Treuhand-Chef sieht Zukunft von Opel optimistisch

Fred Irwin im Gespräch mit Marietta Schwarz · 11.11.2009
Der Automobilkonzern General Motors (GM) hat aus Fehlern der Vergangenheit gelernt, glaubt Fred Irwin, Vorsitzender des Beirats der Opel-Treuhandgesellschaft. Deshalb werde GM den Opel-Werken mehr Verantwortung geben, um die Beschäftigten stärker zu motivieren.
Marietta Schwarz: Viel ist passiert, seit Angela Merkel mit einer überraschenden, ja schockierenden Nachricht aus den USA in den Flieger zurück nach Berlin stieg. GM, erfuhr sie da, stimmt dem Verkauf von Opel an Magna nicht zu. Stattdessen will der US-Autobauer seine deutsche Marke behalten. Opel-Europachef Forster verlässt frustriert den Konzern, mindestens 10.000 Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel und die sollen natürlich am liebsten nicht in Deutschland abgebaut werden. Inzwischen hat GM-Chef Henderson in Rüsselsheim mit der Opel-Geschäftsführung und dem Betriebsrat gesprochen und sich entschuldigt für das Verhalten von GM, und er gab offiziell bekannt, dass Nick Reilly als vorübergehender Nachfolger von Carl-Peter Forster eingesetzt wird. – Über die Zukunft von Opel habe ich mit Fred Irwin gesprochen, dem Chef der Opel-Treuhand und Vorsitzenden der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer, und ich habe ihn zunächst gefragt, was uns die Personalie Nick Reilly für die Opel-Zukunft sagt.

Fred Irwin: Ich bin Vorsitzender der Treuhand und wir haben natürlich zwei Treuegeber: die Bundes- und Landesregierung auf der einen Seite und General Motors auf der anderen Seite. Und es ist schwierig für mich zu kommentieren. Ich weiß, dass Nick Reilly nicht nur ein Sanierer ist. Er ist 30 Jahre lang in der Automobilbranche und sogar sehr erfolgreich. Und Carl-Peter Forsters Rücktritt war für viele Leute eine Überraschung. So diese Lücke muss vorübergehend gefüllt werden.

Schwarz: Und Sie denken, dass ist ein guter Lückenfüller?

Irwin: Er ist Europäer. Er kennt das internationale Geschäft. Sein Standort ist Shanghai. So China ist für General Motors eine große Bedeutung. Ich finde das gut, dass ein Europäer vorübergehend hier ist, bis ein deutscher Vorstandsvorsitzender im Amt ist.

Schwarz: Worauf müssen sich die deutschen Opel-Werke jetzt einstellen, auf die größten Stelleneinsparungen in Europa?

Irwin: Eigentlich wir müssen in die Zukunft gucken, nicht nur negative Dinge wie Einsparnis. Das ist Gang und Gebe bei jeder Gesellschaft. Nummer eins: Opel hat ganz tolle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Die haben sehr viel Geduld gezeigt. Das läuft seit zwölf Monaten. Nummer zwei: Die produzieren sehr gute Autos. Das ist schon bewiesen. In 2009 die haben die mehr Autos verkauft als budgetiert, Gott sei Dank durch die Abwrackprämien. Aber immerhin: Die haben zufriedene Kunden und ich glaube, Opel hat eine positive Zukunft.

Schwarz: Dafür spricht ja auch, dass bekannt wurde, Opel soll mehr Eigenständigkeit bekommen. Aber was heißt das denn nun konkret?

Irwin: Es ist schwierig für eine Tochtergesellschaft von einer globalen Firma, hundertprozentig Eigenständigkeit zu sein, besonders eine hochtechnologisierte Firma wie Adam Opel. Die sind an den internationalen Verbund angeschlossen. Zum Beispiel alle Einkäufe sind zentralisiert. Viele Programme sind zentralisiert. Das ist wie ein Bauchnabel. Man kann diesen Bauchnabel nicht 100 Prozent trennen. Aber selbstverständlich Fritz Henderson hat auch gesagt, die haben von den Fehlern der Vergangenheit von den alten General Motors gelernt, dass new General Motors möchte nicht die gleichen Fehler wie in der Vergangenheit machen. Das heißt, die geben Adam Opel mehr Verantwortung, und natürlich das sollte die Leute motivieren.

Schwarz: Und was hat jetzt GM davon, von mehr Eigenständigkeit?

Irwin: Und natürlich es gibt sehr viele Innovativkräfte in Deutschland. Wir sehen das an Opels Technologie. Es ist ganz toll, es ist ganz hervorragend. Und ich glaube, General Motors wird mehr Gebrauch machen als in der Vergangenheit.

Schwarz: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich gestern in ihrer Regierungserklärung sehr erzürnt gezeigt. GM, sagte sie, solle sich gefälligst um seine europäische Tochter Opel genauso kümmern wie um das Kerngeschäft in Amerika. Aber mal ehrlich: ist die Bundesregierung nicht langsam aber sicher raus aus dem Spiel?

Irwin: Die Treuhand existiert so lange, dass das Brückendarlehen da ist. Und was General Motors vor hat, ist, die Brückendarlehen plus Zinsen bis zum Monatsende zurückzuzahlen. Und das bedeutet, die Treuhand wird aufgelöst, und das bedeutet auch, dass Adam Opel hat wenig Bedeutung für die Bundesregierung. Allerdings: General Motors ist in Gesprächen nicht nur mit der Bundes- und Landesregierung, die sind auch in Gesprächen mit vier anderen Ländern, um eine finanzielle Unterstützung zu bekommen. Das ist notwendig.

Schwarz: Finanzielle Unterstützung heißt dann aber auch noch Einfluss, Resteinfluss?

Irwin: Wir müssen ein klein bisschen wie die Amerikaner denken. Wie Sie wissen, die amerikanische Regierung hat 50 Milliarden Dollar in General Motors, und die amerikanische Regierung hat gesagt, wir möchten keinen Einfluss haben. Wir haben einen Aufsichtsrat bei General Motors und die haben den Einfluss. Wenn die Bundesregierung und andere Länderregierungen Geld in General Motors beziehungsweise Adam Opel hier in Europa investieren, dann erwarte ich kaum einen Einfluss. Mein Gott, ein Politiker ist kein Automobilmensch und die Automobilmenschen keine Politiker. Die müssen kommunizieren, die müssen gut kommunizieren, aber kein Politiker kann eine Automobilgesellschaft führen und kein Automobilmann kann eine Bundesregierung führen.

Schwarz: Das heißt ganz konkret, die Bundesregierung hat bei der Arbeitsplatzfrage nichts mehr mitzureden?

Irwin: Natürlich man hat Gespräche, aber wir haben eine sehr, sehr vernünftige Bundesregierung. Wir haben vier vernünftige Landesregierungen. Und jeder kämpft um Arbeitsplätze. Und ob das ein Magna-Konzept, ein GM-Konzept, ein RHJI-Konzept, die haben mehr oder weniger gesagt, 10.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Europa müssen abgeschafft. Und natürlich das ist sehr schwierig für Familien, für Menschen, aber um diese Firma zu retten, muss man das machen und die Politiker wissen, dass das bedauerlicherweise notwendig ist.

Schwarz: Es gibt ja immer noch die Diskussion darüber, ob die Bundesregierung weiter zahlen soll oder nicht. Wenn Sie jetzt sagen, die Bundesregierung hat sowieso nichts mehr zu melden, auch in Sachen Arbeitsplatzfrage, warum sollte sie dann noch was zahlen?

Irwin: Sie müssen die Bundesregierung fragen. Das ist nicht eine Frage an den Vorsitzenden der Treuhand.

Schwarz: Fred Irwin, Vorsitzender der Opel-Treuhand und Chef der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer, über die Zukunft von Opel. Herr Irwin, vielen Dank!