Träume ohne Drogen
Christiane F. war 15 Jahre alt, als sie ihren Weg in die Drogensucht niederschrieb und mit dem Buch die Bundesrepublik schockierte. Jetzt ist „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ in einer Theaterfassung an der Berliner Schaubühne zu sehen. Lea Draeger schlüpft in die Rolle des drogenabhängigen Mädchens.
„Mensch, die rauchen Hasch, Mensch Haschisch, Mensch Rauschgift. Ist das nicht verboten? Ist volltotalultraverboten ...“
Lea Draeger – zart, mit kantigem Gesicht und langen Haaren – steht auf der Bühne neben einem Werbeschaukasten im Look der 70er-Jahre: Damals war Berlin Bahnhof Zoo noch ein Fernbahnhof. Die Mauer trennte die Stadt in zwei Hälften, es gab noch keine Fixerstuben und Methadonprogramme – und Lea Draeger, die jetzt in die Rolle des Drogenteenagers schlüpft, war noch gar nicht auf der Welt.
„Ich musste das irgendwie feierlich machen. Ich ging also auf die Toilette, schloss mich ein und da, da schluckte ich dann diesen Krümel.“
Christiane F. zieht mit zwölf an ihrem ersten Joint. Sie hat noch keinen Busen und trägt hochhackige Schuhe. Bis zum ersten Schuss soll es nur ein paar Monate dauern. Das Mädchen lebt mit ihrer Mutter und ihrem Stiefvater im Westberlin der späten 70er-Jahre, in Gropiusstadt.
Einspielung Stück Uli Hoppe:
„Gropiusstadt – das sind Häuser für 45.000 Menschen. Da hatten wie zweieinhalb Zimmer im elften Stock.“
Von der Gropiusstadt ist das westdeutsche Münster, wo Lea Draeger als Lehrertochter aufwächst, weit entfernt: Abende in der Theatergruppe statt auf dem Kinderstrich: Lichtjahre liegen zwischen den Welten von Christiane F. und Lea Draeger. Als die Schauspielerin in den 90er-Jahren ins Teenager-Alter kommt, spielt die Geschichte des drogenabhängigen Mädchens vom Bahnhof Zoo an ihrem Gymnasium in Münster längst keine Rolle mehr.
Nach der Vorstellung: Lea Draeger sitzt jetzt eingehüllt in einen dicken Daunenmantel auf dem Sofa vor der Garderobe und nimmt noch einen Schluck Cola light.
„Münster – eigentlich das Gegenteil von Berlin, eine Kleinstadt. Wobei das heißt ja nicht, dass man sich da nicht so rein versetzen kann. Gerade in dem Buch kann man es sehr gut nachvollziehen. Man geht an die Orte, guckt sich das an am Bahnhof Zoo, man liest. Das setzt sich dann immer mehr zusammen.“
U-Bahn-Ansage: " Nächste Station: Zoologischer Garten“
Mit der U-Bahn fährt die 30-Jährige während der Proben mehrmals zum Bahnhof Zoo, zum Bundesplatz, zum Strich an der Kurfürstenstraße. Sie sucht das Lebensgefühl der Christiane F.
„Wir fanden an diesem Stoff interessant. Nicht nur diese Mühle, Junkie zu sein. Mich persönlich hat nicht interessiert, einen Junkie darzustellen, wie das aussieht, wenn der auf Turkey ist oder so. Das körperlich nachzuvollziehen, sondern ich fand es interessanter darzustellen, was dahinter steckt, was sie für Sehnsüchte hat.“
Weg vom Heroin: eine kleine Wohnung, eine hübsche Küche, in der sie für den Mann, den sie liebt, ein Abendessen kocht. Christiane F. hat davon geträumt, ganz normal zu sein, fast spießig, sagt die Schauspielerin Lea Draeger. Noch einmal zwei Welten, die weit voneinander entfernt sind. Während sich Christiane F. als Teenager nach Geborgenheit sehnt, will Lea Draeger damals genau das Gegenteil. Sie wünscht sich Aufregung und Chaos.
„Für mich war das immer schon klar, dass ich da weg will. Ich wusste nicht, was ich machen will.“
Nach dem Abitur zieht Lea Draeger nach Berlin. Das alte Westberlin, vom dem Christiane F. erzählt, existiert zu dieser schon Zeit nicht mehr. Lea Draeger studiert zunächst Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität im Osten der Stadt und bewirbt sich währenddessen an Schauspielschulen. In Leipzig wird sie angenommen.
„Ich habe eine Schwester, die ist lustiger Weise Richterin, ist auch immer in Münster geblieben. Die hat immer so einen stabilen Ort gesucht. Es ist aber ganz schön, denn ich wollte ja unbedingt weg, aber jetzt fahre ich total gern dahin, zu meinem Patenkind zum Beispiel. Die hat sich da richtig schön eingerichtet in Münster und das hat bei mir nie so wirklich geklappt.“
Seit fünf Jahren gehört Lea Draeger zum Ensemble der Schaubühne. Als sie vom Regisseur Patrick Wengenroth vor ein paar Monaten gefragt wird, ob sie das Junkiemädchen Christiane F. spielen will, sagt sie sofort zu. Ein fix und fertiges Stück auf dem Papier gibt es zu Beginn der Proben nicht. Nur eine erste Textfassung.
„Das finde ich gerade interessant daran, dass man sich da wirklich einbringen kann. Dass es nicht so ist: Dieses Stück spielen wir jetzt mit dieser Interpretation. Es ist schon ein großer Freiraum da.“
Und Lea Draeger will mehr davon, noch mehr Freiraum. Es soll ihre letzte Spielzeit an der Berliner Schaubühne sein. Was dann kommt? Eigene Theaterprojekte, sagt sie selbstbewusst.
Einspielung Bühne Lea Draeger:
„Für mich waren die Jungs alle selber Stars und von hinten sahen sie aus wie David Bowie.“
„Jetzt bin ich fünf Jahre hier und jetzt merke ich, es muss wieder etwas Neues kommen. Klar, es kommt in jeder Arbeit etwas Neues, aber ich will jetzt nicht in ein Ensemble, ich will mal da gucken und mal da gucken. Da sind Dinge, die ich sowieso mal ausprobieren wollte. Wie man mit Sprache, wie die musikalisch, also rhythmisch, werden kann.“
Sprechgesang Bühne, Einspielung Lea Draeger:
„So verschroben, so verdorben, so verloren ... Jetzt will ich das aber auch mal probieren!“
Hinweis:
Die nächste Vorstellungen von „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ finden am 14. und 30. März 2011 an der Berliner Schaubühne statt.
Mehr zur Inszenierung an der Schaubühne
Lea Draeger – zart, mit kantigem Gesicht und langen Haaren – steht auf der Bühne neben einem Werbeschaukasten im Look der 70er-Jahre: Damals war Berlin Bahnhof Zoo noch ein Fernbahnhof. Die Mauer trennte die Stadt in zwei Hälften, es gab noch keine Fixerstuben und Methadonprogramme – und Lea Draeger, die jetzt in die Rolle des Drogenteenagers schlüpft, war noch gar nicht auf der Welt.
„Ich musste das irgendwie feierlich machen. Ich ging also auf die Toilette, schloss mich ein und da, da schluckte ich dann diesen Krümel.“
Christiane F. zieht mit zwölf an ihrem ersten Joint. Sie hat noch keinen Busen und trägt hochhackige Schuhe. Bis zum ersten Schuss soll es nur ein paar Monate dauern. Das Mädchen lebt mit ihrer Mutter und ihrem Stiefvater im Westberlin der späten 70er-Jahre, in Gropiusstadt.
Einspielung Stück Uli Hoppe:
„Gropiusstadt – das sind Häuser für 45.000 Menschen. Da hatten wie zweieinhalb Zimmer im elften Stock.“
Von der Gropiusstadt ist das westdeutsche Münster, wo Lea Draeger als Lehrertochter aufwächst, weit entfernt: Abende in der Theatergruppe statt auf dem Kinderstrich: Lichtjahre liegen zwischen den Welten von Christiane F. und Lea Draeger. Als die Schauspielerin in den 90er-Jahren ins Teenager-Alter kommt, spielt die Geschichte des drogenabhängigen Mädchens vom Bahnhof Zoo an ihrem Gymnasium in Münster längst keine Rolle mehr.
Nach der Vorstellung: Lea Draeger sitzt jetzt eingehüllt in einen dicken Daunenmantel auf dem Sofa vor der Garderobe und nimmt noch einen Schluck Cola light.
„Münster – eigentlich das Gegenteil von Berlin, eine Kleinstadt. Wobei das heißt ja nicht, dass man sich da nicht so rein versetzen kann. Gerade in dem Buch kann man es sehr gut nachvollziehen. Man geht an die Orte, guckt sich das an am Bahnhof Zoo, man liest. Das setzt sich dann immer mehr zusammen.“
U-Bahn-Ansage: " Nächste Station: Zoologischer Garten“
Mit der U-Bahn fährt die 30-Jährige während der Proben mehrmals zum Bahnhof Zoo, zum Bundesplatz, zum Strich an der Kurfürstenstraße. Sie sucht das Lebensgefühl der Christiane F.
„Wir fanden an diesem Stoff interessant. Nicht nur diese Mühle, Junkie zu sein. Mich persönlich hat nicht interessiert, einen Junkie darzustellen, wie das aussieht, wenn der auf Turkey ist oder so. Das körperlich nachzuvollziehen, sondern ich fand es interessanter darzustellen, was dahinter steckt, was sie für Sehnsüchte hat.“
Weg vom Heroin: eine kleine Wohnung, eine hübsche Küche, in der sie für den Mann, den sie liebt, ein Abendessen kocht. Christiane F. hat davon geträumt, ganz normal zu sein, fast spießig, sagt die Schauspielerin Lea Draeger. Noch einmal zwei Welten, die weit voneinander entfernt sind. Während sich Christiane F. als Teenager nach Geborgenheit sehnt, will Lea Draeger damals genau das Gegenteil. Sie wünscht sich Aufregung und Chaos.
„Für mich war das immer schon klar, dass ich da weg will. Ich wusste nicht, was ich machen will.“
Nach dem Abitur zieht Lea Draeger nach Berlin. Das alte Westberlin, vom dem Christiane F. erzählt, existiert zu dieser schon Zeit nicht mehr. Lea Draeger studiert zunächst Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität im Osten der Stadt und bewirbt sich währenddessen an Schauspielschulen. In Leipzig wird sie angenommen.
„Ich habe eine Schwester, die ist lustiger Weise Richterin, ist auch immer in Münster geblieben. Die hat immer so einen stabilen Ort gesucht. Es ist aber ganz schön, denn ich wollte ja unbedingt weg, aber jetzt fahre ich total gern dahin, zu meinem Patenkind zum Beispiel. Die hat sich da richtig schön eingerichtet in Münster und das hat bei mir nie so wirklich geklappt.“
Seit fünf Jahren gehört Lea Draeger zum Ensemble der Schaubühne. Als sie vom Regisseur Patrick Wengenroth vor ein paar Monaten gefragt wird, ob sie das Junkiemädchen Christiane F. spielen will, sagt sie sofort zu. Ein fix und fertiges Stück auf dem Papier gibt es zu Beginn der Proben nicht. Nur eine erste Textfassung.
„Das finde ich gerade interessant daran, dass man sich da wirklich einbringen kann. Dass es nicht so ist: Dieses Stück spielen wir jetzt mit dieser Interpretation. Es ist schon ein großer Freiraum da.“
Und Lea Draeger will mehr davon, noch mehr Freiraum. Es soll ihre letzte Spielzeit an der Berliner Schaubühne sein. Was dann kommt? Eigene Theaterprojekte, sagt sie selbstbewusst.
Einspielung Bühne Lea Draeger:
„Für mich waren die Jungs alle selber Stars und von hinten sahen sie aus wie David Bowie.“
„Jetzt bin ich fünf Jahre hier und jetzt merke ich, es muss wieder etwas Neues kommen. Klar, es kommt in jeder Arbeit etwas Neues, aber ich will jetzt nicht in ein Ensemble, ich will mal da gucken und mal da gucken. Da sind Dinge, die ich sowieso mal ausprobieren wollte. Wie man mit Sprache, wie die musikalisch, also rhythmisch, werden kann.“
Sprechgesang Bühne, Einspielung Lea Draeger:
„So verschroben, so verdorben, so verloren ... Jetzt will ich das aber auch mal probieren!“
Hinweis:
Die nächste Vorstellungen von „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ finden am 14. und 30. März 2011 an der Berliner Schaubühne statt.
Mehr zur Inszenierung an der Schaubühne