Treffen in Luxemburg

EU-Innenminister beraten über Türkei-Deal

Treffen der EU-Innenminister in Brüssel: Jean Asselborn im Gespräch mit Thomas de Maizière und Dimitris Avramopoulos.
Ein Treffen der EU-Innenminister im Februar 2016 in Brüssel: Jean Asselborn im Gespräch mit Thomas de Maizière und Dimitris Avramopoulos. © AFP / John Thys
Von Annette Riedel · 10.06.2016
Harte Worte, kritische Briefe: Die Atmosphäre zwischen Europa und der Türkei ist extrem angespannt. Vor diesem Hintergrund treffen sich die EU-Innenminister in Luxemburg, um die Fortschritte bei der Umsetzung des Türkei-Deals zu diskutieren.
Das politische Umfeld für das Funktionieren des EU-Türkei-Deals ist nicht einfacher geworden. Wenn die EU-Innenminister heute über die Fortschritte bei der Umsetzung des Deals beraten, der aus Sicht der EU in erster Linie die Zahl der aus der Türkei nach Europa kommenden Flüchtlinge begrenzen helfen soll, dann tun sie das vor dem Hintergrund, dass es erhebliche atmosphärische Störungen in der schwierigen Partnerschaft gibt.
Harte Worte, kritische Briefe wurden ausgetauscht – im Zusammenhang mit der Armenien-Resolution des Deutschen Bundestages und mit der Sammel-Aufhebung der Immunität eines Viertels der Abgeordneten im türkischen Parlament, vornehmlich Angehöriger kurdischer Parteien.
Kaum einer in der EU, der das nicht völlig unakzeptabel findet. Wie der Vorsitzende der EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber, auch:
"Die Aufhebung für diese große Anzahl von Abgeordneten ist eine Attacke auf die parlamentarische Demokratie. Da entstehen durch die Verhaltensweisen der türkischen Regierung und auch des Präsidenten viele Sorgen."

"Nicht in großen Teilen der Türkei überlassen"

Auf Seiten der EU sorgt man sich – Thema heute bei den Innenministern –, dass man schlechterdings dieser Türkei, unter diesen Vorzeichen kaum die volle Visafreiheit gewähren kann. Sorgt sich aber gleichzeitig - sollte es die Visa-Freiheit weder zum im Grunde schon abgeschriebenen vorgezogenen Termin Juli, noch bis zum, wie bereits vor drei Jahren verabredeten Termin Oktober geben –, dass Ankara dann seinen Teil der Verabredungen nicht einhält. Mit der absehbaren Folge, dass wieder deutlich mehr Flüchtlinge über die Ägäis kämen als im Moment. Was die Dringlichkeit erklärt, mit der Bemühungen vorangetrieben werden, die Kontrolle der Außengrenzen künftig nicht mehr einem einzelnen EU-Land zu überlassen, sondern – notfalls auch gegen dessen erklärten Willen – gemeinsam europäisch zu organisieren.
Dazu sollen Personal und Ausstattung der EU-Grenzschutzagentur Frontex erheblich aufgestockt und ihr Mandat erheblich erweitert werden. Es ist der erklärte Wille der EU-Minister und der ihr noch im Juni präsidierenden Niederländer, dafür bis Monatsende die nötige Zustimmung des Parlaments verhandelt zu haben. Das ist im Grundsatz mehrheitlich für den Ansatz eines europäischen Grenzschutzes, wie die Fraktionssprecherin der Grünen, Rebecca Harms, sagt:
"Ich glaube, dass man das nicht in großen Teilen der Türkei überlassen darf, sondern dass das Management der Außengrenzen von der EU übernommen werden muss. Nur, wenn wir's selber machen und auf gemeinsamen Regeln aufbauen, kann es gut werden."

"Das sind Organisationsfragen"

Allerdings will das Parlament mehr Mitsprache- bzw. Kontrollrechte bei künftigen Frontex-Einsätzen für sich aushandeln, als Bundesinnenminister Thomas de Maizière und seinen Kollegen lieb ist:
"Welche Rolle spielt das Parlament? Na gut – das sind Organisationsfragen. Die sind ziemlich wichtig. Die sind aber auch lösbar."
Fast unlösbar erscheint dagegen das Problem zu sein, das die Minister heute auch beschäftigen wird: dass, trotz aller Anstrengungen, sich Menschen weiter über das Mittelmeer auf den Weg in die EU machen und - schlimmer noch - zwischen Januar und Ende Mai, laut UN, mindestens an die 2800 Menschen dabei ertrunken sind.
Wegen der abschreckenden Wirkung des Türkei-Deals - so lückenhaft auch immer bisher umgesetzt - ist die Zahl derjenigen, die von der Türkei aus nach Griechenland kommen, tatsächlich erheblich zurückgegangen. Aber die Zahl der Flüchtlinge, die von Libyen aus über das zentrale Mittelmeer nach Italien kommen, hat sich dagegen wieder deutlich erhöht.
"In der Flüchtlingsfrage ist es so, dass die Schlüsselfrage ist, das Bekenntnis zur großzügigen und verlässlichen Übernahme von Kriegsflüchtlingen."
Womit aber in absehbarer Zeit kaum zu rechnen ist, denn bei allem, was mit Umverteilung und Aufnahme von Flüchtlingen in der EU zu tun hat, geht wegen der diesbezüglichen Widerstände einiger EU-Länder weiter so gut wie gar nichts.
Mehr zum Thema