Titanic versus Bild

"Das halte ich für hochfahrlässigen Journalismus"

"Bild"-Titel vom 16.02.2018
"Bild" enthüllte eine angebliche "neue Schmutz-Kampagne bei der SPD" - und fiel in Wirklichkeit auf Fake der "Titanic" rein © Deutschlandfunk
Volker Lilienthal im Gespräch mit Julius Stucke und Nicole Dittmer · 22.02.2018
Die "Bild"-Zeitung ist einem Fake des Satiremagazins "Titanic" aufgesessen. Die "Bild"-Redakteure hätten nicht sauber gearbeitet, sagt der Medienwissenschaftler Volker Lilienthal. Es dränge sich die Vermutung auf, die Zeitung fahre eine Kampagne gegen die SPD.
Juso-Chef Kevin Kühnert habe mit Hilfe eines russischen Internet-Trolls eine Anti-GroKo-Schmutzkampagne aufziehen wollen, berichtete gestern die "Bild"-Zeitung auf Seite 1. Das Satiremagazin "Titanic" gab darauf bekannt, ihr Redakteur Moritz Hürtgen habe selber die E-Mails geschrieben, die die "Bild"-Zeitung als Beleg für die angebliche Schmutzkampagne zitiert.

Quelle wurde nicht geprüft

Die "Bild"-Zeitung habe nicht sauber gearbeitet, sagt der Medienwissenschaftler und Journalist Volker Lilienthal.
"Sie hatten Mailkontakt und haben sich mit dem angeblichen Informanten getroffen, also alles gute Gelegenheiten, die Quelle zu prüfen, das angeblich belastende Material zu verifizieren, aber das gelang nicht. Und da es nicht gelang, hätten sie davon Abstand nehmen müssen, aber sie haben es dennoch groß auf Seite 1 gebracht."
Er halte es für eine fahrlässige blattmacherische Entscheidung, "so ein wackeliges Thema auf Seite 1 zu nehmen", sagt Lilienthal weiter.

Kampagne der "Bild" gegen die SPD?

Da die "Bild"-Zeitung in den letzten zwei Wochen in Bezug auf den SPD-Mitgliederentscheid zum Teil seltsame Methoden bei der Berichterstattung anwendete – zum Beispiel einen Hund als Mitglied bei der SPD anmeldete – dränge sich die Vermutung auf, "dass da eine Kampagne angelegt ist, ob die verfängt, lässt sich wissenschaftlich schwer sagen."
Die Widerlegung der Berichterstattung komme hingegen nicht bei allen Lesern an, so dass ein schlechter Eindruck von der SPD bei vielen haften bleibe.
Der "Titanic"-Fake sei eine Art Experiment, eine Testanordnung, um zu schauen, "wird bei 'Bild' ordentlich recherchiert? Oder gibt es bei 'Bild' eine starke Versuchung, einem Thema doch nachzugeben, wenn es ins politische Konzept passt und hier die SPD mit ihrem Mitgliederentscheid lächerlich zu machen. Mir scheint letzteres der Fall", sagt Lilienthal.
(abu)
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