Transport

Leisere Flugzeugtriebwerke

Ein Triebwerksmechaniker des britischen Flugzeug-Triebwerksherstellers Rolls-Royce arbeitet am an einem Flugzeugtriebwerk im Werk in Dahlewitz
Ein Triebwerksmechaniker des britischen Flugzeug-Triebwerksherstellers Rolls-Royce arbeitet am an einem Flugzeugtriebwerk im Werk in Dahlewitz © picture alliance / dpa
Von Thomas Gith · 07.06.2014
Fluglärm nervt gewaltig. Besonders dann, wenn die Maschinen im Minutentakt über Städte und Wohngebiete fliegen. Leisere Flugzeugtriebwerke sollen den Lärm in Zukunft reduzieren.
Ortsbesuch am Flughafen Berlin Tegel. Von der Aussichtsterrasse schweift der Blick über das weitläufige Flugfeld: Zahlreiche Maschinen sind an Gangways angedockt, darunter eine Boeing 737 und ein Airbus A 320. Andere Flugzeuge fahren über das Rollfeld, bringen sich in Startposition. Eine der Maschinen beschleunigt auf der Rollbahn mit hoher Geschwindigkeit. Wenige Sekunden später hebt ihr schwerer Rumpf ab, steigt unter tosendem Lärm in den Himmel.
Zu den Stoßzeiten morgens und nachmittags starten und landen die Flugzeuge hier in Berlin-Tegel fast im Minutentakt. Es ist eine ständiges, lärmendes An- und Abfliegen.
"Flugzeuge haben zwei Hauptgeräuschquellen, das sind zum einen die Triebwerke und zum anderen der Umströmungslärm, der den gesamten Rumpf betrifft. Die Triebwerke sind insbesondere beim Start sehr laut, und bei der Landung tragen sie zu etwa 50 Prozent zur Lärmentstehung bei. Die anderen 50 Prozent kommen vom umströmten Rumpf, von umströmten Rumpfteilen wie Klappen, wie Fahrwerken, wie auch Leitwerken."
Schall der Triebwerke wird besonders intensiv wahrgenommen
Professor Lars Enghardt vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt forscht zur Triebwerksakustik. Denn deren Lärm ist enorm: Selbst aus einer seitlichen Entfernung von 300 Metern kann ein größeres Verkehrsflugzeug beim Starten noch so laut sein wie unmittelbar an einer stark belebten Straße. Dabei sind die Triebwerke in den vergangenen Jahren schon deutlich leiser geworden. Allerdings: Ihr Schall wird von uns Menschen besonders intensiv wahrgenommen.
"Flugzeuge sind eine besondere Schallquelle, insbesondere wenn man sie mit anderen Verkehrsträgern wie schienengebundenen oder straßengebundenen vergleicht, weil sie eben über uns schweben. Das heißt, wir nehmen sie schon mal ganz anders wahr. Das ist der erste Punkt. Der zweite Punkt, Flugzeuge überstreichen auf ihrem Flugpfad ein großes Gebiet und der Schall wird relativ ungestört von der Quelle zum Beobachter ausgebreitet. Das liegt im Wesentlich daran, das keine Hindernisse im Weg liegen. Also das sind beides Aspekte, die dazu führen, dass wir es laut wahrnehmen."
Über Städten und Wohngebieten lärmen dabei vor allem die Triebwerke: Bis die Flugzeuge ihre Startphase abgeschlossen haben und in mehreren Kilometern Höhe fliegen, dringen vor allem ihre Geräusche zur Erde.
Hunderte Kilometer pro Stunde schneller Luftstrahl
Die Triebwerke, die meist unter den Tragflächen hängen, sorgen dabei dafür, dass das Flugzeug in den Himmel steigt und vorwärts fliegt: Der vorn liegende Rotor, der einem Propeller gleicht, beschleunigt dafür die Luft. Im Verdichter wird ein Teil der Luft komprimiert und dann in der Brennkammer zusammen mit Kerosin verbrannt. Die Luft beschleunigt dadurch auf so genannte Übergeschwindigkeit: Es entsteht ein mehrere hundert Kilometer pro Stunde schneller Luftstrahl, der hinten aus dem Triebwerk strömt und der die Maschine vorantreibt. In den vergangenen Jahren wurde diese Technik konstant verfeinert. Die Flugzeuge sind dadurch bereits leiser geworden, sagt Lars Enghardt.
"Triebwerke heutzutage beschleunigen die Luft auf zwei verschiedene Arten und Weisen. Die eine ist, ein Luftstrahl wird erhitzt und beschleunigt, die andere ist, ein Propeller, der in dem Triebwerk sitzt, beschleunigt den Rest der Luft. Heutzutage wird der größte Teil der Luft gar nicht erst erhitzt, sondern direkt von dem Propeller beschleunigt. Das ist gut für den Spritverbrauch und gut für den Lärm."
Zusätzlich werden die Triebwerke immer größer - vor allem ihr Durchmesser nimmt kontinuierlich zu. Der aus der Schubdüse kommende Luftstrom ist daher massiver und breiter. Der Vorteil dabei: Seine Geschwindigkeit lässt sich drosseln, ohne das Flugtempo zu beeinflussen. Das verringert die Luftreibung und damit den Lärm beim Fliegen.
"Die Lautheit des Treibwerksstrahls ist direkt gekoppelt mit der Geschwindigkeit, mit der die verschiedenen Luftschichten aneinander reiben. Das heißt, je schneller der Strahl sich aus der Düse heraus bewegt, desto lauter kann man sagen ist das Flugzeug, ist der Strahllärm. Wenn sie die Reibungsgeschwindigkeit der verschiedenen Schichten verkleinern, reduzieren sie auch den Lärm. Und das ist ein sehr interessanter Effekt, weil das geht nicht linear mit der Geschwindigkeit sondern mit einer hohen Potenz. Das heißt, also das geringfügige Verringern der Austrittsgeschwindigkeit reduziert den Lärm enorm."
Gemessen am Jahr 2000 soll der Flugzeuglärm bis zum Jahr 2020 um insgesamt 50 Prozent abnehmen. Das ist Konsens in Europa. 40 Prozent weniger Lärm sind bei den neuen Flugzeugen bereits erreicht – auch dank breiterer Triebwerke. Doch sie allein können den Lärm nicht vollständig reduzieren.
Verschobene Lärmquellen im Triebwerk
Besuch in einer großen Industriehalle. An der Decke sind Kräne befestigt, tonnenschwere Flugzeugtriebwerke hängen von ihnen hinab, Männer in blauer Arbeitskleidung montieren an ihnen herum. Das Unternehmen Rolls-Royce produziert hier im brandenburgischen Dahlewitz. Akustikspezialist Fredi Holste geht durch die Halle, bleibt vor einem noch unverkleideten Triebwerk stehen.
"Hier vor uns haben wir unser neuestes Triebwerk, die BR 725, das ein Flugzeug von Gulfstream antreibt."
Um die Triebwerke leiser zu machen, überprüfen die Ingenieure bei Rolls-Royce alle Bauteile. Wesentlich verändert haben sie bereits die vorne liegenden Rotorschaufeln. Diese beschleunigen die einströmende Luft. Fredi Holste zeigt auf den rund einen Meter breiten Rotor des neu gefertigten Triebwerks.
"Diese Rotorschaufeln sind besonders geformt. Sie haben keine gerade Vorderkante, sondern die Vorderkante ist sehr geschwungenen. Das hat zwei große Vorteile. Das eine ist, es ist aerodynamisch gut, der Wirkungsgrad steigt. Aber was noch viel wichtiger ist, durch diese geschwungene Form wird ein Schallfeld von dem Rotor erzeugt, das sehr schlecht abstrahlt. Das heißt, es ist wesentlich weniger Lärmemission zum Boden vorhanden als bei herkömmlichen Schaufeln."
Im Triebwerksinnern sind außerdem Schalldämpfer eingebaut. Zukünftig sollen die auch an der außen liegenden Schubdüse montiert werden – also dort, wo es extrem heiß ist und wo die beschleunigte Luft vorbei strömt. Noch vor wenigen Jahren brauchte man keine Schalldämpfer an diesen Stellen. Doch das hat sich geändert: Weil sich die Lärmquellen im Triebwerk verschoben haben.
"Wir haben den Rotorlärm stark reduziert und jetzt kommt der Turbinenlärm und Brennkammerlärm immer mehr zum Vorschein. Die mussten wir vorher nicht so stark bekämpfen, wie wir das jetzt müssen. Deswegen entwickeln wir so genannten Heißgasabsorber, die wir hier auf diesen Austrittskegeln dann einmontieren können. Die dann den Zweck haben, einerseits den Turbinenlärm zu reduzieren, der recht hochfrequent ist und andererseits den Brennkammerlärm zu reduzieren, der tieffrequenter Natur ist."
Die Turbine treibt die Luftverdichter an, in der Brennkammer wird die verdichtete Luft dann zusammen mit Kerosin verbrannt. Der Flugzeuglärm, den wir wahrnehmen, entsteht so aus vielen einzelnen Schallquellen. Sie zusammen bilden den nervtötenden Krach über unseren Köpfen. Die Brennkammer allein erzeugt dabei schon zermürbende Geräusche.
Bis 2020 soll der Fluglärm um 50 Prozent abnehmen
Das Problem: Bei einer schadstoffarmen Verbrennung wird sie noch lauter.
Denn wird das Kerosin mit einem Luftüberschuss verbrannt, reduziert das zwar den Stickoxidausstoß um rund 80 Prozent. Doch der Lärm nimmt dann unerträglich zu. Forscher wie Professor Christian Paschereit von der TU Berlin sprechen vom Brennkammerbrummen.
"Das Brennkammerbrummen tritt insbesondere bei modernen, schadstoffarmen Brennkammern auf. Dort vermischen wir Brennstoff und Luft bevor wir es verbrennen. Es handelt sich also um eine vorgemischte Brennkammer und wir verbrennen das Gemisch relativ mager, das heißt mit einem Luftüberschuss. Und diese Brennkammern neigen dazu, dass sie thermoakustische Pulsationen zeigen, dass Brennkammerbrummen.
Das Brennkammerbrummen direkt kann man sich so vorstellen: Wenn sie zum Beispiel eine Schwankung in der Wärmefreisetzung haben, dann dehnt sich das Gemisch unterschiedlich aus, es kommt zu einer Schallemission. Und diese Schallemission, diese Druckwelle wird in der Brennkammer reflektiert und das kann ein geschlossener Rückkopplungszyklus sein, der instabil werden kann und dann führt der zu extrem hohen Druckamplituden."
Noch werden die stickoxidarmen Triebwerke nicht an Flugzeugen montiert. Doch das soll sich in den kommenden Jahren ändern. Schalldämpfer sind dann gefragt. Schalldämpfer, die das Brennkammerbrummen reduzieren und die so den Gesamtlärm des Triebwerkes senken. Denn das Ziel ist klar: Bis 2020 soll der Fluglärm um 50 Prozent abnehmen. Das ist zu schaffen, glaubt Karsten Mühlenfeld, Geschäftsführer bei Rolls Royce. Allerdings: Das gelte nur für einzelne Flugzeuge – nicht für die Geräuschbelastung als Ganzes.
"Vergleicht man nur ein altes Flugzeug mit einem neuen Flugzeug, dann werden sicherlich die 50 Prozent erreicht werden können. Betrachtet man allerdings einen Flughafen, dann muss man berücksichtigen, dass die alten Flugzeuge weiter fliegen, die werden ja nicht weggestellt. Das dauert immer, um eine neue Flugzeuggeneration zu erzeugen, zehn bis 12 Jahre und die alten Flugzeuge fliegen weiter. Demzufolge werden sie natürlich keine fünfzigprozentige Geräuschreduktion für den Anwohner dort finden innerhalb dieser Zeit."
Hinzu kommt, dass der Luftverkehr vermutlich weiter zunimmt - dass also künftig immer mehr Flugzeuge starten und landen werden. Im Ganzen wird es so häufiger Flugzeuggeräusche geben. Fluglärm als permanenter Stressor wird für viele Menschen also ein Problem bleiben. Auch wenn die punktuelle Lärmbelastung durch einzelne Flugzeuge kontinuierlich abnimmt.