Tonhalle Orchester Zürich in Locarno

Müller-Schott und Urbański bei Musikwochen Ascona

Der Cellist Daniel Müller-Schott
Der Cellist Daniel Müller-Schott © Uwe Arens/Musikfestspiele MV
17.10.2018
Sehr traditionell und ziemlich deutsch war das Programm, das das Zürcher Tonhalle Orchester mit dem polnischen Dirigenten Krzysztof Urbański beim Auftakt der Settimane musicale Ascona präsentierte. Daniel Müller-Schott spielte Schumanns Cellokonzert.
Das altehrwürdige Tonhalle Orchester Zürich (im laufenden Kalenderjahr feiert es sein 150-jähriges Bestehen) eröffnete die 73. Ausgabe der Musikwochen von Ascona im italienischsprachigen Teil der Schweiz. Spielort war die Franziskuskirche in Locarno, der Kongress- und Kulturstadt am Ufer des Lago Maggiore. Künstlerischer Leiter der Musikwochen ist der aus dem Tessin stammende Pianist Francesco Piemontesi. Er hat "das Genie Bach" in den Mittelpunkt des Programms gerückt.
Das Tonhalle-Orchester Zürich
Das Tonhalle-Orchester Zürich© Paolo Dutto

Kein breiter Pinsel

Das "Ricercar aus dem Musikalischen Opfer" Johann Sebastian Bachs in der Version von Anton Webern dürfte die beliebteste Orchesterbearbeitung eines Bach-Werkes sein. Denn sie verbindet die Klanglichkeit moderner Instrumente mit der Transparenz und schlanken Eleganz der Prinzipien der Zweiten Wiener Schule. Hier wird nichts verdoppelt und verstärkt, nicht mit breitem Pinsel gemalt, sondern jeder Motivkern und jede Nebenstimme erhalten ihr eigenes Gewicht.

Zerbrechliches Cellokonzert

Prominent besetzt war in diesem Eröffnungskonzert auch die Rolle des Solisten - Daniel Müller-Schott spielte das Cellokonzert von Robert Schumann, eines der schönsten und zerbrechlichsten der Gattung. Dass Schumann, der Romantiker par excellence, ein würdiger Erbe oder Nachfolger Bachs ist, steht außer Frage, auch wenn es manch eine/n Musikfreund/In überraschen dürfte, dass die scheinbar willkürliche und individualistische Musikepoche etwas mit dem streng durchorganisierten Kosmos des Thomaskantors zu tun hat.

Meilenstein mit Stempel

Ein sinfonischer Meilenstein ist auch Johannes Brahms' zweite Sinfonie, ein optimistisches und schwungvolles Werk. Allerdings kann diese Charakterisierung nur diejenigen überraschen, die den Wahlwiener Spätromantiker für einen an Selbstzweifeln leidenden Griesgram halten. Dass er so alt werden musste, um Sinfonien zu schreiben, hatte nur etwas mit seiner Liebe zum Vorbild Beethoven zu tun, nicht mit seiner Unsicherheit oder gar mangelnden Schaffenskraft. Ein immer noch junger und energiesprühender Dirigent wie Krzysztof Urbański kann diesem Werk seinen eigenen zeitgemäßen Stempel aufdrücken, egal ob es nun um das Genie Bach oder das Genie Beethoven geht.
Settimane musicali Ascona
Kirche San Francesco, Locarno
Aufzeichnung vom 6. September 2018
Johann Sebastian Bach / Anton Webern
Ricercare aus dem "Musikalischen Opfer"
Robert Schumann
Konzert für Violoncello und Orchester a-Moll op. 129
Johannes Brahms
Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 73

Daniel Müller-Schott, Violoncello
Tonhalle Orchester Zürich
Leitung: Krzysztof Urbański