Tradition und Eventkultur
Istanbul - die inspirierendste Stadt der Welt, mit diesem Slogan wirbt Istanbul für sich als Europäische Kulturhauptstadt 2010. Ein Titel, den sie mit der Ruhrstadt Essen und der ungarischen Stadt Pécs teilt. Historische Gebäude werden saniert. Tanz, Theater und Konzerte sollen zehn Millionen Besucher in die Stadt bringen. Ballerinen tanzen auf Moscheekuppeln, Tenöre singen auf Fischerbooten. Doch nicht alle sind von der Eventkultur begeistert. Für nachhaltige Kulturprojekte wird nicht allzu viel Geld ausgegeben.
Staatsgründer Kemal Atatürk hatte 1923 die Hauptstadt von Istanbul nach Ankara verlegt, um die moderne Türkei aufzubauen. Seit jener Zeit sind zwölf Millionen Menschen an den Bosporus gezogen, und jetzt meldet sich die Metropole Istanbul mit aller Macht zurück. Sie will gleichzeitig traditionsbewusst, modern und kosmopolitisch sein. Angesichts solcher Dimensionen ist die Europäische Kulturhauptstadt 2010 nur eine gut überschaubare Episode. Ilber Ortayli, Präsident des Topkapi Palast Museums, blickt ahnenstolz auf Istanbuls große Vergangenheit.
"Diese Ernennung spielt für mich keine Rolle, denn Istanbul ist sowieso die Hauptstadt der Welt. Es ist die Hauptstadt von Europa und Asien. Wir haben ein spezielles Nationalbudget, und zwei Cent per Liter Benzin ist für 2010. Und wegen dieses Geldes habe ich einige Restaurationen in meinem Palast und das Allerwichtigste, also, was früher unmöglich war, ich habe eine Menge von Möglichkeiten, um fremde Ausstellungen herzustellen."
Den Titel Europäische Kulturhauptstadt 2010 braucht Ilber Ortayli nicht. Er schüttelt empört den Kopf, angesichts der anrollenden Eventkultur, die Istanbul unweigerlich überschwemmen wird. Doch die damit verbundenen Gelder kann auch er gut gebrauchen.
"Inschallah, hoffentlich, das ist sehr schwer, die Sponsoren sind auch nicht so freigiebig. Mein Ministerium gibt nichts, das ist ein ganz armes Ministerium, zwei Promille im Budget, man muss betteln, dann kriegt man, nicht immer, aber meistens. Ja, ich bin ja Topkapi-Palast, da muss ich was haben."
2010 reicht das Geld auch für große Ausstellungsprojekte. Im Palast ist zurzeit eine Gemeinschaftsausstellung mit dem iranischen Nationalmuseum zu sehen. 2000 Jahre persisch-türkisches Erbe werden mit 300 Exponaten aus Istanbul und Teheran dokumentiert.
170 Millionen Euro werden für das Europäische Kulturhauptstadtjahr ausgegeben. Zwei Drittel davon fließen in die Sanierung historischer Gebäude. Mit dem Rest werden nicht weniger als 451 Projekte bezahlt, die möglichst viele Touristen in die Stadt locken sollen. Für die zeitgenössische Kunst seinen da nur Brosamen drin, klagt auch Beral Madra vom Künstlerzentrum Kadirga.
"Wir werden in 2010 drei oder vier große Ausstellungen in Istanbul haben, und in diesen Ausstellungen sind türkische und internationale Künstler anwesend. Zum Beispiel Antoni Muntadas' Workshop mit Studenten und Studentinnen. Und Antoni Muntadas hat seine Klassen vom MIT in Cambridge und der Venedig Akademie hierher eingeladen, und die haben hier gelebt und Werke produziert. Das heißt, wir eröffnen diese Ausstellung, die Aussagen 36 junger Menschen über Istanbul zeigen."
Antoni Muntadas ist nur ein Beispiel. Zehn Künstler werden gefördert. Sie sollen in die Stadtteile gehen, um dort ihre Kunst zu zeigen und darüber zu sprechen. Elfenbeintürme sind nicht vorgesehen, Istanbul hat Wichtigeres zu tun, denn für Beral Madra ist die zeitgenössische Kunst ein Synonym für Demokratie.
"Visual Art ist immer ein anderer Weg zur Demokratie, also solange diese visuelle Kunst frei ist und überall zu produzieren ist, müssen wir sagen, dass es in der Türkei eine richtige Demokratie gibt."
Im Stadtteil Yenikapi muss die Zukunft noch warten. Die Geschichte der Stadt ist dazwischen gekommen. Beim Bau eines Tunnels, der einmal Europa mit Asien verbinden soll, wurde 2004 in acht Meter Tiefe ein antiker Hafen freigelegt.
Ilber Ortayli: "Wegen Marmaray, dieser U-Bahn, hat man eine wunderbare Ausgrabung gemacht. Theodosius' Hafen und die Mauern von Konstantin. Wir haben im letzten Monat etwa 200 Schädel und so weiter gefunden. So lernt man also die Situation des römischen Volkes."
Mehr als 30 Schiffe wurden gefunden und freigelegt. Die Holzteile werden in Kisten verpackt und an anderer Stelle ins Wasser gelegt, um sie zu entsalzen und fachgerecht konservieren zu können.
Links Asien, mit der großen Brücke über den Bosporus, rechts Europa mit den drei großen Moscheen. Morgenland und Abendland. Der Blick vom Restaurant des Marmara Hotels am rastlosen Taksimplatz ist spektakulär und unglaublich schön. Zehn Millionen Besuchern will Istanbul 2010 sein Metropolenfeeling vermitteln. Ilber Ortayli waren drei Millionen Topkapi-Besucher schon im letzten Jahr zu viel.
"Eyeyeyey, letztes Jahr drei Millionen. Das ist zu viel. So viel brauchen wir nicht. Man braucht also nicht jede Yacht hier zu haben ... dann entschuldigen Sie mich."
Der Museumschef eilt zum persischen Kulturminister. Die Delegation aus Pécs muss deshalb warten. Die große Moschee in ihrer Heimatstadt ist zu einer katholischen Kirche geworden, nachdem die Türken 1683 vor Wien geschlagen wurden. In Istanbul ist gar nichts entschieden. Hier mischen sich die Religionen. Die Kulturhauptstädter aus Ungarn müssen warten. Manchmal ist die Metropole am Bosporus auch etwas ruppig und rücksichtslos.
Links:
Fluchtpunkt Türkei
Eine Lange Nacht über Asyl für Deutsche in der NS-Zeit *
Istanbul 2010
"Diese Ernennung spielt für mich keine Rolle, denn Istanbul ist sowieso die Hauptstadt der Welt. Es ist die Hauptstadt von Europa und Asien. Wir haben ein spezielles Nationalbudget, und zwei Cent per Liter Benzin ist für 2010. Und wegen dieses Geldes habe ich einige Restaurationen in meinem Palast und das Allerwichtigste, also, was früher unmöglich war, ich habe eine Menge von Möglichkeiten, um fremde Ausstellungen herzustellen."
Den Titel Europäische Kulturhauptstadt 2010 braucht Ilber Ortayli nicht. Er schüttelt empört den Kopf, angesichts der anrollenden Eventkultur, die Istanbul unweigerlich überschwemmen wird. Doch die damit verbundenen Gelder kann auch er gut gebrauchen.
"Inschallah, hoffentlich, das ist sehr schwer, die Sponsoren sind auch nicht so freigiebig. Mein Ministerium gibt nichts, das ist ein ganz armes Ministerium, zwei Promille im Budget, man muss betteln, dann kriegt man, nicht immer, aber meistens. Ja, ich bin ja Topkapi-Palast, da muss ich was haben."
2010 reicht das Geld auch für große Ausstellungsprojekte. Im Palast ist zurzeit eine Gemeinschaftsausstellung mit dem iranischen Nationalmuseum zu sehen. 2000 Jahre persisch-türkisches Erbe werden mit 300 Exponaten aus Istanbul und Teheran dokumentiert.
170 Millionen Euro werden für das Europäische Kulturhauptstadtjahr ausgegeben. Zwei Drittel davon fließen in die Sanierung historischer Gebäude. Mit dem Rest werden nicht weniger als 451 Projekte bezahlt, die möglichst viele Touristen in die Stadt locken sollen. Für die zeitgenössische Kunst seinen da nur Brosamen drin, klagt auch Beral Madra vom Künstlerzentrum Kadirga.
"Wir werden in 2010 drei oder vier große Ausstellungen in Istanbul haben, und in diesen Ausstellungen sind türkische und internationale Künstler anwesend. Zum Beispiel Antoni Muntadas' Workshop mit Studenten und Studentinnen. Und Antoni Muntadas hat seine Klassen vom MIT in Cambridge und der Venedig Akademie hierher eingeladen, und die haben hier gelebt und Werke produziert. Das heißt, wir eröffnen diese Ausstellung, die Aussagen 36 junger Menschen über Istanbul zeigen."
Antoni Muntadas ist nur ein Beispiel. Zehn Künstler werden gefördert. Sie sollen in die Stadtteile gehen, um dort ihre Kunst zu zeigen und darüber zu sprechen. Elfenbeintürme sind nicht vorgesehen, Istanbul hat Wichtigeres zu tun, denn für Beral Madra ist die zeitgenössische Kunst ein Synonym für Demokratie.
"Visual Art ist immer ein anderer Weg zur Demokratie, also solange diese visuelle Kunst frei ist und überall zu produzieren ist, müssen wir sagen, dass es in der Türkei eine richtige Demokratie gibt."
Im Stadtteil Yenikapi muss die Zukunft noch warten. Die Geschichte der Stadt ist dazwischen gekommen. Beim Bau eines Tunnels, der einmal Europa mit Asien verbinden soll, wurde 2004 in acht Meter Tiefe ein antiker Hafen freigelegt.
Ilber Ortayli: "Wegen Marmaray, dieser U-Bahn, hat man eine wunderbare Ausgrabung gemacht. Theodosius' Hafen und die Mauern von Konstantin. Wir haben im letzten Monat etwa 200 Schädel und so weiter gefunden. So lernt man also die Situation des römischen Volkes."
Mehr als 30 Schiffe wurden gefunden und freigelegt. Die Holzteile werden in Kisten verpackt und an anderer Stelle ins Wasser gelegt, um sie zu entsalzen und fachgerecht konservieren zu können.
Links Asien, mit der großen Brücke über den Bosporus, rechts Europa mit den drei großen Moscheen. Morgenland und Abendland. Der Blick vom Restaurant des Marmara Hotels am rastlosen Taksimplatz ist spektakulär und unglaublich schön. Zehn Millionen Besuchern will Istanbul 2010 sein Metropolenfeeling vermitteln. Ilber Ortayli waren drei Millionen Topkapi-Besucher schon im letzten Jahr zu viel.
"Eyeyeyey, letztes Jahr drei Millionen. Das ist zu viel. So viel brauchen wir nicht. Man braucht also nicht jede Yacht hier zu haben ... dann entschuldigen Sie mich."
Der Museumschef eilt zum persischen Kulturminister. Die Delegation aus Pécs muss deshalb warten. Die große Moschee in ihrer Heimatstadt ist zu einer katholischen Kirche geworden, nachdem die Türken 1683 vor Wien geschlagen wurden. In Istanbul ist gar nichts entschieden. Hier mischen sich die Religionen. Die Kulturhauptstädter aus Ungarn müssen warten. Manchmal ist die Metropole am Bosporus auch etwas ruppig und rücksichtslos.
Links:
Fluchtpunkt Türkei
Eine Lange Nacht über Asyl für Deutsche in der NS-Zeit *
Istanbul 2010