Treffpunkt der Schriftsteller wird wiederbelebt

Von Stefan May |
Der österreichische Dichter Johannes Freumbichler brachte es nicht zu Ruhm, doch als Großvater von Thomas Bernhard ist er in Erinnerung geblieben. In Henndorf bei Salzburg wird Freumbichlers Geburtshaus zu einem Literaturhaus umgebaut.
Ein goldener Herbst liegt über dem Anwesen, das einst eine von fünf Mühlen entlang des Baches beherbergte. Hier, in der so genannten Wiesmühl, hatte sich der Schriftsteller Carl Zuckmayer 1926 ein Feriendomizil eingerichtet. Damals hatte Zuckmayer das kleine Bauerndorf im Alpenvorland, ein paar Kilometer von der Festspielstadt Salzburg entfernt, zu einem Treffpunkt namhafter Schriftsteller gemacht.

Noch immer steht hier beispielsweise jenes hölzerne Gartenhaus, in dem Ödön von Horvath einst den Roman "Jugend ohne Gott" geschrieben hat. Heute wohnt in der Wiesmühl Wichard von Schöning mit seiner Frau, einer gebürtigen Salzburgerin, gleichzeitig Erbin des Hauses. Nach seiner Pensionierung als Rechtsanwalt in Hamburg sind sie beide vor ein paar Jahren nach Henndorf gezogen. Anfang 2009 gründete von Schöning mit Gleichgesinnten den Verein Literaturhaus Henndorf, der inzwischen rund 100 Mitglieder zählt und sich für das alte Freumbichlerhaus entschieden hat.

Wichard von Schöning: "Vor allem, weil Zuckmayer in den 20er-, 30er-Jahren doch dafür gesorgt hat, dass der gesamte Wallerseeraum durch seine Gäste erfüllt wurde, unter anderem Ödön von Horvath, Stefan Zweig, Gerhart Hauptmann und andere. Und wir wollen auch unbedingt dieses wieder aufleben lassen, das Haus aus dem Dornröschenschlaf küssen, um es mal so zu sagen, und wollen aber auch in der Gegenwart und in der Zukunft sein."

Wichard von Schöning geht den kurzen Weg von der Wiesmühl zur Ortsmitte, wo sich auf einem kleinen Felsen die Pfarrkirche über der 5000-Einwohner-Gemeinde erhebt. Direkt darunter klebt ein wenig schief, als würde es von dem mächtigen Stein nach vorn gedrückt, das 300 Jahre alte schmale Geburtshaus von Johannes Freumbichler. Zwei Stockwerke ist das Gebäude hoch. Doch die dicken Mauern täuschen über die wahre Größe des Hauses.

Wichard von Schöning: "Das Haus ist nicht groß, sondern klein. Es heißt auch Kleinhäuslerhaus und hat nur zweieinhalb Zimmer und einen Dachboden. Quadratmeterzahl kann ich leider nicht sagen."

Vor 23 Jahren hatte die Gemeinde das weiß gekalkte spitzgiebelige Haus gekauft, dessen Bauweise in Salzburg nur mehr selten anzutreffen ist. An den winzigen quadratischen Fenstern hängen schief grüne Läden. Eine unscheinbare Gedenktafel weist den Bau als Geburtshaus des Dichters Johannes Freumbichler aus. Drinnen lehnt eine Tür neben einem Türstock, Holz und Schilf zeigen sich unter herausgeschlagenem Verputz, verblichene Malerei blättert ab.

Wichard von Schöning: "Dies ist der relativ größte Raum des Hauses, und wir wollen dort eine Bildwand erstellen, auf der wir DVD-Filme vorführen können."

Auch Lesungen sollen da stattfinden: Lesungen jener Dichter mit den berühmten Namen, die man in der Vergangenheit mit Henndorf verband, aber auch von Schriftstellern der Gegenwart. In diesen Tagen beginnen die Arbeiten am und im Gebäude. In einem Jahr soll das Literaturhaus Henndorf eröffnet werden.

Wichard von Schöning: "Hier sind wir im ersten Stockwerk, das im Wesentlichen so bleiben wird, und auch der Fußboden. Und dieser kleine Raum hier, dort wird das Tagebucharchiv Austria gegründet werden. Und hier wird möglicherweise auch ein Doktorand seinen Arbeitsplatz von uns bekommen."

Gespräche mit der Universität Salzburg laufen bereits. So wie das von Gerd Bucerius initiierte Literaturhaus in Hamburg Ideengeber für das Henndorfer Projekt war, wie Wichard von Schöning zugibt, so verhält es sich mit dem Tagebucharchiv Austria, das nach dem Vorbild des deutschen Tagebucharchivs in Emmendingen gestaltet werden soll. Hinzu kommt eine Sammlung von Schmalfilmen. Einer wurde anlässlich des ersten und einzigen Besuchs Zuckmayers nach dem Krieg 1970 gedreht. Er selbst hatte über dieses Ereignis später die "Henndorfer Pastorale" verfasst.

Neben den Lesungen und der Dauerausstellung "Literatur.Landschaft" über die fünf bedeutendsten Literaten, die in Henndorf wirkten, wird das Tagebucharchiv der zweite Schwerpunkt des Hauses sein. Als drittes ist eine Präsenzbibliothek mit Werken der Künstler vorgesehen, die einen Bezug zu Henndorf haben. Unterstützung erhält das Projekt vom Land Salzburg, weil auf diese Weise die lange vergessene Bedeutung des Ortes vor rund 80 Jahren wiederentdeckt werde, sagt der Leiter der Abteilung kulturelle Sonderprojekte, Alfred Winter:

"Es gibt die Rauriser Literaturtage im Gebirge. Und da gab es sozusagen kein literarisches Vorleben. Das war eine völlige Neugründung, aber wir wollen versuchen, auf dem flachen Land, im Flachgau, in Henndorf, mit dem literarischen Hintergrund Zuckmayer und Co. da ein neues Zentrum zu entwickeln und das langsam gedeihen zu lassen."
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