Tops und Flops

Von Bernd Sobolla · 26.12.2005
Das Jahr neigt sich dem Ende zu und wie überall, so zieht man auch in der Filmbranche ein Resümee. Viele Filmemacher sind durchaus zufrieden mit dem, was sie zu Werke gebracht haben. Aber die Kinobetreiber blicken mit Grauen zurück auf ein Jahr, das möglicherweise auch für die nahe Zukunft wenig Gutes verspricht.
In Hollywood wurden die Buchstaben auf den Kopf gestellt: Fast alle groß angekündigten Blockbuster blieben weit hinter den Erwartungen zurück: Dazu gehörte Steven Spielbergs "Krieg der Welten" ebenso wie "Königreich der Himmel" von Ridley Scott. "Alexander der Große" konnte zwar die Welt erobern, aber die Verfilmung von Oliver Stone ging an der Kinokasse unter. Martin Scorseses "Aviator" erlebte eine Bruchlandung. Und auch das Gebrüll von "King Kong" ist schon nach einer Woche deutlich leiser geworden. All diese Filme haben Budgets zwischen 100 und 207 Millionen Dollar und eine unendliche Aneinanderreihung von Spezialeffekten. Doch irgendwie – so scheint es – wollen viele Besucher einfach wieder Menschen sehen und nicht die Leistungsfähigkeit der neuesten Computer. So waren es die kleinen Geschichten, die positiv überraschten, z.B. "L.A. Crash" von Paul Haggis, der dem ganz alltäglichen Rassismus nachgeht.

"Ich bin Generalstaatsanwalt von Los Angeles, und wenn mein Wagen geklaut wird, macht das Schlagzeilen. Mussten die Jungs unbedingt schwarz sein? Egal wie wir die Sache drehen: entweder verlieren wir die Stimmen der Schwarzen oder die Stimmen der Konservativen. Wenn wir die Sache nicht vertuschen können, müssen wir an die Front gehen. Was wir brauchen ist ein Foto, von mir und einem Schwarzen, dem ich einen Orden verleihe. Bruce, der Feuerwehrmann, ihr wisst schon, der Mann, der die Camper in Northrich gerettet hat, wie hieß der? / Der ist Iraki."

Auch Hollywood-Legende Clint Eastwood erzählte sein Boxerdrama "Millionen Dollar Baby" auf ganz konventionelle Art und wurde mit dem Oscar belohnt. Der wunderbar verschrobene Bill Murray konnte fast wortlos in Jim Jarmuschs "Broken Flowers" überzeugen. Und die beiden Looser aus Alexander Paynes "Sideways" auf ihrer Tour durch die Weinfässer Kaliforniens, tranken sich in die Herzen der Zuschauer. Senkrechtstarter des Jahres aber war wohl der deutsche Regisseur Robert Schwentke. Sein Film "Flightplan" hat alles, was ein Psychothriller braucht: Ein perfektes Drehbuch, viele Überraschungsmomente und mit Jody Foster eine brillante Hauptdarstellerin.

"Haben sie ein kleines Mädchen gesehen? Ich suche meine Tochter. Sie ist sechs. Meine Tochter. Vielleicht haben sie sie gesehen, als ich sie an Bord getragen habe. .../ Es tut mir leid, aber ich glaube nicht, dass sie hier ist. / Was? / Auf unserer Liste gibt es keinen Hinweis, dass ihre Tochter je an Bord war. "

Damit konnte Robert Schwentke auch in Hollywood landen. Wo kurz zuvor sein Kollege Oliver Hirschbiegel selbstbewusst den King Kong mimte, weil sein "Untergang" mit einer Oscarnominierung aufgetaucht war.

Oliver Hirschbiegel: "Wir sind über Jahrzehnt in einen solchen Zustand der Amerikanisierung geraten, bei gleichzeitigem Negieren des Deutschseins. Wir sind jetzt … an einem Punkt, wo wir als Volk entscheiden müssen: Wer sind wir eigentlich? Was ist denn unsere Identität? Wofür stehen wir? Was sind auch die Dinge, auf die wir stolz sein können? Und da gibt es vieles. Wir sind ein großes Kulturvolk. "

Große Worte, nur wird der Vertreter des großen Kulturvolkes als nächstes weder die Loreley verfilmen noch Kants Kritik der reinen Vernunft, sondern ein Remake drehen des Horrorfilms "Die Invasion der Körperfresser".

Auch in Deutschland sorgten Filmemacher für Furore, die eigentlich niemand auf der Rechnung hatte. Dazu gehörte z.B. Dany Levy, der zuletzt mehrere Flops drehte. Levi besann sich auf seine Wurzeln und schickte in "Alles auf Zucker" zwei zerstrittene jüdische Brüder – ein Zocker aus dem Osten und einen orthodoxen aus dem Westen - in den Kampf ums Familienerbe. Und das Werk sahnte reichlich beim Deutschen Filmpreis ab.

"Und ich habe auch nicht in einer Wohnung gewohnt, die mir die Stasi vermietet. / Das ist doch eine infame Lüge. / Lüge? Ich habe hier das Haus gekauft und weiß von wem. / Wie bitte? Du warst das? Ich zahle dir Miete? … Was hast du denn dafür bezahlt? Eine Mark? / Aber mit der Miete hoch gehen, am liebsten monatlich. "

Zum Schauspielshooting Star wurde Julia Jentsch. Als Widerstandskämpferin Sophie Scholl eroberte sie im Disput mit den Despoten die Leinwand, wurde Beste Darstellerin der Berlinale, erhielt den Deutschen und den Europäischen Filmpreis.

"Ohne Gesetz keine Ordnung. / Das Gesetzt, auf das sie sich berufen hat vor der Machtergreifung 1933 noch das freie Wort geschützt. Und jetzt bestraft es unter Hitler das freie Wort mit dem Zuchthaus oder dem Tod. Was hat das mit Ordnung zu tun?"

Ordnung im Deutsche Film: das waren über eine Millionen Besucher für "Sophie Scholl", "Alles auf Zucker", "Barfuss", "Siegfried", "Die wilden Kerle 2", und "Der kleine Eisbär 2". Und Hermine Huntgeburth übersprang mit ihrer "Weissen Massai" sogar die Zwei-Millionen-Marke. Das ist ordentlich, kann die Hollywood-Flops aber nicht auffangen. Die Kinos klagen über Zuschauerschwund und probieren sich in Alternativen: In Lünen wird inzwischen keine Werbung mehr gezeigt, dafür aber eine Anti-Werbeabgabe von 50 Cent pro Karte erhoben. Das zieht mehr Zuschauer an. Und in diversen Kinos bieten Psychotherapeuten filmpsychologische Betrachtungen an. Da erfahren die Kinomacher endlich, warum ihre leeren Kassen zu Angstneurosen führen. Aber halt! Vor wenigen Wochen ist ja ein neuer Hoffnungsträger am Leinwandhorizont aufgetaucht: Kulturstaatsminister Bernd Neumann. Der soll jetzt Kinodeutschland retten. Dabei fühlte er sich schon vor seinem Amtsantritt wie Gary Cooper in "12 Uhr Mittags".

Bernd Neumann: "Wir sind da Einzelkämpfer. Das ist wahr. ... D.h. was die Lobby angeht: Der Film ein Segment im Rahmen eines Großen. Viele Strukturen, wo es um Macht und um Einfluss geht. Und leider, leider ist die Lobby da ziemlich gering. "