Tradition im Sport

Identitätsstifter oder Hemmschuh?

Damen beim Tennis-Training in den 1920er-Jahren in New Jersey USA
Damen beim Tennis-Training in den 1920er-Jahren © Imago / UIG
Von Thomas Jaedicke · 08.02.2015
Tradition hat einen hohen Stellenwert im Sport. Sie ist aufgeladen mit Vergangenheit. Und Vergangenes lässt sich leicht verklären und romantisieren - bei Tennis Borussia Berlin kann man davon ein langes Lied singen.
Zwei Mal spielten die Veilchen in der Bundesliga, das war in ihrer Blütezeit, den längst verblassten 70er-Jahren. Nach zahlreichen Abstürzen, hochfliegenden Champions-League-Ambitionen und zwei krachenden Insolvenzen kickt man inzwischen in der sechsten Liga, der sogenannten S-Bahn-Liga, vor 400 Fans. Mit so einer bewegten Geschichte muss TeBe doch ein Traditionsverein sein?
Johannes Blankenstein: "Natürlich ist es ein Verein, der eine lange Geschichte hat. Da gibt´s viel, was man aufarbeiten kann und mit dem man sich auch positiv identifizieren kann."
Johannes Blankenstein ist 25, studiert Sozialwissenschaften und geht noch nicht so lange zu TeBe. Trotzdem zählt er zu den aktiven Fans, die den Verein durch ihr Engagement aktiv gestalten wollen. Er arbeitet zum Beispiel gerade an einem Dokumentarfilm über das Vereinsleben, der aus Crowdfundingmitteln finanziert wird.
Johannes Blankenstein: "Aber, ich würde es niemals als Traditionsverein betiteln, weil es halt einfach das Problem hat, dass ich diesen Begriff reproduziere und anderen sage, dass es irgendwie einen Wert hat. Und das hat es für mich nicht."
Ein nichtjüdischer Fußballclub mit den meisten jüdischen Mitgliedern
Zur langen TeBe-Geschichte gehört auch, dass es in den 20er-Jahren der nichtjüdische Fußballclub in Deutschland mit den meisten jüdischen Mitgliedern war. Bis heute nehmen manche Borussen das positiv besetzte Image, traditionell immer schon ein judenfreundlicher Klub gewesen zu sein, gern für sich in Anspruch. Dabei schloss Tennis Borussia, noch bevor der Nazi-Erlass zur Arisierung des Sports im Januar 1933 wirksam wurde, seine jüdischen Mitglieder schon in vorauseilendem Gehorsam aus. Anspruch und Wirklichkeit stimmen nicht überein.
Johannes Blankenstein: "Es ist mega-, mega-, mega-mies, dass sie die Leute schon vorsorglich ausgeschlossen haben. Aber es macht heute die Situation nicht anders. Im Gegenteil: Man hat sogar die Chance, daran zu wachsen, indem man sich kritisch damit auseinandersetzt."
Nach TeBes sportlichem Absturz hat sich vieles geändert. Es gab eine Menge personelle und strukturelle Reformen. Die Fans haben jetzt mehr Einfluss. Johannes Blankenstein findet es richtig, dass sich inzwischen immer mehr Borussen mit der Vergangenheit des Vereins auseinandersetzen und zweifelhafte Traditionen hinterfragen.
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