Tod auf der Weide

Rezensiert von Kolja Mensing · 17.08.2005
Katzenkrimis gibt es inzwischen massenhaft. Doch jetzt legt die deutsche Autorin Leonie Swann den ersten Schafskrimi vor. Der ist zwar nicht sonderlich spannend, dafür um so lustiger und äußerst anspielungsreich. So belesene Schafe wie diese hier hat man noch nie gesehen.
Katzenkrimis erfreuen sich immer noch erstaunlich großer Beliebtheit. Rita Mae Brown hat mittlerweile zwölf Romane rund um die getigerte Mrs. Murphy verfasst, Carol Nelson Douglas und Lilian Jackson Brown liefern Jahr für Jahr neue Abenteuer mit ihren Helden Midnight Louis und Koko, und auch Akif Pirincci, der Ende der Achtzigerjahre mit dem ersten deutschen Katzenkrimi "Felidae" und seinem Kater Francis bekannt wurde, schreibt immer wieder neue Fortsetzungen.

Angesichts dieses Überangebots an "samtpfötigen Detektiven" verspricht "Glennkill", das Debüt der deutschen Schriftstellerin Leonie Swann, nun eine gewisse Abwechslung. Es handelt sich dabei laut Untertitel nämlich um einen "Schafskrimi" und der Ort des Verbrechens ist eine Weide am Rand eines irischen Dorfs. Eines Morgens liegt dort der Schäfer George tot im Gras. Seine Leiche ist grausam zugerichtet, und der Täter, da sind sich seine Schutzbefohlenen vollkommen sicher, kann natürlich nur ein Wolf gewesen sein!

Erst als Miss Maple – "das klügste Schaf von Glennkill" – dem Rest der Herde überzeugend darlegen kann, dass selbst äußerst raffinierte Wölfe ihren Opfern keinen Spaten durch den Leib jagen, gelangen die verstörten Nutztiere zu der Überzeugung, dass vielleicht doch eher ein Mensch für das grausame Verbrechen verantwortlich ist. "Ich denke, wir sollten herausfinden, was das für ein Mensch war", sagt Miss Maple. "Das sind wir dem alten George schuldig."

Nun sind Schafe – im Gegensatz zu Katzen – bekanntlich nicht mit besonderer Intelligenz ausgestattet. Sie gelten eher als "faul und behäbig, feige und furchtsam, gedankenlos und einfältig", wie sich die paarhufigen Ermittler in einer dunklen Stunde beschämt eingestehen müssen.

Die Schafe von Glennkill haben jedoch das Glück, dass George ihnen an langen Winterabenden nicht nur zahlreiche Liebesromane, sondern auch einen Kriminalroman vorgelesen hat. Sie kennen sich im Gefühlsleben der Menschen also ganz passabel aus. "Es ist doch ganz einfach", blökt Heide bei einer morgendlichen Einsatzbesprechung im Stall: "Eifersucht und Tod."

Durch geduldiges Wiederkäuen können die vorlaute Heide, der gefräßige Mopple the Whale und die anderen Schafe unter der Führung von Miss Maple zuletzt tatsächlich das Geflecht von Habgier und Neid entwirren, das über der verschworenen Dorfgemeinschaft liegt.

So richtig spannend ist das eigentlich nicht, eher lustig, und am meisten Spaß machen die wilden literarischen Anspielungen, die Leonie Swann kreuz und quer über den Text verteilt hat. Ihr Pseudonym hat die junge deutsche Autorin Marcel Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" entnommen, ihre Heldin Miss Maple hat ihren Namen natürlich nicht allein ihrer Liebe zum Ahornsirup zu verdanken, sondern auch dem Gedenken an die große Miss Marple.

Und der schwarze Widder Othello (sic!) weist darauf hin, dass nicht nur ein Mensch, sondern auch "ein sehr großer Affe" ein Gewaltverbrechen begehen könne. Hier darf man an den Orang-Utan in Edgar Allan Poes berühmter Erzählung vom "Mord in der Rue Morgue" denken – und sich wundern: Derart belesene Schafe gab es noch nie!

Leonie Swann: Glennkill. Ein Schafskrimi.
Goldmann, München 2005, 380 S., 19,90 Euro