Transparenz als Zeichen der Demokratie

Von Adolf Stock |
Sep Rufs Markenzeichen war eine lichte, transparente Architektur. Der Pavillon auf der Brüsseler Weltausstellung 1958 und der Bonner Kanzlerbungalow aus den 60er Jahren machten ihn weltweit berühmt. Die Ausstellung "Sep Ruf 1908 - 1982. Moderne mit Tradition" in der Münchner Pinakothek der Moderne erinnert jetzt an sein Werk.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war die historische Maxburg in München nur noch eine Ruine. Von der Wittelsbacher Residenz stand nur noch ein Turm aus dem späten 16. Jahrhundert. Sep Ruf machte sich an die Arbeit. Er entwarf ein großzügiges Häuserensemble mit Cafés, Restaurants und Büros und holte das Grün in die Stadt.

Es wurde eine autofreie Zone mit bürgerfreundlichen Plätzen und Höfen und der ersten Tiefgarage der Stadt. Sep Ruf hatte eine Architektur geschaffen, die ein neues, demokratisches Lebensgefühl vermitteln sollte. Winfried Nerdinger, Leiter des Münchner Architekturmuseums.

"Er hat diesen Turm der alten Maxburg freigestellt und hat aus den Proportionen dieses Turmes dann die Proportionen seiner Fassade gewonnen, und die beiden harmonieren wunderbar.

Und ich glaube, wenn der Wiederaufbau mehr in diese Richtung gegangen wäre, dass sich die Modernen mit der Geschichte auseinandergesetzt hätten und der Tradition und nicht immer nur gesagt hätten, wir müssen da einen Schnitt machen, dann hätten wir auch heute nicht diese Probleme mit der modernen Architektur, nämlich dass die Bevölkerung einfach vieles ablehnt, weil sie sagt, wir wollen das nicht, diese Glaskisten, diese Betonburgen und all das."

Anders als Egon Eiermann, der erst nach lautstarken Bürgerprotesten den alten Turm der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche im Berliner Westen am Leben ließ, orientierte sich Sep Ruf an dem historischen Turm und suchte die Verbindung zur Geschichte. Edel gedacht - aber es hat damals nicht funktioniert. Die Münchner trauerten ihrem alten München nach und Sep Rufs gemäßigte Moderne gefiel ihnen nicht.

Winfried Nerdinger: "Das ist ja fast das Tragische, dass er hier nun wirklich vorbildlich gezeigt hat, wie man Geschichte aufnehmen kann, wie man im Dialog, in der Harmonie, im Zusammenklang mit Geschichte modern bauen kann, und dass er trotzdem hier in München so angefeindet worden ist.

Da gab es technische Probleme und dann war das natürlich Wasser auf die Mühlen all der konservativen Kritiker, die sowieso schon immer gegen moderne Architektur waren, und man sprach dann nur noch von der 'Murxburg' und das hat ihm natürlich enorm geschadet."

In der Neuen Pinakothek wird das Gebäude nun ausführlich gewürdigt, neben den vielen anderen Ikonen der Rufschen Nachkriegsmoderne. Pläne, Zeichnungen und Modelle, zeitgenössische Fotografien sowie brillante großformatige Farbaufnahmen des Stuttgarter Fotografen Roland Halbe dokumentieren Sep Rufs Lebenswerk.

1908 wurde Franz Joseph Ruf geboren. Er studierte Architektur, bereiste Italien und fing Anfang der 30er Jahre an zu bauen. Es waren zunächst Einfamilienhäuser und Siedlungsbauten, erst nach Kriegsende konnte sich sein Talent richtig entfalten. Sein Markenzeichen wurde eine lichte, transparente Architektur.

Winfried Nerdinger: "Das Kennzeichen der Rufschen Bauten ist sicher diese unglaubliche Eleganz, diese Perfektion der Form und dieses bis ins letzte Detail Gestalten und Proportionieren. Er hat da unglaublich drauf geachtet, dass alle Maße minimiert werden, deswegen diese hauchdünnen Streben immer, diese Aufglasung sowieso, da hat er wirklich versucht, seine Bauten fast zu entmaterialisieren, könnte man sagen, das ist ja eines der Ideale dieser 50er-, 60er-Jahre, so wenig Material wie möglich."

Das gilt auch für den deutschen Pavillon auf der Weltausstellung in Brüssel von 1958, den Sep Ruf gemeinsam mit Egon Eiermann entworfen hat. Er wurde zum Fanal einer neuen, demokratischen Gesinnung. Winfried Nerdinger.

Winfried Nerdinger: "Transparenz als Zeichen der Demokratie, das ist wirklich zum Schlagwort verkommen, das was Günter Behnisch und andere dann auch im Umfeld der Olympiade zum Programm gemacht haben. Sep Ruf hat das schon 20 Jahre vorher vertreten, ohne hier nun überhaupt groß Aufsehen darum zu machen."

Das Germanische Museum in Nürnberg, die Erweiterungen des Deutschen Museums und der Staatsbibliothek in München, alle Entwürfe folgen diesem Prinzip. Das gilt auch für den Kanzlerbungalow von 1964. Doch an ihm schieden sich die Geister, es kam zu einem erbitterten Streit.

Als Erhard Kanzler wurde, beauftragte er Ruf, einen Bungalow am Rhein zu bauen. Der Bungalow entsprach dem Lebensgefühl des Kanzlers: Hier wollte er wohnen, und von hier aus wollte er das neue, demokratische Deutschland repräsentieren. Doch sobald es ging, holte Konrad Adenauer zum Gegenschlag aus. Eine Vitrine mit Briefen und Zeitungsausschnitten belegt den Fall.

Winfried Nerdinger: "Als Erhard dann gehen musste und Georg Kiesinger kam, hat Adenauer diese unsäglichen hämischen und gemeinen Sätze gesagt, so wie, ich bedauere Sie, dass Sie da einziehen müssen, und das Ding brennt ja nicht einmal, und dem Architekt müsste man zehn Jahre geben, und es gab da eine gewaltige Architekturdiskussion in ganz Deutschland.

Und da ging es schon auch darum, wie wird repräsentiert, wie stellt sich der Bundeskanzler dar? Und insofern ist dieser Kanzlerbungalow natürlich auch ein Spiegel der jungen Bonner Republik, die sich entsprechend modern, weltoffen, international präsentiert, aber im Inneren auch ein Spiegel des Geschmacks der jeweiligen Kanzler."

Kurt Georg Kiesinger hatte den Bau grauenhaft umgestaltet und seinen gesamten Nippes dort abgeladen. Erst Willy Brandt, Helmut Schmidt und später dann Helmut Kohl haben dem Bau wieder Respekt erwiesen.

Ob historisch oder modern gebaut werden soll, bleibt weiter umstritten. Die Münchner Ausstellung führt weg vom Entweder-Oder. Hier ist ein Architekt zu sehen, der konsequent einen eigenen Weg gegangen ist. Je intensiver man sich mit Sep Ruf beschäftigt, umso faszinierender wirkt sein Werk. Seine Bauten geben ihm Recht.