Trauerspiel statt Operette

Von Bernhard Doppler |
"Tanzen möcht ich, jauchzen möchte ich, in die Welt es schreien: Mein ist die schönste der Frauen, mein allein", heißt es in der Operette "Die Csárdásfürstin". Gefühlstiefe und Lebenshunger sprechen aus den Texten und den Melodien des ungarischen Komponisten Emmerich Kálmán. Von der gefühlvollen Liebesgeschichte lässt Regisseur Werner Schneyder bei seiner Inszenierung am Theater Bremen allerdings nicht viel übrig.
Haben Operetten ein Happy End? Wenn der Kabarettist Werner Schneyder in den neunziger Jahren Operetten inszenierte, strich er in der Regel den dritten Akt und ließ den Abend mit der Katastrophe im Finale des zweiten Aktes, mit offenem Schluss also, enden. Bei Emmerich Kálmáns Operette "Die Csárdasfürstin", mit der Schneyder nach sechs Jahren seine Tätigkeit als Operettenregisseur wieder aufnahm, schien ihm diese Amputation nicht nötig.

Die mitten im Ersten Weltkrieg uraufgeführte Operette verweist auch ohne solche Kürzungen auf das Ende einer Gesellschaft. Einige von Schneyder ins Libretto eingefügte Hinweise auf das Kriegsgeschehen und ein Soldat im Finale verdeutlichen den Zeitbezug. In den Schützengräben des Ersten Weltkriegs, wie 1999 Peter Konwitschny in der Semperoper, lässt Schneyder seine "Csárdásfürstin" freilich nicht spielen, doch auch keine frivolen Varieté-Ausgelassenheiten und keine üppigen Adelsfeste werden geboten, sondern lediglich ein ernstes Kammerspiel, meist in der Künstler-Garderobe oder in Nebenräumen des Palais.

Einerseits leuchtet es ja ein: Komik, die immer wieder zu verstehen gibt, wie lustig sie ist, ist peinlich, aber andererseits: Muss wirklich jeder Satz so bierernst gesprochen werden und lebt die Operette vielleicht nicht auch sogar von ein wenig Peinlichkeit? Die Abgründigkeiten der Operettenfiguren, etwa Graf Boni, der immer wieder vereinnahmend, aber auch verunsichert fragt, bin ich dein Freund, werden nicht deutlich. Einerseits leuchtet es ein, das Chor und Ballett eines Stadttheaters meist nicht über Klischees hinwegkommen, wenn sie verkommene Halbwelt nachäffen sollen, aber andererseits: Muss deswegen das Budapester Varieté so hanseatisch steif herumstehen? Auch musikalisch ist die Bremer "Csárdásfürstin", unter der musikalischen Leitung von Tamur Vaask, wenig feurig, am überzeugendsten noch in den pathetisch-sentimentalen Stellen, anrührend vielleicht auch in melodramatischen Passagen oder wenn sie am Szenen-Ende, wenn sich die Drehbühne wieder dreht, erklingt.

Schneyders redlicher Ansatz führte in Bremen wohl auch deswegen in die Sackgasse, weil er keine großen Sängerpersönlichkeiten hatte. Mark Duffin presst zwar passabel sein "Heut Nacht hab ich geträumt von dir", aber Patricia Andress als Sylva Varescu ist darstellerisch und sängerisch wohl kein "Teufelsweib", sondern lässt bestenfalls den künftigen Haus- und Ehedrachen erahnen, wenn sie in einem kurzen Wutanfall einen Stuhl zertrümmert. Hochadel und Varieté dienen also Szenen vom Zustandekommen kleinbürgerlich spießiger Ehen. Werner Schneyder hat die Operette wohl zu ernst genommen.
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