Treibhaus e.V. in Döbeln

AfD setzt sächsischen Verein finanziell unter Druck

06:39 Minuten
Ein Aufkleber, "Rechtspopulismus stoppen, Rassismus bekämpfen! Antifaschistische Aktion".
Politische Aufkleber im "Haus der Demokratie" in Döbeln nimmt die AfD zum Anlass, die finanzielle Förderung in Frage zu stellen. © imago images / imageBROKER / Siegfried Grassegger
Von Rebecca Nordin Mencke · 13.12.2019
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Im sächsischen Döbeln stellt die AfD die staatliche Förderung eines Vereins in Frage. Vorwurf: Treibhaus e.V. verletze das Gebot zu politischer Neutralität. Der Verein bangt nun, ob er weiterarbeiten kann. Zwei CDU-Landräte werden darüber entscheiden.
"Haus der Demokratie" steht in großen Lettern an den beiden Außenwänden. In diesem Eckhaus in der Döbelner Innenstadt betreibt der Verein "Treibhaus e.V." das Café Courage – Begegnungsstätte und Veranstaltungsort in einem. Abends finden hier Konzerte statt; tagsüber helfen Mitglieder Migranten, komplizierte Behördenformulare auszufüllen; oder Kinder können lernen, wie man Siebdrucke gestaltet.
Was auffällt, sind die vielen Aufkleber an den Wänden. Und einige davon kritisiert die AfD heftig. Zum Beispiel "Nazis aufs Maul", "Bullenterror" oder "In die Offensive! Antifa heisst Angriff!" Mit solchen Sprüchen rufe der Verein zu Gewalt auf, verstoße gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung, sagt die AfD.
Treibhaus-Geschäftsführerin Judith Sophie Schilling will sich aktuell nicht zu einzelnen Vorwürfen äußern, da der Verein diese noch prüfe und eine offizielle Stellungnahme erarbeite. Dass der Verein gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verstoße, kann sie aber nicht nachvollziehen.* "Ich kann mich nicht entsinnen, jemals die freiheitlich-demokratische Grundordnung angezweifelt zu haben, noch hier in Konfrontation mit Angestellten, Vorstandsmitgliedern, Mitgliedern überhaupt, Nutzerinnen darüber diskutiert zu haben."

Leidtragende sind die Nutzer

Die Vorwürfe der AfD gegen den Verein haben dennoch gereicht, dass der sogenannte Kulturkonvent des Kulturraumes Erzgebirge-Mittelsachsen seine Förderung für das kommende Jahr zurückgestellt hat. Für den Treibhaus-Verein ist das ein wichtiger Fördertopf. Sollten die Gelder gänzlich abgelehnt werden, seien fünf der zwölf Stellen in Gefahr, sagt Geschäftsführerin Schilling, darunter die der Siebdruck-Werkstatt, des FSJ Kultur und auch ihre eigene.
"Es ist ja nicht nur so, dass hier auf einmal fünf Menschen womöglich keinen Job mehr haben, sondern es ist ja auch so, dass da alle Nutzerinnen und Nutzer, alle Menschen, die an Projekten teilhaben, die Beratungsangebote in Anspruch nehmen, die an Kursen teilhaben, dass es ja auch konkret auf diese Menschen Auswirkungen hat, die darunter leiden würden, wenn Projekte von uns eingestellt werden."
Die AfD Döbeln und die AfD Mittelsachsen kritisieren die Vereinsarbeit immer wieder auf ihren Webseiten und auch auf Facebook. Der mittelsächsische AfD-Kreisrat Jörg Bretschneider ist auch beratendes Mitglied in dem Gremium des Kulturraumes, das nun über die Fördermittel entscheidet.
Er erklärt, was er an den Sprüchen so problematisch findet und nennt noch ein Beispiel. "'Endlich wieder militant, wichtig ist der Widerstand' – das sind Formulierungen, die Gewalt nahelegen. Das hat für mich erstmal nichts mit der konkreten politischen Ausrichtung zu tun, für was oder gegen was die Gewalt sich richtet, sondern überhaupt Gewalt in der politischen Auseinandersetzung. Das geht für mich nicht mit öffentlicher Förderung."

Politische Bildungsarbeit oder politische Arbeit

Aber es gehe seiner Partei nicht nur um die Aufkleber. Für ihn stelle sich ganz grundsätzlich die Frage, was der Verein eigentlich betreibe. "Diese Aufkleber haben ja nicht nur lange dort gehangen, sondern die wurden auch verteidigt, und gesagt 'Das wollen wir nicht wegmachen'. Dieses Beharren darauf, dass man zu dieser aus unserer Sicht Unkultur und Gewaltkultur stehen will, das ist das eigentliche Problem und das stellt alle anderen Aktivitäten in den Schatten für uns."
Der AfD-Kreisrat wirft dem Verein vor, statt politischer Bildungsarbeit explizit politische Arbeit zu machen und für autonome Gruppen oder Aktivistengruppen Leute zu rekrutieren.
Treibhaus-Geschäftsführerin Judith Sophie Schilling will sich aktuell nicht zu einzelnen Aufklebern äußern, da der Verein eine offizielle Stellungnahme erarbeite. Mit Blick auf die geforderte Neutralität stellen sich für Schilling aber ganz grundsätzliche Fragen. Aus ihrer Sicht muss unterschieden werden zwischen einer überparteilichen Arbeit und einer politischen Haltung, die auch freien Trägern zustehe.
"Und 'ne politische Grundhaltung bedeutet eben auch, seine Werte – sei es die Menschenwürde, seien es Menschenrechte, sei es ein demokratisches Miteinander – zu verteidigen. Und das bedeutet meines Erachtens politisch sein. Und das steht jedem und jeder zu und das steht auch freien Trägern zu."

Staatliche Förderung wird in Frage gestellt

Aus ihrer Sicht sind die Vorwürfe der AfD ohnehin nur ein Vorwand. Vielmehr gehe es darum, dass der Verein inzwischen ein Feindbild der AfD sei. Denn immer wieder setze sich das Treibhaus kritisch mit Akteurinnen und Akteuren aus dem rechten Spektrum auseinander, darunter auch mit dem Flügel der AfD.
Dass die Neutralität von staatlich geförderten Vereinen immer häufiger infrage gestellt wird, beobachtet auch der Sozialwissenschaftler Paul Zschocke. "Das ist ein relativ neues Phänomen, weil die AfD dieses Neutralitätsgebot eben als Hebel entdeckt hat, kritische Zivilgesellschaft zu schwächen und denen Steine auf den Weg zu legen."
Ein Neutralitätsgebot nach Auslegung der AfD gebe es für Vereine nicht, sagt der Sozialwissenschaftler. Die Meinungsfreiheit gelte auch für Vereine und sie dürften sich ebenso politisch positionieren sowie bestimmte gesellschaftliche Werte verteidigen. Dazu gibt es aber keine eindeutige Rechtsprechung.

Sorge in Döbeln

Nun will der Kulturkonvent die Neutralität des Treibhauses prüfen. Die entscheidenden Landräte – beide von der CDU – wollen sich mit Verweis auf den laufenden Prozess nicht äußern. In Döbeln selbst beobachten Stadträte die Entwicklung mit Sorge. Das breite Angebot des Treibhauses sei unverzichtbar, sagt Axel Buschmann, Vorsitzender der Fraktion SPD/Grüne/Linke.
"Die AfD, aus ihrer Sicht ist das natürlich der Feind Nummer 1 hier in Döbeln, den sie eben bekämpfen will und genau das tut sie und eben Teile anderer Parteien scheinen denen auf'n Leim zu gehen."
Fest steht: die Entscheidung über die Fördergelder liegt nun bei zwei CDU-Landräten. AfD-Kreisrat Bretschneider betont, man werde den Verein jetzt noch häufiger besuchen und auch andere öffentliche Fördertöpfe des Vereins prüfen.
Sven Weißflog von der Freien Wählervereinigung kennt das Treibhaus seit der Gründung 1997. Ihn beschäftigt, dass vor allem junge Menschen nach ihrem Abitur Döbeln verlassen. "Da ist es sehr, sehr wichtig, dass da so 'ne Ebene da ist, die den Leuten auch 'ne gewisse Zukunft und Perspektive gibt. Und ich seh' jetzt mit den eingefrorenen Geldern, dass selbst die Leute, die da arbeiten, sich die Frage stellen müssen, ob sie hier gut aufgehoben sind oder ob sie das Territorium räumen müssen, weil sie auch für sich selbst keine Perspektive und keine Zukunft sehen."

* In diesem Beitrag haben wir die Stellungnahme von Treibhaus e.V. präzisiert.
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