Tourismusforscherin über Pleite von Thomas Cook

"Der Markt wird sich massiv regulieren"

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Nach der Insolvenz des britischen Reiseveranstalters Thomas Cook prüft die Bundesregierung den Antrag der deutschen Tochter Condor auf einen Überbrückungskredit.
Die Insolvenz von Thomas Cook „ist katastrophal für die Hoteliers in den Zielgebieten“, sagt Ina zur Oven-Krockhaus. © imago / Arnulf Hettrich
Ina zur Oven-Krockhaus im Gespräch mit Julius Stucke · 23.09.2019
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Thomas Cook, einer der größten Reiseanbieter, ist insolvent. Wie kann das sein? Doch für Ina zur Oven-Krockhaus, Professorin für Tourismuswirtschaft, ist damit die Pauschalreise noch nicht tot. Dennoch werde es einen Wandel in der Branche geben.
Es verwundert auf den ersten Blick. Einerseits liegt ein Sommer hinter uns, in dem viel zu lesen und zu hören war über Städte, die unter Touristenmassen leiden, zum Beispiel durch pauschalen Kreuzfahrttourismus. Aber gleichzeitig ist der zweitgrößte Konzern der Tourismusbranche – der eben solche pauschalen Reisen organisiert und anbietet – pleite. Und Hunderttausende, die mit Thomas Cook auf Reisen sind oder los wollten, sitzen fest. Wie kann das sein? Und was bedeutet es für die Tourismus-Branche?
Die Insolvenz von Thomas Cook "ist katastrophal für die Hoteliers in den Zielgebieten", sagt Ina zur Oven-Krockhaus, Professorin für Tourismuswirtschaft in Berlin. So zahle der Reiseveranstalter erst zwei Monate, nach dem die Gäste wieder abgereist seien, und so werden Hoteliers und Zielgebiete große Probleme haben.

"Generalisten werden sich umstellen müssen"

Thomas Cook sei ein Generalist unter den Reiseveranstaltern gewesen, und die stehen wie TUI unter Druck, weil es viele Anbieter gebe – vor allem auch im Internet, sagt zur Oven-Krockhaus:
"Wenn man da nicht ein differenziertes Produkt hat, dann wird es tatsächlich in Zukunft schwierig. Gerade die Generalisten mit diesem breiten Produktangebot werden massiv auch ihr Geschäftsmodell überdenken und umstellen müssen."
Insgesamt gebe es in Deutschland 3000 Reiseveranstalter und die Insolvenz von Thomas Cook "ist ein trauriges Beispiel", aber es sei nicht symptomatisch für die Branche. Vielen kleinen Spezialisten und kleinen Anbietern würde es gut gehen und viele Reisebüros "machen einen tollen Job", so die Tourismusexpertin.


Sie glaubt nicht, dass die Pauschalreise, die Thomas Cook angeboten hat, "tot sei", sagt zur Oven-Krockhaus. Aber es gebe den Trend hin zu Individualisierung. Es könne durch die Digitalisierung heute jeder selbst einen Flug und ein Hotel buchen. Auch Schiffsreisen würden nach wie vor boomen, so zur Oven-Krockhaus. Allerdings hätte diese Reiseform als Nebeneffekt den "Overtourism".
Ein Kreuzfahrtschiff fährt am historischen Zentrum von Venedig vorbei. Venedig verbannt Kreuzfahrtschiffe aus der Altstadt. Blick vom Markusplatz auf den Canal Grande. 
Auswirkungen des "Overtourism" – Venedig will Kreuzfahrtschiffe aus der Altstadt verbannen.© imago images / Mike Schmidt
Außerdem hätten die Pleiten der Fluggesellschaften Air Berlin oder Germania gezeigt, dass "Reisen für drei Euro" nicht die Zukunft sein könne. "Da wird sich der Markt bestimmt massiv regulieren", glaubt zur Oven-Krockhaus.
(jde)
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