Tönende Meere
Seit zwei Wochen findet im Berliner Haus der Kulturen der Welt das Festival "Wassermusik" statt. Dabei werden verschiedene Musikstile vorgestellt, die mit dem Meer und dem Wasser zu tun haben. In der ersten Woche ging es dabei um die sogenannte Surfmusik, in der zweiten folgten Seefahrerlieder und die dritte Woche widmet sich der Tiki-Musik, jener Sound aus Hawai, der inzwischen zur Hintergrundmusik jeder guten Cocktail-Bar gehört.
Gestern Abend in Berlin auf der Terrasse vom Haus der Kulturen der Welt - altmodischere Menschen kennen das auch noch als Kongresshalle: Auf einer mit Stroh überdachten Bühne am Spreeufer hocken zwanzig in weiße Gewänder gekleidete Männer mit Turbanen und Tüchern - dunkel bis sehr dunkelhäutig - und klatschen in merkwürdigen Rhythmen in die Hände, ein paar hauen auf dicke Trommelfelle, andere klöppeln auf Tonkrüge, und in diesem Halbkreis tanzen zwei Männer herum und singen und rufen: Und was sie da erzählen, versteht kein Mensch von diesen fünfzig, sechzig Zuschauern, auf die milder Regen gelegentlich tröpfelt.
Dafür gab's heute Nachmittag noch mal Gelegenheit - am Familiensonntag mit Erklärung: Firkat El Bahrain, Perlenfischer aus Bahrain sind das. Früher hatten diese Sänger-Trommler-Händeklatscher auf den Booten zu hocken, und wenn die Taucher wieder nach oben kamen, mussten sie ihren hypnotischen Groove anstimmen, um die armen Seelen bei Laune zu halten. Seit in Bahrain aber die Strände zugeschüttet werden und Dubai-mäßig mit Hochhäusern bepflanzt, gibt es dort keine Fischer mehr, und der Perlenfischerchor ist eine folkloristische Unternehmung geworden, damit sie irgendwo draußen jetzt ihr Geld verdienen können. Immerhin verbreitet sie dabei enorm gute Laune!
In der ersten Wassermusik-Festivalwoche - jeweils donnerstags bis sonntags geht das ja - war, grob gesprochen, Rock' n 'Roll angesagt: Surfermusik - kurz: Surf genannt - und ihre Derivate. Das waren kalifornische Originalmusiker aus den Sechzigern, die Surfaris, die sogar die gestandenen Berliner Rockabilly-Fans aus den Strandlatschen hauten - oder den Stiefeln wohl eher - und Klezmersurf stand auf dem Programm, kroatischer Experimentalsurf und - na ja, was man eben so aufbieten kann in einer Woche an exotischen Stilistiken: aber rundum interessant, bisweilen berauschend gut!
In der zweiten Woche waren dann Seefahrerlieder annonciert. Da stand zum Beispiel eine überaus bezaubernde Meereselfe aus Argentinien namens Juana Molina auf der Bühne, tanzte und sang und trat mit ihren zierlichen Füßen diverse Effektpedale am Boden und schraubte mit ihren zierlichen Fingern an elektronischen Geräten rum, bis sie mit sich selbst im Unterwasser-Geisterchor und seltsam rhythmischem Geblubber aus den Boxen kam: Und man konnte hören und sehen, dass Wasserfrauen nicht immer böse und unfreundlich sein müssen. Auch sang der Freizeitchor vom Haus der Kulturen der Welt - hier singt der Chef selbst! - und ein nachdenklicher Brasilianer mit Geschichten vom Meer, dazu gab es ein paar sehr originell ausgesuchte und zumeist unbekannte Filme, Lesungen und Vorträge - alles im eher kleinen Kreis.
Es ist ein Problem der hiesigen Veranstalter südländischer Kultur, dass man dabei meistens friert, aber vielleicht nicht in der kommenden Woche, denn Tiki erwärmt gewöhnlich wenigstens das Herz: üppige Hibiskusblüten, Orchideen und Gardenien, großflächige Blütenmeere, Hawaiihemden und riesige hölzerne Kopfmasken, die an die Osterinseln erinnern, dazu mild rauschendes Meer vor Palmenstränden mit Bikinimädchen...
Seit den Dreißigern führt der Hang zu diesem Tiki-Exotismus zu einer höchst eskapistischen Cocktailbarkultur: Die Gastronomiekette "Trader's Vic" existiert heute noch! Den eigentlichen Durchbruch schaffte diese Kitsch- und Sehnsuchtmode allerdings, als nach dem Zweiten Weltkrieg die amerikanischen GIs von ihren Pazifikeinsätzen nach Haus kamen: wo dann plötzlich Musicals, Romane, Platten Tiki verbreiteten wie der Wellenschaum des Ozeans, fruchtig verzierte Cocktails und diffuses Fernweh, Hulamädchen und holzgeschnitzte Göttermasken und polynesischer Nippes.
Elvis Presley sprang auch auf diese Pop-Modewelle und spielte in "Blues Hawaii" einen Inselführer-in-Love. Natürlich läuft dieser Film auch bei der "Wassermusik" - ebenso wie der legendäre beinahe-Skandal-Film von Murnau, "Tabu" von 1931.
Die Tiki-Musik kann man übrigens auf ziemlich jede Weise spielen - ob im japanischen Duo mit einer männlichen Ukulele und einer weiblichen Stimme oder als italienische Tiki-Rock' n 'Rollband wie "I Belli Di Waikiki", als eher jazzige Variante wie "Waitiki" oder - wie "Don Tiki" aus den USA mit ganzem Orchester plus Tänzerinnen und Feuer als pompöse Exotik-Inszenierung.
Das Hauptproblem dieses Festivals dürfte bislang sein, dass dieser Ort, Haus der Kulturen der Welt, erst wieder eingeführt werden muss nach all dem Hin und Her der letzten Jahre: neue Konzepte, schnell verworfen, Umbaupausen, und zuletzt wusste niemand mehr: Läuft da nun Ethnologie oder Multikulti? Hochkultur oder exotischer Trash? Aber das dürfte sich geben, wenn die Wassermusik im nächsten Jahr in die zweite Runde geht. Der Spaß und die Neugier, die vor allem die meist überraschenden Konzerte in diesem Jahr bereits geliefert haben, dürfte die Mundpropagandamaschine in Bewegung setzen - mit Sicherheit nach der rappelvoll gepackten bunten Obstschüssel mit Südseefrüchten in der kommenden Woche!
Haus der Kulturen der Welt: Wassermusik
Dafür gab's heute Nachmittag noch mal Gelegenheit - am Familiensonntag mit Erklärung: Firkat El Bahrain, Perlenfischer aus Bahrain sind das. Früher hatten diese Sänger-Trommler-Händeklatscher auf den Booten zu hocken, und wenn die Taucher wieder nach oben kamen, mussten sie ihren hypnotischen Groove anstimmen, um die armen Seelen bei Laune zu halten. Seit in Bahrain aber die Strände zugeschüttet werden und Dubai-mäßig mit Hochhäusern bepflanzt, gibt es dort keine Fischer mehr, und der Perlenfischerchor ist eine folkloristische Unternehmung geworden, damit sie irgendwo draußen jetzt ihr Geld verdienen können. Immerhin verbreitet sie dabei enorm gute Laune!
In der ersten Wassermusik-Festivalwoche - jeweils donnerstags bis sonntags geht das ja - war, grob gesprochen, Rock' n 'Roll angesagt: Surfermusik - kurz: Surf genannt - und ihre Derivate. Das waren kalifornische Originalmusiker aus den Sechzigern, die Surfaris, die sogar die gestandenen Berliner Rockabilly-Fans aus den Strandlatschen hauten - oder den Stiefeln wohl eher - und Klezmersurf stand auf dem Programm, kroatischer Experimentalsurf und - na ja, was man eben so aufbieten kann in einer Woche an exotischen Stilistiken: aber rundum interessant, bisweilen berauschend gut!
In der zweiten Woche waren dann Seefahrerlieder annonciert. Da stand zum Beispiel eine überaus bezaubernde Meereselfe aus Argentinien namens Juana Molina auf der Bühne, tanzte und sang und trat mit ihren zierlichen Füßen diverse Effektpedale am Boden und schraubte mit ihren zierlichen Fingern an elektronischen Geräten rum, bis sie mit sich selbst im Unterwasser-Geisterchor und seltsam rhythmischem Geblubber aus den Boxen kam: Und man konnte hören und sehen, dass Wasserfrauen nicht immer böse und unfreundlich sein müssen. Auch sang der Freizeitchor vom Haus der Kulturen der Welt - hier singt der Chef selbst! - und ein nachdenklicher Brasilianer mit Geschichten vom Meer, dazu gab es ein paar sehr originell ausgesuchte und zumeist unbekannte Filme, Lesungen und Vorträge - alles im eher kleinen Kreis.
Es ist ein Problem der hiesigen Veranstalter südländischer Kultur, dass man dabei meistens friert, aber vielleicht nicht in der kommenden Woche, denn Tiki erwärmt gewöhnlich wenigstens das Herz: üppige Hibiskusblüten, Orchideen und Gardenien, großflächige Blütenmeere, Hawaiihemden und riesige hölzerne Kopfmasken, die an die Osterinseln erinnern, dazu mild rauschendes Meer vor Palmenstränden mit Bikinimädchen...
Seit den Dreißigern führt der Hang zu diesem Tiki-Exotismus zu einer höchst eskapistischen Cocktailbarkultur: Die Gastronomiekette "Trader's Vic" existiert heute noch! Den eigentlichen Durchbruch schaffte diese Kitsch- und Sehnsuchtmode allerdings, als nach dem Zweiten Weltkrieg die amerikanischen GIs von ihren Pazifikeinsätzen nach Haus kamen: wo dann plötzlich Musicals, Romane, Platten Tiki verbreiteten wie der Wellenschaum des Ozeans, fruchtig verzierte Cocktails und diffuses Fernweh, Hulamädchen und holzgeschnitzte Göttermasken und polynesischer Nippes.
Elvis Presley sprang auch auf diese Pop-Modewelle und spielte in "Blues Hawaii" einen Inselführer-in-Love. Natürlich läuft dieser Film auch bei der "Wassermusik" - ebenso wie der legendäre beinahe-Skandal-Film von Murnau, "Tabu" von 1931.
Die Tiki-Musik kann man übrigens auf ziemlich jede Weise spielen - ob im japanischen Duo mit einer männlichen Ukulele und einer weiblichen Stimme oder als italienische Tiki-Rock' n 'Rollband wie "I Belli Di Waikiki", als eher jazzige Variante wie "Waitiki" oder - wie "Don Tiki" aus den USA mit ganzem Orchester plus Tänzerinnen und Feuer als pompöse Exotik-Inszenierung.
Das Hauptproblem dieses Festivals dürfte bislang sein, dass dieser Ort, Haus der Kulturen der Welt, erst wieder eingeführt werden muss nach all dem Hin und Her der letzten Jahre: neue Konzepte, schnell verworfen, Umbaupausen, und zuletzt wusste niemand mehr: Läuft da nun Ethnologie oder Multikulti? Hochkultur oder exotischer Trash? Aber das dürfte sich geben, wenn die Wassermusik im nächsten Jahr in die zweite Runde geht. Der Spaß und die Neugier, die vor allem die meist überraschenden Konzerte in diesem Jahr bereits geliefert haben, dürfte die Mundpropagandamaschine in Bewegung setzen - mit Sicherheit nach der rappelvoll gepackten bunten Obstschüssel mit Südseefrüchten in der kommenden Woche!
Haus der Kulturen der Welt: Wassermusik