Tipps wie von einem guten Freund

Von Michael Rohm · 24.09.2013
Touristen informieren sich über Kulturangebote und Einkaufsmöglichkeiten oft in Städteführern, im Internet oder auch beim Hotelportier. Mit dem digitalen Concierge - einem für Smartphones entwickeltem Computerprogramm - soll der Kurztrip noch schneller und individueller geplant werden können.
Über 120 Jahre alt sind die backsteinernen Gebäude des sogenannten Wasserschlosses am Schlesischen Tor in Berlin-Kreuzberg. An der Mündung des Landwehrkanals in die Spree, deshalb der Name, steht das vierstöckige Gebäude symbolisch für das alte und das neue Berlin. Wo früher Wäschereibetriebe dampften, brüten heute "Techies" vor Bildschirmen und arbeiten fieberhaft an der zündenden Idee.

Hinter einer schweren Eisentür im zweiten Stock des Treppenhauses von Aufgang E begrüßt ein großer goldener Hirsch die Besucher. Neben Dutzenden Kreativen der Werbeagentur sitzen in einem durch brusthohe Regale abgegrenzten Bereich fünf junge Menschen, die an dem Startup Concierge George arbeiten.

Weston Hankins: "Wir bestehen aus Leuten aus Deutschland, ich bin aus Mexico, es gibt einen aus Paraguay, unser Entwicklungsteam: zwei kommen aus Russland, wir haben ein Mädchen aus Bulgarien, die schreibt."

Weston Hankins blickt von seinem Rechner auf die Spree. Der 30-Jährige zählte zum Gründungsteam der Internetplattform Couchsurfing. Acht Jahre reiste er für dieses Startup in mehr als 50 Länder. Nach seinem Ausstieg bei Couchsurfing machte er sich mit dem Betriebswirt Karsten Nölling vor einem Jahr auf die Suche nach einer Anwendung, mit der Touristen bei einem kurzen Stadtbesuch optimale Angebote erhalten.

Nölling: "Die Idee ist, den Leuten die Stadt zu zeigen auf 'ne Art, wie es ansonsten schwer möglich ist, sie kennenzulernen. Also Tipps wirklich, wie sie ein guter Freund einem gibt, um die Stadt zu sehen. Und zwar nicht nur für ein Thema, sondern 'ne Mischung für den Tag."

Das Besondere an dem digitalen Concierge ist das personalisierte User-Profil. Nach der Beantwortung von drei bis zehn Fragen erhält der Anwender ein auf ihn zugeschnittenes Angebot mit zahlreichen Vorschlägen für Aktivitäten beim Stadtbesuch. Hauptschwierigkeit bei der Realisierung von George war der Algorithmus, der dem User-Profil zugrunde liegt. Mit der Lösung dieses Problems war Weston Hankins befasst:

Hankins: "Was wir machen mit dem Algorithmus ist, ...etwas ähnliches wie Pandora macht an ihre Musik. Für die verschiedenen Veranstaltungen und Orte, die es in der Stadt gibt. Das heißt, wir klassifizieren sie, mit ganz vielen, über 100 verschiedene Parametern, für wen oder in welcher Stimmung sie gefallen können oder nicht gefallen können. Die Klassifikation ist zum Teil automatisch, zum Teil auch bei Hand gemacht."

Ein Teil der Fragen an die Touristen bietet drei Antwort-Optionen: sehr, mittel, oder wenig. Beispielsweise ob sie kunstinteressiert sind, shoppen gehen möchten oder Interesse an touristischen Zielen haben. Dann wird noch gefragt, ob man bestimmte Vorlieben beim Essen hat, von vegetarisch bis exotisch, ob man auch sportliche Aktivitäten ausüben möchte, ob man alleine reist, als Paar, oder mit Kindern. Minimum drei Fragen müssen beantwortet werden. Dann öffnen sich binnen kurzer Zeit auf dem Tablet Tafeln mit Vorschlägen für den einzelnen Tag, jeweils sechs mit etwa zehn Alternativen, vom Frühstück bis zum Nachtleben. Ein Hotel in Berlin verwendet George bereits.

Wie häufig bei Startups, musste das Team seine Vorstellungen an die Erfordernisse des Markts anpassen.

Auf die Bedürfnisse der Hotels ausgerichtet
Karsten Nölling: "Zum einen sind wir ja ursprünglich gestartet mit der Idee, dass es für jeden Nutzer sein soll, egal ob der in einem Hotel ist oder nicht zu beantworten. Und haben dann aber gemerkt, dass es wirklich schwierig ist, damit Geld zu verdienen. Und daraufhin gesagt, wir richten das wirklich auf die Hotels aus, auf die Bedürfnisse der Hotels, und haben ihm dann auch den Namen George Concierge gegeben. .... Wir haben einfach was gelernt, was wir am Anfang nicht wussten und darauf haben wir reagiert."

Das muss man auch, sonst ist das Startup schnell Vergangenheit. Berlin gilt als El Dorado der Startup-Szene. Immer mehr junge Kreative, Entwickler, Betriebswirtschaftler und Marketing-Strategen sind auf der Suche nach profitablen Produkten für den digitalen Supermarkt. Wie finanziert man sich in diesem Umfeld?

Nölling: "Es ist wie viele typische Startups, dass wir eine Finanzierung bekommen haben und jemand überzeugen konnten, der an uns als Team und die Idee auch glaubt und uns für die Startphase mit Kapital versorgt hat und damit eben jetzt das ganze Geschäftsmodell aufbauen können, George aufbauen, in die nächsten Städte rein gehen können und dann später auch genau profitabel sein können. Es ist so, das es eine kleine Einmalgebühr gibt, damit George von uns auf das Hotel angepasst wird, das ist dann das Branding vom Hotel, das heißt, es sieht so aus, als käme George vom Hotel. Und dann ist es einfach eine geringe monatliche Gebühr."

Ohne Risiko ist die Idee allerdings nicht. Denn George funktioniert nur, wenn sich die Anwendung in vielen Städten verkauft. Deshalb soll der digitale Concierge möglichst bald in Hamburg, Köln und München eingeführt werden. Danach wird es ins Ausland gehen. Und ein ergänzendes Produkt ist auch in der Entwicklung.

Nölling: "Es gibt heute schon die Möglichkeit, dass die Gäste sich George aufs Telefon ziehen."

Eine App ist ebenfalls in Arbeit, sagt Karsten Nölling und blickt hoffnungsvoll vom Wasserschloss auf die Spree. Ob "George" für das Startup zum Traumschloss wird, das hängt allerdings nicht nur von seinem Team ab.