziel. Lou Reed und John Cale waren Meister des Weglassens", sagt Michael Stipe im Interview mit dem New Yorker Radiosender WYNC.
Wenn diese Hommage eines beweist, dann wohl, dass die Songs von The Velvet Underground gut gealtert sind. Und das ist ja ein Wesensmerkmal großer Kunst. Aber nicht jede Interpretation ist gelungen: "Wating For My Man" etwa, ein Song über einen Junkie, der im New Yorker Stadtteil Harlem Drogen kauft. The- National-Sänger Matt Berninger haucht und "croont" sich durch das Stück, begleitet vom Hämmern eines gedämpften Flügels. Mit der rotzigen Coolness und dem unterschwelligen Zynismus des Originals hat das nichts zu tun.

Gitarren-Feedback-Gewitter

Auch die jüngere Generation weiß den Originalen nichts hinzuzufügen: Fontaines D.C., Post-Punk-Band aus Dublin tauchen den "Black Angel’s Death Song" in ein nahe liegendes Gitarren-Feedback-Gewitter. Aber, ob Lou Reed das heute originell gefunden hätte?
Erfreulich hingegen: "All Tomorrow’s Parties", das von St. Vincent und dem Pianisten Thomas Bartlett beigesteuert wurden. Eine Art Hörstück mit verfremdeten Stimmen und atonalem Swing-Klavier.

Einladung zur Entdeckungsreise

"Peel away slowly and see", schäle langsam und sieh selbst. Das steht neben der berühmten gelben Banane auf dem Original-Cover von "The Velvet Underground & Nico". Es klingt wie die Einladung, sich auf eine Entdeckungsreise zu begeben.
Diese elf Coverversionen bieten dafür aber insgesamt zu wenig Überraschungen. Das Label Verve Records punktet vor allem mit der hochkarätigen Besetzung. Aber wieso haben nicht mal Musiker aus Jazz, Elektronik oder zeitgenössischer Klassik die Songs interpretiert? The Velvet Underground waren doch Avantgarde. Der Radikalität ihrer frühen Jahre wird dieses Album nicht gerecht.
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