Tipps gegen schleimige Gartenräuber

Wer Salat pflanzt, lockt die Schnecke

An einem Salatkopf in einem Garten sitzen viele Nacktschnecken, die feuchte Witterung lockt wieder viele Schnecken hervor.
Wenn ein Trupp hungriger Schnecken ein Salatbeet erobert hat, dann hat der Hobbygärtner keine Chance mehr. © picture alliance / ZB / Waltraud Grubitzsch
Stefan Kühne im Gespräch mit Julius Stucke · 07.07.2018
Tagetes, Dahlien, Blattsalat: Für Nacktschnecken sind Hobbygärten oft ein kulinarisches Paradies. Wer die schleimigen Viecher loswerden möchte, sollte ihnen nicht die Lieblingsspeisen vorsetzen, sagt der Biologe Stefan Kühne.
Julius Stucke: Schnecken. Wenn ich als Nichtgärtner vor oder in der Erntezeit mit Gärtnern spreche, dann ist es schon manchmal verblüffend, da so eine fast schon Kriegsrhetorik zu hören von Menschen, die man ansonsten als besonnen oder friedliebend kennt – wegen eben der Schnecken, denen nun endlich der Garaus gemacht werden sollte, die man zur Hölle schicken will, die man mit aller Kraft aus dem letzten Winkel des geliebten Gartens vertreiben möchte, und zwar am liebsten in Einzelteilen. Man habe jetzt die ultimative Waffe gegen diese Plage, auch das höre ich manchmal. Aber ist es das denn, eine Plage, oder ist die Schnecke nicht wie andere Tiere, die man so lieb hat wie Bienen zum Beispiel, irgendwie auch ein Teil unserer Natur und Artenvielfalt? Differenziert betrachten können wir das mit Stefan Kühne, Biologe am Julius Kühn-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen. Herzlich willkommen hier im "Studio 9"!
Stefan Kühne: Ja, schönen guten Morgen!
Stucke: Fehlt der Schnecke einfach die Lobby?
Kühne: Ja, kann man schon so sagen. Also, wir haben ja doch viele Arten, ungefähr 300 Arten kommen in Deutschland vor und nur ein ganz geringer Teil ist eigentlich von Problem. Also maximal fünf Arten erregen also die Gemüter, und die meisten gehören da zu den sogenannten Nacktschnecken, also kleine, schleimige Gesellen, die uns also mit einer Schleimspur auf dem Salatblatt eben keine Freude machen.
Stucke: Jetzt bei der Nacktschnecke, wenn man da Hobbygärtner hört, hat man das Gefühl, die vermehre sich quasi beim Zusehen und bedecke bald den halben Erdball. Ist das denn so, gibt es von diesen Nacktschnecken, die quasi dem Gärtner der Graus sind, heute mehr?

Wenn es feucht wird, kommen sie aus dem Versteck

Kühne: Mehr, würde ich sagen, gibt es nicht. Es ist so, dass der Kleingärtner ganz genau schaut und eigentlich nichts unversucht lässt, diese armen Tiere um die Ecke zu bringen. Es gibt furchtbare Methoden, vom Einsalzen bis Zerschneiden oder die Herstellung von sogenannten Schneckenbrühen, die man dann also wieder auf die Beete kippt. Das sind alles Dinge, die also nicht so optimal sind, würde ich sagen, im Verhältnis zwischen Mensch und Schnecke.
Und oft ist es ja eine selbst gemachte Sache. Wenn wir viele Schnecken im Garten haben, muss man sich einfach fragen: Warum habe ich das? Und da sind wir ganz schnell bei der Biologie der Tiere. Gerade die Nacktschnecken haben ja kein Gehäuse, in das sie sich zurückziehen, das heißt, sie sind also sehr trockenheitsempfindlich und sie ziehen sich also in den Tagesstunden zurück, gehen also in Hecken oder in den Randbereich, verstecken sich am Tage, und dann in der Dämmerung, wenn es feucht wird oder Sie vielleicht auch gießen, dann kommen sie aus ihren Verstecken raus und machen sich also über die Gemüsepflanzen her, was natürlich keine Freude ist für den Gärtner.
Stucke: Gibt es denn auf der anderen Seite auch was, was die Schnecken quasi an Funktion erfüllen?
Kühne: Ja, natürlich. Die Funktion der Schnecken ist vielseitig, es gibt ja auch bei den Schnecken räuberische Arten, es gibt welche, die also totes Material fressen, sie bereiten praktisch auch Pflanzen auf und zersetzen sie. Aber sie dienen selber natürlich auch als Nahrung für viele andere Organismen. Also zum Beispiel Singdrosseln, die fressen gerne auch Schnecken, oder der Igel, die Eidechsen, die Blindschleiche. Sie spielen also in dem Nahrungsgefüge eine wichtige Rolle.

Schnecken mögen weder Rucola noch Tomaten

Stucke: Sie haben es gesagt, der Umgang von Mensch und Schnecke ist nicht immer ganz schön mitzuerleben. Für alle, die sich fragen, was kann ich denn jenseits von Zerschneiden oder Vergiften tun … Eine Kollegin meinte gestern, wie wär's mit zum Nachbarn rüberwerfen …? Gibt es irgendwie eine quasi friedliche Variante, da diesem Problem, was es eben für Gärtner ja dann doch ist, Herr zu werden?
Kühne: Die Variante mit dem Nachbarn, den man nicht mag, ist schon eine Variante, aber früher oder später, wenn die Bedingungen im eigenen Garten gut sind, dann kommen sie auch wieder zu einem zurück. Also man kann eine ganze Menge machen, zum Beispiel wenn man Salatpflanzen hat, dann ist das eigentlich schon vorprogrammiert, dass die Schnecke kommt. Man kann also Pflanzen auswählen im Garten, die nicht so attraktiv sind für Schnecken, da gibt es also auch Gemüsepflanzen, zum Beispiel Rucola, mit dem Senfölglykosiden, die werden nicht so gerne gemocht von den Schnecken, aber auch Tomaten zum Beispiel mögen Schnecken nicht, oder viele Zierpflanzen auch. Aber wenn man nun Tagetes oder Dahlien hat, dann sind es wieder diese Pflanzen, die eben von den Schnecken auch bevorzugt werden.
Also man muss sich als erstes fragen, wie sieht denn eigentlich mein Garten aus, ist der schneckenfreundlich und kann ich da vielleicht was machen? Man muss zum Beispiel nicht abends gießen, sondern die optimale Zeit zum Gießen ist vormittags oder am frühen Morgen, das fördert die Schnecken nicht. So eine trockene Witterung, wie wir sie jetzt haben im nördlichen Teil von Deutschland, ist also auch nicht fördernd für die Schnecken. Allgemein sollte eigentlich, wenn man jetzt nicht regelmäßig gießt im Garten, hier im Norden von Deutschland das Schneckenproblem nicht da sein. Im Süden kann es schon wieder anders aussehen, da haben wir ja doch regelmäßig Regenfälle, und das ist dann da eher ein Problem.
Eine Nacktschnecke hinterlässt eine Schleimspur.
Eine Nacktschnecke hinterlässt eine Schleimspur.© Deutschlandradio / Frank Grotelüschen
Stucke: Haben wir dann da auch so was, was es bei anderen Tierarten immer als Thema in den letzten Jahren gab, dass da Arten quasi von Schnecken rüberwandern, mit denen man dann wieder anders umgehen muss?
Kühne: Wie, rüberwandern?
Stucke: Dass quasi Schnecken, die es bisher nicht gab, sozusagen sich auch hier breitmachen und anders verbreiten?

Schnecken kann man differenziert betrachten

Kühne: Ja, da haben wir ein Beispiel, das ist die Spanische Wegschnecke. Sie ist bis zehn Zentimeter lang, orangefarben, die gibt es aber auch in gelblicheren oder braunen Tönen. Das ist eigentlich jetzt die Schnecke, die sich am häufigsten bei uns ausgebreitet hat. Sie kommt besser mit trockenen Bedingungen klar und das ist also ein Grund, warum wir sie auch verstärkt in den letzten Jahren hier haben. Und die hat sich also von Südeuropa in unsere Region überallhin ausgebreitet, das ist eigentlich so der Hauptschädling, den wir haben im Haus- und Kleingarten.
Im Ackerbau, also in der Landwirtschaft haben wir es mit anderen Arten eigentlich zu tun, das sind die Ackerschnecken, die auch in feuchten Jahren zum Beispiel die Rapsernte durchaus gefährden können, wenn wir also ausgesät haben und die jungen Pflänzchen das Licht der Welt erblicken, dann stürzen sich diese Ackerschnecken darauf.
Stucke: Ernten halt auch gerne.
Kühne: Ja, aber eben auch nur in den Gebieten, wo es eben sehr feucht ist.
Stucke: Also, Schnecken vielleicht einfach ein bisschen differenzierter betrachten. Das war Stefan Kühne, Pflanzenschutzexperte und Schneckenliebhaber, wenn man so will. Danke Ihnen für das Gespräch!
Kühne: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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