Tom Franklin: "Krumme Type, Krumme Type"

Zwei Außenseiter am Mississippi

Cover von Tom Franklins Krimi "Krumme Type, krumme Type", im Hintergrund ist eine verfallene Garage mit einem alten Auto zu sehen.
Tom Franklins "Krumme Type, krumme Type", von Nikolaus Stingl genial übersetzt, ist ein trauriges, großes Buch, findet unser Kritiker. © Pulp Master/ Ren Wang / Unsplash
Von Tobias Gohlis · 31.08.2018
Nach einem Anschlag liegt der Mechaniker Larry Ott im Koma. Die Polizei verdächtigt den Außenseiter, eine 17-Jährige ermordet zu haben. Nur der schwarze Dorfpolizist Silas Jones kämpft gegen die Vorurteile an. Ein großes Buch, findet unser Kritiker.
Als der 41-jährige, alleinstehende Mechaniker Larry Ott eines Abends nach Hause kommt, steht ihm in seinem Wohnzimmer ein Mann mit einer Zombiemaske gegenüber. Der Zombie hat eine Waffe, brüllt: "Du weißt, was du getan hast. Krepier!" Und schießt. Larry hat nichts dagegen.
Mit dieser Szene eröffnet Tom Franklin seinen Roman "Krumme Type, krumme Type", eines der herausragenden Bücher dieses Jahres. Larry Ott hat den Anschlag überlebt und liegt im Koma. Für die Polizei von Gerald County, Mississippi, ist alles klar: Wenn er aufwacht, wird er gestehen. Weil Larry vor 25 Jahren ein junges Mädchen entführt und umgebracht hat, muss er auch jetzt, im Jahr 2007, der Täter sein.
Diesmal ist es die siebzehnjährige Tochter des alles beherrschenden Sägewerksbesitzers, die ermordet wurde. Dabei gab es damals nicht einen Beweis und jetzt auch nur den Verdacht. Nur Silas Jones, der schwarze Dorfpolizist, zweifelt an Larrys Schuld. Auch, weil er manches besser weiß: Vor vielen Jahren war er einen Sommer lang Larrys Spielkamerad.

Trostloses Panorama von Angst, Armut und Rassismus

Larry und Silas sind beide krumme Typen, Außenseiter, innerlich deformiert, aufgezogen in der Welt, die mit vier krummen Buchstaben, mit vier S, buchstabiert wird: Mississippi. Den weißen Säufern und Machos, die hier den Ton angeben, sind sie so was von fremd: Larry ist pummelig und interessiert sich nur für Bücher, Silas ist schwarz. Silas lebt mit seiner Mutter auf dem Besitz von Larrys Vater. Die Jungs haben mehr miteinander gemeinsam, als sie wissen.
Kunstvoll zwischen damals und heute springend, rollt Tom Franklin ihre Geschichte auf: ein trostloses Panorama von Angst, Armut und Rassismus. Schweigen liegt wie eine finstere Wolke über den Beziehungen der Menschen. Als Wahrheit zählt nur, was mit dem Vorurteil übereinstimmt. Der skurrile Weiße, "Scary Larry" geschimpft, kann behaupten, was er will. Niemand glaubt ihm.

Ein Schwarzer bringt die Mauer der Vorurteile zum Bröckeln

Erst, als Silas sich traut, den Tatsachen ins Auge zu sehen und sie auch auszusprechen, bröckelt die Mauer der Vorverurteilungen. Bezeichnenderweise ist es ein Schwarzer und kein Weißer, der sich und das Schweigen überwindet und Licht ins Dunkel bringt. Ein sehr kleines Licht nur, einen winzigen Hoffnungsschimmer.
Tom Franklins "Krumme Type, krumme Type", von Nikolaus Stingl genial übersetzt, ist ein trauriges, großes Buch. In den USA wurde der Roman mit wichtigen Preisen ausgezeichnet, in Baden-Württemberg gehört er im Fach Englisch zum Abiturstoff. Völlig zu Recht steht er auf Platz 1 der Krimibestenliste im September.

Tom Franklin: "Krumme Type, krumme Type"
Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl
Pulpmaster, Berlin 2018
416 Seiten, 15,80 Euro

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