Tournee

Tanzbare Musik ohne Sprachbarriere

Feiern gehen statt Familie gründen: Tragen wir zu wenig Verantwortung?
Die Balkan-Band Trovaci ist gerade auf Tournee und lädt zum Tanzen ein © dpa / picture alliance / Jens Kalaene
Danko Rabrenovic im Gespräch mit Mathias Mauersberger  · 13.03.2015
Der neue Musiktitel "Nix vorbei" der Band Trovaci widerlegt die gängige konservative These "Multikulti ist vorbei" auf satirische Weise. Und pünktlich zur aktuellen Tournee ist auch das Buch des Leadsängers Danko Rabrenovic erschienen.
"Ich lebe in einer bunten, multikulturellen Welt und begegne täglich Menschen aus allen möglichen Kulturen", sagte der Sänger der Düsseldorfer Band Trovaci, Danko Rabrenovic im Deutschlandradio Kultur. "Das, was unsere Bundeskanzlerin damals gesagt hat, klang für mich so, als hätten wir irgendeinen Termin verpasst, bis wann die Integration abgeschlossen werden sollte." Das sei aber nicht der Fall. "Integration ist eher ein Prozess oder ein Ideal und wir müssen alle täglich ein bisschen dazu beitragen, wenn wir uns diesem Ideal nähern wollen." Der in Belgrad geborene Musiker sieht sich selbst in Deutschland längst integriert. "Ich fühle keinen Alltagsrassismus", sagte er. Zwar sei es mit slawischen Akzent und ausländischem Familiennamen manchmal bei der Wohnungssuche nicht so einfach, aber das nehme er in Kauf.
Seine Balkan-Ska-Reggae-Band, die auf Deutsch, Serbisch und Kroatisch singt, ist derzeit auf Tournee und hat ein neues Album herausgebracht. Die vier Musiker bezeichnen sich als Ex-Jugos und behandeln in ihren Texten gerne mit Selbstironie zahlreiche Gastarbeiterklischees, den deutschen Alltag und Herzschmerz-Themen.
Gemischtes Publikum
Trovaci spiele in deutschen Clubs, wo Ska, Reggae und Rockmusik angesagt seien, sagte Rabrenovic. "Wir haben hauptsächlich ein sehr gemischtes Publikum." Die Sprache sei keine Barriere, da man die Musik und die Energie spüre, sagte Rabrenovic. "Die Musik ist tanzbar, das ist genauso, wie wenn man Lieder aus Spanien oder Italien oder Frankreich steht, obwohl man die Sprache auch nicht unbedingt versteht." Nach dem vierten Album und 300 Live-Auftritten hätten sich die Zuhörer an die Musik gewöhnt. Natürlich erreiche die Band auch den alternativen Teil des Publikums im früheren Jugoslawien: "Studenten, die auf Rock ´n´Roll stehen und nicht auf irgendwelche billige, kitschige Turbo-Folk-Musik", sagte der Sänger.
Von Biodeutschen und Turbo-Balkanesen
In seinem gerade erschienenen Buch "Herzlich willkommencic: Heimatgeschichten vom Balkanizer" berichtet Rabrenovic aus seinem Leben zwischen zwei Welten – Deutschland und dem Balkan.
Er erzählt von Biodeutschen und Turbo-Balkanesen und er erinnert sich an den Tag, als seine achtjährige Tochter keine Lust mehr darauf hatte, "die Deutsche" in der Familie zu sein und darum bat, ihr einen kroatischen Pass zu besorgen.
Integration als ewiger Prozess
Es falle ihm schwer zu sagen, was er selbst inzwischen von der deutschen Mentalität übernommen habe. "Das ist ein ewiger Prozess", sagte Rabrenovic, der sich anfangs vielen Kulturschocks ausgesetzt sah. "Ich habe zum Beispiel die Privatsphäre kennengelernt, etwas, was auf dem Balkan nicht existiert." Das finde er angenehm. "Da kommt ein Nachbar irgendwann an, klopft an die Tür und sagt, ich habe gerade mit meiner Frau gestritten und dann kommt er rein, trinkt Kaffee und guckt Fernsehen, egal, ob das gerade passt oder nicht", beschreibt der Musiker die balkanischen Verhältnisse. Andererseits könne man bei den gleichen Nachbarn nachts klingeln und nach etwas fragen. "Hier ist das eher anonymer", meinte der Musiker und Autor. Er kenne seine Nachbarn nur aus dem Treppenhaus. "Das sind schon zwei Welten, aber ich würde niemals sagen, dass die eine besser ist als die andere." Sie seien unterschiedlich und er fühle sich in beiden Welten inzwischen wohl und heimisch.
Danko Rabrenovic, "Herzlich willkommencic", Heimatgeschichten vom Balkanizer
Dumont Verlag, Berlin 2015, 14,95 Euro.
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