Tonkünstler und Gebrauchskomponist

Von Jürgen Stratmann · 05.09.2005
Manuel Rösler komponiert seit seinem 13. Lebensjahr Musik. Neben Kirchenmusik, Opern und Chorälen schreibt er besonders gerne für Hörspiele und Filme. Doch das, so Rösler, ist in Deutschland ein besonders schwieriges Kapitel.
"Wir hören das Solo-Horn, Da hab ich mir die Aufgabe gestellt, etwas zu schreiben, was typisch amerikanisch klingt, am besten wie eine typische Star-Trek-Musik - es fängt direkt an mit Harmonien, die an Aron Copeland und Samuel Barber erinnern, ...

Ein Grund, warum ich so leidenschaftlich gerne Filmmusik schreibe, ist, dass der kleine Junge in mir seinen Spieltrieb befriedigen kann - ein paar Fanfaren-Akkorde, und wir sehen im Prinzip schon die Enterprise aus dem Trockendock kommen."

Seit seinem 13. Lebensjahr schreibt Manuel Rösler Kirchenmusik, Opern, Choräle, Orchesterwerke jeder Art. Im schwarzen Anzug, genialisch verstrubbelten Haaren und barocker Statur verkörpert er - auf den ersten Blick - den Typus des passioniert-kauzigen Domorganisten.
Doch seine Leidenschaft gilt einem, wie er beklagt, hierzulande wenig geachteten Handwerk:

" ... Filmmusik in Deutschland is ´n schwieriges Kapitel.
Wenn ich es ganz überspitzt formulieren möchte, würde ich sagen, es gibt keine deutsche Filmmusik.
Beim Fernsehen ist es beispielsweise so: Ein Fernsehtatort hat einen Musiketat von 5 bis 6000 Euro – davon muss der Komponist leben, davon muss er das Studio bezahlen und davon muss er noch einen Live-Musiker einspielen, das heißt wir reden da nicht von Orchesteretats..."

Die Erkenntnis, dass das zu ändern seine Aufgabe sei, verdankt er einem kosmischen Boten, der Anfang der 80er in den Kinos auftauchte:

" Mit zehn Jahren, da lief in den deutschen Kinos E.T., von Steven Spielberg mit der wunderbaren Musik von John Williams, und spätestens beim Abspann war mir klar, das will ich machen, ich will Filmkomponist werden.

Die Voraussetzungen dafür waren optimal...

" Ich hatte Unterricht auf der elektronischen Heimorgel."

Dann schnell das erste Engagement.

" … mit 13 war ich Organist an der katholischen Krankenhauskapelle St. Elisabeth in Jülich. Mit 16 oder 17 habe ich angefangen, in einem Jugendchor zu singen und in diesem Jugendchor sang auch ein Roadie der Band von RTL – Samstagnacht, der schleppte mich eines Tages mit in das Studio, das für die Musik zuständig war. Eines Tages meinte dann der Studio-Boss zu mir: Ja wenn du eine Idee hast, wie wir ´s machen können, dann schlag auch was vor."

Erste Miniaturübungen für die spätere Aufgabe, ein musikalisches Thema in Rekordzeit passgenau auf bestimmte Szenen zu schreiben.

"Irgendwelche Comedians, meistens Wigald Boning oder Tommy Krappweis, kamen in die Studios und hatten wieder irgendeinen zweiminütigen Sketch produziert, und der musste vertont werden.
Die kamen dann rein und meinten: ich bestell schon mal Pizza, und ihr macht das dann schnell - pack´ mers ein, gleich zum Mitnehmen..., "

Die Aufgabe: Slapstickatmo."

Nach einigen prestigeträchtigen Großprojekten, wie etwa den sinfonischen Variationen über die Vereinshymne von Schalke 04 für die Neue Philharmonie Westfalen, wandte er sich wieder seiner eigentlichen Mission zu: Filmmusik – Phase 1: Hörspiel-Soundtracks!

"Wir sind Drei-Fragezeichenfans gewesen, und war´n aber etwas enttäuscht von der Qualität der neuen Folgen, die war´n uns zu flach, zu wenig cool..."

Und musikalisch alles andere als überzeugend. Also produziert Rösler, zusammen mit dem Rockmusikproduzenten Volker Sassenberg, eine eigene Geschichte: Die Serie "Point Widmark" handelt von drei jungen Radiojournalisten, die bei ihrer Recherche immer wieder in gefährliche Kriminalfälle verwickelt werden...

"Wir wollten eben nicht irgendwelche billige Plastiksounds, sondern wir wollten ´n richtiges Orchester, wir wollten Hollywoodsound haben, und da ha´m wir uns gedacht: okay, wo sind die Orchester am billigsten, das war 1999 in Minsk, dann bin ich für vier Tage nach Minsk geflogen und habe dort für vier Tage den Soundtrack für "Point Widmark" aufgenommen..."

... und die großen Verlage legten nach.

"Auf einmal musste man sich dafür entschuldigen, dass man kein Orchester hatte, wo´s vorher ´ne Hammondorgel getan hat."

Aber der Prophet gilt im eigenen Lande, der Komponist im kommerziellen Hörspielgeschäft nicht viel – so sind diese Musiker, wenn sie überhaupt im Booklet erwähnt werden, nur wenigen Interessierten bekannt. Und das, obwohl sie gelegentlich komplette Rollen und Charaktere gestalten müssen. Beispiel: die Mumie in "Das Amulett der Mumie":

" Wir haben da ein Problem, dass die Mumie, die Pharaonin Tyra, praktisch überhaupt nicht auftaucht! – die is nur tot und liegt ´rum. Das heißt, diese Figur braucht ein ganz starkes Thema, damit sie musikalisch immer präsent ist."

Ende des Jahres erscheint der Film "Rolltreppe abwärts" – der Soundtrack stammt aus der Feder Manuel Röslers. Nebenbei schreibt er gerade an der Kinderoper "Alice im Wunderland" und an der Polit-Oper "Gorbatschow". Hörspiele vertont er sowieso. Ob Hörspiel, Film oder Oper...

" …das is im Prizip alles Musiktheater - Filmmusik hat bei mir opernhafte Elemente, aber warum nicht auch mal ´ne Oper schreiben, die wirklich auch Filmmusik-Elemente hat? - Irgendwann möchte ich eine Schwarz-Weiß-Oper schreiben..."

Was immer das sein mag. Machen wir's, wie in der Filmmusik...

"... letzte Pause, ein Seufzer, - und wir lassen diese Akkorde einfach so unaufgelöst stehen..."