Tony Hayward und die sieben Schwestern
Vor einiger Zeit habe ich Tony Hayward, den Chef von BP vor einem amerikanischen Senatsausschuss gesehen und mein Typ ist er ganz sicher nicht. Seine persönliche Schuld an der ökologischen Katastrophe im Golf von Mexiko hält sich aber trotzdem in Grenzen. Die Ursachen für die Sicherheitsmängel und Management-Fehler bei BP liegen tiefer und einige werden sogar übersehen.
Noch vor einem historischen Augenblick wurde die globale Ölindustrie von den berühmten anglo-amerikanischen "sieben Schwestern" beherrscht. Deren Größe nahm im Laufe des Konzentrationsprozesses in den 90er Jahren zu und ihre Anzahl ab, und so gibt es heute nur noch vier große Schwestern. Ursächlich war der wichtigste Grundsatz der modernen Management-Philosophie, nämlich "wachsen oder sterben".
Der Glaube, dass die Größe den direktesten, ja den einzigen Weg zum wirtschaftlichen Erfolg darstellt, hat schwerwiegende Folgen. Mit dem Ziel billiger, schneller und überall, das heißt mit weniger Personal einen steigenden Ertrag weltweit zu erwirtschaften, kommt es (nicht nur in der Ölindustrie) zur permanenten Ausdehnung von Unternehmensstrukturen bei ihrer gleichzeitigen Verdünnung. Fehlleistungen sind somit ab einer bestimmten Firmengröße nur eine Frage der Zeit. Nicht nur das Spitzenpersonal, sondern vor allem die Management-Prinzipien sollten daher kritisch beleuchtet werden.
Das Leben der vier westlichen Öl-Schwestern erschwert auch ihre illegitime Verwandtschaft wie die saudische Aramco, die russische Gazprom oder die chinesische CNPC. Warum illegitim? Diese Halb-Schwestern sind mehr oder weniger direkt staatlich gelenkte Monopolunternehmen, die zwar in der Marktwirtschaft agieren, deren Regeln aber nur solange einhalten, solange es ihnen passt. Sie wissen die politischen Machthaber ihres Landes hinter sich und müssen nur eine einzige Vorgabe erfüllen: für ihre Regierungen den maximalen wirtschaftlichen und machtpolitischen Ertrag bringen. Alles andere ist zweitrangig.
Mitte Juli explodierte in der nordchinesischen Hafenstadt Dalian ein Sammelbehälter der Firma CNPC. 90 000 Tausend Tonnen Öl, mindestens so viel wie nach dem Untergang des Tankers Exxon Valdez 1989, haben Strände und Gewässer schwer verschmutzt. Die CNPC konnte sich aber darauf verlassen, dass die chinesischen Medien den Unfall diskret behandeln, die ausländische Berichterstattung behindert wird, die Regierung nur eine milde Strafe verhängt und die Klagen von Bürgern auf Schadenersatz unterdrückt werden.
In den Chefetagen der westlichen Multis sitzen wahrlich keine Chorknaben. Ihr Spielraum ist aber dadurch deutlich eingeschränkt, dass sie im Rahmen von demokratischen Marktwirtschaften operieren und strengeren Kontrollen unterworfen sind. Das entschuldigt die BP nicht, verdeutlicht aber eine meistens übersehene Tatsache: In der globalisierten Weltwirtschaft findet eine Neuauflage des Systemwettbewerbs zwischen undemokratischen und demokratischen Marktwirtschaften statt; in keiner Branche ist dies deutlicher sichtbar als in der Öl- und Gasindustrie.
Der Westen erreichte vor 20 Jahren nur einen halben Sieg im Systemwettbewerb. "Globalisiert" hat sich lediglich die westliche Marktwirtschaft, nicht aber die demokratischen politischen Werte wie Menschenrechte, geheime Wahlen und Pressefreiheit. Es ist paradox und logisch zugleich, dass die marktwirtschaftlichen Konzepte in den autoritären Staaten gerade deshalb eine sehr hohe Effizienz entfalten, weil ihre Umsetzung nicht durch demokratische Freiheiten "gestört" wird. Die autoritären Regierungssysteme ergänzen sich ideal mit der kompromisslosen Logik der Gewinnmaximierung.
Tony Hayward tritt zurück und übernimmt damit, wie es den westlichen Gepflogenheiten entspricht, die Verantwortung. Das ist in Ordnung, sollte aber nicht den Blick dafür verdecken, dass der Staatskapitalismus in Ländern wie China, Russland oder Venezuela eine unmittelbare existentielle Gefährdung der westlichen Werte und der westlichen Lebensweise darstellt.
Dr. habil. Peter Robejšek, Strategieberater und Dozent, geb. 1948, studierte in Prag und Hamburg Soziologie und Volkswirtschaft. Er beschäftigt sich mit fächerübergreifenden Analysen und Prognosen wirtschaftlicher sowie politischer Entwicklungen. Bücher: "Abschied von der Utopie" 1989, "Plädoyer für eine ‚sanfte’ NATO-Osterweiterung" 1999. Zahlreiche Zeitungs- und Zeitschriftenveröffentlichungen zu wirtschaftlichen, politischen und sicherheitspolitischen Fragen.
Der Glaube, dass die Größe den direktesten, ja den einzigen Weg zum wirtschaftlichen Erfolg darstellt, hat schwerwiegende Folgen. Mit dem Ziel billiger, schneller und überall, das heißt mit weniger Personal einen steigenden Ertrag weltweit zu erwirtschaften, kommt es (nicht nur in der Ölindustrie) zur permanenten Ausdehnung von Unternehmensstrukturen bei ihrer gleichzeitigen Verdünnung. Fehlleistungen sind somit ab einer bestimmten Firmengröße nur eine Frage der Zeit. Nicht nur das Spitzenpersonal, sondern vor allem die Management-Prinzipien sollten daher kritisch beleuchtet werden.
Das Leben der vier westlichen Öl-Schwestern erschwert auch ihre illegitime Verwandtschaft wie die saudische Aramco, die russische Gazprom oder die chinesische CNPC. Warum illegitim? Diese Halb-Schwestern sind mehr oder weniger direkt staatlich gelenkte Monopolunternehmen, die zwar in der Marktwirtschaft agieren, deren Regeln aber nur solange einhalten, solange es ihnen passt. Sie wissen die politischen Machthaber ihres Landes hinter sich und müssen nur eine einzige Vorgabe erfüllen: für ihre Regierungen den maximalen wirtschaftlichen und machtpolitischen Ertrag bringen. Alles andere ist zweitrangig.
Mitte Juli explodierte in der nordchinesischen Hafenstadt Dalian ein Sammelbehälter der Firma CNPC. 90 000 Tausend Tonnen Öl, mindestens so viel wie nach dem Untergang des Tankers Exxon Valdez 1989, haben Strände und Gewässer schwer verschmutzt. Die CNPC konnte sich aber darauf verlassen, dass die chinesischen Medien den Unfall diskret behandeln, die ausländische Berichterstattung behindert wird, die Regierung nur eine milde Strafe verhängt und die Klagen von Bürgern auf Schadenersatz unterdrückt werden.
In den Chefetagen der westlichen Multis sitzen wahrlich keine Chorknaben. Ihr Spielraum ist aber dadurch deutlich eingeschränkt, dass sie im Rahmen von demokratischen Marktwirtschaften operieren und strengeren Kontrollen unterworfen sind. Das entschuldigt die BP nicht, verdeutlicht aber eine meistens übersehene Tatsache: In der globalisierten Weltwirtschaft findet eine Neuauflage des Systemwettbewerbs zwischen undemokratischen und demokratischen Marktwirtschaften statt; in keiner Branche ist dies deutlicher sichtbar als in der Öl- und Gasindustrie.
Der Westen erreichte vor 20 Jahren nur einen halben Sieg im Systemwettbewerb. "Globalisiert" hat sich lediglich die westliche Marktwirtschaft, nicht aber die demokratischen politischen Werte wie Menschenrechte, geheime Wahlen und Pressefreiheit. Es ist paradox und logisch zugleich, dass die marktwirtschaftlichen Konzepte in den autoritären Staaten gerade deshalb eine sehr hohe Effizienz entfalten, weil ihre Umsetzung nicht durch demokratische Freiheiten "gestört" wird. Die autoritären Regierungssysteme ergänzen sich ideal mit der kompromisslosen Logik der Gewinnmaximierung.
Tony Hayward tritt zurück und übernimmt damit, wie es den westlichen Gepflogenheiten entspricht, die Verantwortung. Das ist in Ordnung, sollte aber nicht den Blick dafür verdecken, dass der Staatskapitalismus in Ländern wie China, Russland oder Venezuela eine unmittelbare existentielle Gefährdung der westlichen Werte und der westlichen Lebensweise darstellt.
Dr. habil. Peter Robejšek, Strategieberater und Dozent, geb. 1948, studierte in Prag und Hamburg Soziologie und Volkswirtschaft. Er beschäftigt sich mit fächerübergreifenden Analysen und Prognosen wirtschaftlicher sowie politischer Entwicklungen. Bücher: "Abschied von der Utopie" 1989, "Plädoyer für eine ‚sanfte’ NATO-Osterweiterung" 1999. Zahlreiche Zeitungs- und Zeitschriftenveröffentlichungen zu wirtschaftlichen, politischen und sicherheitspolitischen Fragen.