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Selbstinszenierung im Netz kennt keine Grenzen

Von Philip Banse |
Biersaufen bis zum Umfallen oder Ich-Entwürfe via Selfies: Selbstdarstellung im Netz nimmt immer skurrilere Züge an. Das kann aber auch ganz schön gefährlich werden.
Ein muskulöser Mann steht in der Fußgängerzone, bekleidet nur mit Fußballschuhen und Unterhose, in der linken Hand einen Football, in der rechten ein großes Glas Bier.
"Guy Robbins, thank you for the neck nomination ..."
Er bedankt sich bei Guy Robbins für die Biernominierung, also die Aufforderung, möglichst spektakulär einen halben Liter Bier runter zu kippen und sich dabei zu filmen. Der Mann trinkt das Bier in einem Zug aus und nominiert drei weitere Freunde. Die haben jetzt 24 Stunden Zeit, ebenfalls ein Bier runterzustürzen und das Video bei YouTube oder Facebook zu veröffentlichen.
"... you have 24 hours! Good luck!"
Kettenbrief als Trinkspiel
Die Biernominierung ist eine Mischung aus Kettenbrief und Trinkspiel - alt bekannte Phänomene, die durch digitale Vernetzung neue Dynamik erfahren.
Einige dieser Saufvideos haben Zehntausende gesehen. Die deutsche Facebook-Seite hat einen Monat nach Gründung über 23.000 Fans. Je spektakulärer das Bier getrunken wird, desto mehr Likes gibt es, Aufmerksamkeit und Anerkennung. Um die Freunde zu übertrumpfen, wird das Bier aus Schuhen, Kloschüsseln und Eimern getrunken oder gestreckt - mit Ketchup, Zigarettenkippen oder Katzenfutter.
Selbstinszenierung im Netz
Im Internet finden sich ungezählte Spielarten dieser Selbstinszenierungen: Beim Unboxing filmen Menschen, wie sie neue Gadgets auspacken und nicht nur in China filmen sich Tausende beim Essen. Zu den beliebtesten Disziplinen der Selbstinszenierung zählt der Selfie, ein Selbstporträt geschossen mit dem Smartphone. Ein Forscherteams um den Informatiker Lev Manovich haben den Fotodienst Instragram untersucht und festgestellt: Selfies werden mehrheitlich von Frauen gemacht. Nicht immer sind diese Selbstinszenierungen allerdings so gefährlich die Biernominierungen. In Wales ist ein 29-jähriger Biernominierter nach dem Konsum von Wodka gestorben; in Irland soll ein Junge nach einer Biernominierung in einen Fluss gesprungen und ertrunken sein.
Das ist der Gruppenzwang, sagt Emma Rubach von The Site, einem Hilfsportal für Jugendliche. Durch das Internet wird dieser Gruppenzwang verstärkt, weil alles so öffentlich ist. Das ist natürlich sehr gefährlich. Wir wünschen uns, dass Jugendliche den Mut haben, nicht mitzumachen, wenn sie ein schlechtes Gefühl haben.

Zu den Ursachen und Konsequenzen der Selbstdarstellung im Netz sprach Matthias Hanselmann mit Stephan G. Humer, dem Leiter der Internetsoziologie Universität der Künste Berlin.