Traurig-schöne Modewelt

Von Walter Kittel |
Ernst und zerbrechlich wirken die von Juergen Teller zum Teil ungeschminkt aufgenommenen Models. Der aus Bubenreuth bei Nürnberg stammende, inzwischen international renommierte Fotograf inszeniert sie - und sich selbst - auch mal in seinem kleinen Dorf zu Hause.
Es ist eine brüchige und in sich widersprüchliche Welt, die Juergen Teller präsentiert. Schon gleich im ersten Raum, der von außen, zur Straße hin, wie durch ein Schaufenster betrachtet werden kann, zeigt der Modefotograf eine dicht gehängte Serie von jungen Models. Agenturen haben sie bei ihm vorbeigeschickt, zum "Fotoshooting". Teller nimmt sie gleich vorm Eingang seines Hauses auf, an der Türschwelle sozusagen, die viele dieser ernst, zerbrechlich und melancholisch – aber nie strahlend aussehenden Mädchen - wohl kaum zum Erfolg führen wird.

"Es ist auch mehr so teilweise wie so eine Kritik zu verstehen an der Modewelt, wo es eigentlich auch irgendwie nicht in Ordnung ist. Also dieses Mädchen hier ist total unterernährt auf Deutsch, würde ich sagen. Und hier kommt die Mutter zum Beispiel, wo das Kind, würde ich mal sagen oder das Mädchen, das Modell überhaupt nicht gekommen ist und die Mutter kommt dann an und zeigt dann ihre Mappe."

Manchmal scheint Juergen Teller selbst zu staunen über die verrückte, traurig-schöne Modewelt, in der er sich bewegt. Dabei spielt er schon seit Jahren die vielen kleinen und größeren Tragödien und Komödien seiner Branche mit. Wie kaum ein anderer hat er es jedoch verstanden, sich einzurichten und Ansprüche zu definieren. Auch darauf gibt die Ausstellung gleich zu Beginn einen Hinweis. Denn neben den Gesichtern seiner jungen Models ist auch er zu sehen: nackt und in leicht ordinärer Pose liegt er wie ein "Pin-up" da und zeigt seinen etwas übergewichtigen Körper.

"Das hilft mir natürlich, wie weit ich mit meinen Fotos gehen kann, das hilft mir auch, mit anderen Leuten zu arbeiten. Entweder es ist klar: die wollen nicht mit mir arbeiten oder die wollen aus einem guten Grund mit mir arbeiten."

Wer mit Juergen Teller arbeitet, das zeigen viele Motive, ist bereit zu Nähe. Er selbst gibt und hat auch immer viel von sich selbst preisgegeben. Manche Fotoserien spielen nur bei ihm zu Hause. Nicht in seinem Londoner Atelier, sondern in dem kleinen Dörfchen "Bubenreuth" bei Nürnberg, wo er aufgewachsen ist, im Haus seiner Eltern. Zwischen altmodischen, plüschigen Möbeln tanzen hier dann "Supermodels" auf dem Sofa, halbnackt, oder sie lassen sich zwischen Spielzeugkisten fotografieren. Das wirkt komisch und bizarr, wie deutsche Provinzialität und die eigentlich doch glamouröse Modelwelt so aufeinandertreffen. Kate Moss, sagt Juergen Teller, hat viel dazu beigetragen, seinen Blick auf Mode und Models zu verändern. Er selbst zeigt sie im Badezimmer ihres New Yorker Apartments – eine Szene, die so wirkt, als hätte sie – unter Freunden - kurz nach dem Aufstehen stattgefunden.

"Die hat eine ganz andere, neue Welt aufgerissen. Während früher, Ende der 80er-Jahre waren es diese Supermodels. Und es waren praktisch Cindy Crawford, Claudia Schiffer und diese absolut Unnahbaren. Und Kate Moss hat das eigentlich total gebrochen, von der Statur passt sie überhaupt nicht dazu zu diesen Übermodels, auch einfach nahbar mehr und verständlicher waren für alle möglichen Leute, überhaupt, generell."

Nähe finden in einer Branche, die eigentlich als kalt und unbarmherzig gilt, das macht Juergen Tellers Blick aus. Darauf scheint er zu beharren und zu bestehen. Auch die eigene Familie wird immer wieder eingebunden und die eigene Herkunft, aus den kleinen Verhältnissen einer Bubenreuther Handwerkerfamilie, wird eher betont als verleugnet. Jürgen Teller fotografiert im Schloss von Gloria von Thurn und Taxis genauso unverkrampft und ungeniert wie zwischen verstaubten rosa Samtvorhängen zu Hause.

"Und dann auch dieser ganze Kitsch, der bei mir in kleiner Art und Weise im Haus ist, also bei meinen Eltern. Ist ja in dem großen Ding auch da, ist ja gar nicht so weit voneinander weg. Es sind ja eigentlich Welten. Der eine ist ne Fürstin und wir sind die Bauerndeppen, aber eigentlich ist es das Gleiche."

Nicht wenige Motive werden von einer seltsamen Melancholie durchweht. Bubenreuth etwa ist für Juergen Teller zugleich ein tragischer Ort. Hier, in der Werkstatt seiner Familie, hat sich sein Vater umgebracht. Und hier, genau an diesem Ort, lehnt nun viele Jahre später ein Model seinen Kopf an eine Säge. Auch die schmerzhaftesten Momente der eigenen Geschichte werden so nach außen gekehrt.

"Für mich sind halt Erfahrungen wichtig, die man hat im Leben, und das geht halt von Kindheit an. Und du bist halt beeinflusst von deinem ganzen Leben, wie du durchs Leben gehst. Und was will man denn anderes machen."

Sich, sein Leben, seine Familie und Freunde, hat Juergen Teller in Fotoserien immer wieder thematisiert – obwohl es sich meistens um Werbekampagnen gehandelt hat, die ja eigentlich dem Verkauf von Schuhen, Taschen oder teuren Klamotten dienen sollen. Aber, so Teller, die Ware muss nicht im Zentrum stehen, jedenfalls nicht in moderner Werbung, etwa für Designer wie Marc Jacobs.

Als Nebenprodukt einer solchen Kampagne entstanden auch die vielleicht kuriosesten Aufnahmen, die in dieser Ausstellung zu sehen sind: zusammen mit der Schauspielerin Charlotte Rampling tritt hier Juergen Teller selber auf: Sie, leicht bekleidet und er vollkommen nackt. Im luxuriösen Ambiente eines Pariser Hotels rasiert sie ihm schließlich mit viel Schaum den Bart oder spielt auf dem Flügel, während er mit gespreizten Beinen rücklings auf dem Instrument liegt. Als würde er sich dafür vielleicht doch etwas schämen, guckt vor dem Eingang zu diesem Raum mit Charlotte Rampling Jürgen Tellers Mutter quer durch ein offenes Krokodilmaul.
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