Kameramann Jürgen Jürges

Melancholie und Licht

06:17 Minuten
Wo Licht ist, ist auch Schatten: Szenenfoto aus "In weiter Ferne so nah" mit Heinz Rühmann und Natassja Kinski.
Wo Licht ist, ist auch Schatten: Szenenfoto aus "In weiter Ferne so nah" mit Heinz Rühmann und Natassja Kinski. © picture alliance / United Archives / Impress
Von Hartwig Tegeler · 25.06.2022
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Fassbinder, Ulrich Edel, Tankred Dorst, Roland Klick oder Wim Wenders: Jürgen Jürges, 1940 in Hannover geboren, zählt zu den Kameraleuten, die den deutschen Film von den 1970ern bis heute geprägt haben. Hier sind seine fünf besten Filme.
Bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises ist der Kameramann Jürgen Jürges in diesem Jahr mit dem Ehrenpreis ausgezeichnet worden. "Jürgen Jürges ist ein Meister des Lichts", so die Jurybegründung. "Durch seine unübertroffene Einfühlsamkeit für Figuren und Geschichten und sein einzigartiges Gespür für Stimmungen und Bilder hat er in über fünf Jahrzehnten den deutschen Film entscheidend geprägt."
70. Berlinale, Preisverleihung: Jürgen Jürges spricht auf der Pressekonferenz, nachdem er mit dem Silbernen Bären für die beste Kamera ausgezeichnet wurde.
Ehrenmann: Jürgen Jürges bei der Berlinale, nachdem er für die beste Kamera ausgezeichnet wurde.© picture alliance/dpa

Platz 5 – „Die Zärtlichkeit der Wölfe“ von Ulli Lommel (1973)

Fassbinder-Schauspieler Lommel vereint die Fassbinder-Stock-Company - inklusive Fassbinder in einer Nebenrolle - als eine Art Adaption von Murnaus „Nosferatu“ … Genau so wirkt der kahlköpfige Kurt Raab als Serienmörder Fritz Haarmann aus Hannover, der an die 40 Jungen ermordete. In diesem modernen Vampirfilm natürlich mittels Biss in die Halsschlagader. Ein Farbfilm, der wirkt, als seien ihm alle Farben entzogen, und die Haut der Protagonisten, alle sind lebende Tote, scheint wächsern. „Das Licht ist für mich beim Drehen das wichtigste Mittel, das ich zur Verfügung habe“, sagt Kameramann Jürgen Jürges. „Mit dem Licht kann ich vieles erzählen.“ Durch seine Arbeit werde die Atmosphäre eines Films stark geprägt, so Jürges. Fassbinder did know!

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Platz 4 – „Fontane Effie Briest“ von Rainer Werner Fassbinder (1974)

Effie – Hanna Schygulla –, ein Wesen voller Energie und Lebenskraft, bis sie Innstetten, den 20 Jahre älteren Baron, heiratet. Fassbinder erzählt von Effis Ersticken in der Enge der Institution Ehe. Eine Affäre besiegelt ihr Schicksal. Ausgestoßen vom Mann und ihrer Familie folgt der gesellschaftliche, dann physische Tod. Die Atmosphäre dieser Literaturverfilmung mit ihrem Vorleser im Off, den Weißblenden und Inserts wird durch die Kameraarbeit kongenial intensiviert mit dem Schwarzweiß der Bilder. Und dem engen 4:3-Bildformat, in dem Jürgen Jürges den Film drehte und so der Geschichte als Unterstrom ein Gefühl von Gefangensein und Beklemmung injizierte.

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Platz 3 – „In weiter Ferne, so nah“ von Wim Wenders (1993)

Engel Cassiel sitzt auf der Siegessäule im wiedervereinigten Berlin und philosophiert über die Menschen: „Heute werden den Menschen Tag für Tag neue Lügen verkündet, sodass sie abgestumpft sind. Und unsere Botschaft nicht mehr heraushören können.“ Dann verwandelt sich Cassiel in einen Menschen – „gefallener Engel“ –, weil er in den Ablauf der Dinge eingreift. Das elegisch-poetische Schwarzweiß wird zur Farbe. Keine Enge, sondern Weite, vielfältige Lebendigkeit, aber in allem schwebt in den Jürges-Bildern – wie im Vorgänger, Wenders „Der Himmel über Berlin“ – ein Ton von Melancholie über die Vergänglichkeit des Seins mit.

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Platz 2 – „Funny Games“ von Michael Haneke (1997)

Hanekes brutale Reflexion über Medien und Gewalt und unseren Genuss, die zu rezipieren – Peter und Paul überfallen, foltern und töten eine Familie in einem Haus am See –, diesem Film-Schock versieht Jürgen Jürges mit hinterhältigen Bilder. In Farbe zwar, aber mit einer unfassbaren Kälte. Wie das Produkt einer hochauflösenden Überwachungskamera. Zu seinen Lieblingsfilmen gefragt, sagte Jürges einmal, dass er es nicht bedauern würde, wenn es „Funny Games“ nicht mehr gäbe. Er habe viele Film gedreht, die er „gar nicht so toll" finde.

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Platz 1 – „Angst isst Seele auf“ von Shahbaz Noshir (2003)

Der schwarze Deutsche Mulu ist auf dem Weg ins Theater. Hauptrolle in „Angst essen Seele auf“ nach Fassbinder. Rechtsextreme greifen ihn im Bahnhof an. Polizei. Vernehmung durch einen Theater-affinen Beamten: „´Angst essen Seele auf´. Das müsste doch eigentlich heißen ´Angst isst Seele auf´. Oder? Als gebürtiger Deutscher muss man doch so was wissen.“ Rassismus in Deutschland, gezeigt in der radikalen Bildersprache dieses 13 Minuten langen Kurzfilms. Jürgen Jürges subjektive Kamera. Alles nur aus der Sicht von Pierre Sanoussi-Bliss alias Mulu. Manchmal sehen wir seine Hände. Vielleicht darf noch einmal wiederholt werden: Stark Atmosphäre bildend, sagt der „Director of Photography“ Jürgen Jürges über seine Arbeit mit Licht und Schatten. Gern als physikalischer wie metaphorischer Begriff zu verstehen.

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