Transplantationsarzt zu Negativrekord bei Spenderzahlen

"Wir identifizieren zu wenige potenzielle Organspender"

Portemonnaie mit Organspendeausweis
Portemonnaie mit Organspendeausweis © imago/Steinach
Johann Pratschke im Gespräch mit Vladimir Balzer und Axel Rahmlow · 15.01.2018
Die Zahl der Organspender in Deutschland ist so niedrig wie zuletzt vor 20 Jahren. Deutschland liegt damit ganz hinten in Europa. Der Transplantationsmediziner Johann Pratschke betont aber, der Grund dafür sei nicht, dass zu wenige Deutsche spenden wollten.
Neuer Negativrekord bei der Zahl der Organspender in Deutschland: 797 Spender waren es im Jahr 2017, 60 weniger als im Jahr zuvor, wie die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) am Montag mitteilte. Kontinuierlich geht die Zahl der Spender zurück, nun ist der niedrigste Stand seit 20 Jahren erreicht, Deutschland ist eines der Schlusslichter in Europa.
Als Gründe hierfür gelten zum einen Ängste in der Bevölkerung, die vermutlich auch von Skandalen im Bereich der Organtransplantation geschürt wurden. So soll etwa 2012 ein Arzt an der Universität Göttingen Daten manipuliert haben, damit seine Patienten bevorzugt werden. Als weiteren Grund für die mangelnde Spendenbereitschaft nannte die DSO die Rolle der Transplantationsbeauftragten an Krankenhäusern. Sie seien häufig nicht einbezogen, wenn sich die Frage nach einer Spende stelle.

Mehr Geld für Transplantationsbeauftragte

Johann Pratschke, Leiter der Klinik für Transplantationsmedizin an der Charité Berlin, allerdings betonte im Deutschlandfunk Kultur, dass hier "viele Faktoren" zu einem "desaströsen Ergebnis" führten. Die niedrigen Spenderzahlen lägen nicht an der mangelnden Spendenbereitschaft in der Bevölkerung, sondern im medizinischen Bereich, erklärte er.
"Unser Problem ist, dass wir in den Krankenhäusern diese potenziellen Spender bzw. diese Patienten, die versterben und spenden könnten, dass wir die nicht identifizieren in ausreichendem Maße und dann auch wirklich die Transplantation durchführen."
Teilweise ist hier die Infrastruktur nicht vorhanden und bei Ärzten und Pflegern ist aufgrund von Überlastung und fehlender Sensibilisierung manchmal das Thema Organspende zu wenig bewusst.

Unzureichende Finanzierung der Transplantationsbeauftragten

Hinzu komme, dass die Transplantationsbeauftragten in Krankenhäusern nicht ausreichend finanziert seien, erklärte Pratschke. Ihre Aufgabe sei es, dafür zu sensibilisieren, welcher Patient im Falle seines Todes für eine Organspende in Frage komme. Außerdem sollten sie aufklären und für Fortbildungen sorgen, so Pratschke.
"Das ist ein sehr, sehr anspruchsvoller Beruf", betonte der Mediziner. Dass eine bessere Finanzierung etwas bewirkt, zeige das Beispiel Bayern. Dort seien die Transplantationsbeauftragten Vollzeit für ihre Aufgabe freigestellt und die Zahl der Organspenden sei in der Folge um 18 Prozent gestiegen - entgegen dem deutschlandweiten Trend. Um dieses Modell auszuweiten, brauche es den Willen auf politischer Ebene und in der bei den Krankenhaus-Leitungen.

(abr)
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