Auf dem Bauhaus Campus Berlin wird bis März 2018 studiert, gebaut und über neue Formen des Miteinanders nachgedacht.
Mut zum Wolkenkuckucksheim
Wie wenig Quadratmeter reichen für ein gutes Wohnen? Die Tiny Houses machen es vor. Die winzigen Häuser sind ein Projekt des Bauhaus Archivs in Berlin. Den Initiatoren geht es dabei auch um die Utopie eines Miteinanders - zum Beispiel mit einer neuen Währung.
"Der Fußboden klappt hoch und wird ein Tisch. Dann gibt es eine Badewanne darunter – Raumgefühl wie in einem japanischen Restaurant! Wir haben eine Küche, wir haben eine Dusche, eine Toilette – und das Ganze auf insgesamt 13 Quadratmetern."
Das Ganze – der mit Holz behaglich und wetterfest ausgekleidete Wohnraum – findet Platz in einem ausrangierten Futtersilo, umgebaut von Jan Körbes. Recycling-Architekt der Gruppe mit dem programmatischen Namen "refunc", auf Deutsch: umfunktionieren.
Müll als "Wertstoff"
"Das fängt an mit: Autoreifen werden Stühle. Das geht über in: Fischkisten werden Blumentöpfe. Das geht endlos weiter mit dieser refunc-Methode, die jeder Farmer auf dem Land beherrscht. Oder auch nach dem Krieg, in schlechten Zeiten, was die alles gemacht haben, weil es zu wenig gab. Und ich finde, jeder sollte zu Hause ein bisschen experimentieren mit dem, was er nicht mehr will."
Also nicht gleich alles wegwerfen, sondern Müll als "Wertstoff" schätzen und als Baumaterial wieder zu gebrauchen lernen. Damit könnte dann das "Betongold", die Immobilie, im Kurs sinken. Und Van Bo Le-Mentzel, Initiator der Tiny Houses mit wenig mehr als zehn Quadratmeter Grundfläche, hätte ein Ziel erreicht:
"Wir haben uns daran gewöhnt, dass wir alles im Leben in Euro bemessen. Wenn es um Zuhause geht, haben wir uns daran gewöhnt, dass man das in Quadratmeter misst. Ich bin der Meinung, wir brauchen den Mut dazu, Glück, Zuhause, Heimat über andere Dinge zu definieren als nur über diese harten Kennziffern wie Quadratmeter oder Euro."
Mut zum Wolkenkuckucksheim also? Auch das ist längst realisiert: die pneumatische Raumskulptur von Gorenflos Architekten wird einfach aufgeblasen und geht – schnell zusammengefaltet – mit auf Reisen. Im Prototyp wohnt seit heute Joachim Klöckner, digitaler Nomade – und kein Freund von Einkaufs-Erlebnissen. Denn:
"Die meisten Menschen wissen doch schon, wenn sie es bezahlen: Da stimmt was nicht. Und wenn sie es auspacken, da kommt der Frust. Klar, ich kaufe auch, logisch. Aber das ist ein längerer Entscheidungsprozess, dann freue ich mich, dann packe ich es aus. Also, es ist eine andere Qualität darin."
Neue Währung "Circles"
Um diese "sozial-ökonomischen" Dimensionen geht es bei dem Tiny-House-Projekt. Denn wie am Bauhaus in den zwanziger Jahren ist auch jetzt eine gänzlich andere, womöglich revolutionäre Bau- und Wohnkultur das Ziel. Und dafür braucht es mehr als nur Gebäude:
Van Bo Le-Mentzel: "Mit den Circles – das ist eine soziale Währung, die wir hier einführen wollen – versuchen wir darauf hinzuweisen, dass es vieles gibt, was sich einfach nicht bemessen lässt. Im Moment kann man dafür ja nichts kaufen. Wir im Campus fangen jetzt an, dass wir Kaffee, Muffins – auch Wohnraum fangen wir an zu vermieten. Das funktioniert natürlich nur, wenn sich Leute einbringen und Dinge auch in Circles anbieten."
Die Internet-Währung Bitcoin verbunden mit einem Grundeinkommen für alle tiny-house-Bewohner – das ist die kleine Utopie. Wenn sie gelingt, hätten die Circles eine nachhaltige Wirkung.
"Das ist ja bisher die Logik der Wirtschaft, dass man nur Dinge tut, wenn man dafür auch Euros bekommt. Das wird mit Circles nicht mehr funktionieren, man muss sich ernsthaft fragen, warum mache ich das jetzt alles?"
Da bringt Van Bo Le-Mentzel seine Sache auf den Punkt: Schluss mit überkommenen Gewohnheiten, jeden Schritt neu überdenken. Vom alltäglichen Einkauf bis hin zur Stadtplanung – alles in Frage stellen:
"Die Studenten kommen nicht unter, die Flüchtlinge kommen nicht unter. Dabei haben wir doch viel Raum. Nur, wie nutzt man den öffentlichen Raum?"
Quirliges Leben zwischen den Minihäusern
Mit Tiny Houses. So klein und auf Rädern, dass sie weder unter die Bauordnungen fallen noch Grund und Boden, also Eigentumsfragen berühren. Urbane Außenseiter.
"Was es bisher gab, Einfamilienhaus, Mehrfamilienhaus, Bürogebäude. Ein Tiny House, praktisch ein Holzhaus auf Rädern, ist eine komplett neue Gattung. Wichtig ist herauszufinden, was kann diese Gattung? Was kann diese Gattung bieten und was kann sie leisten?"
Mit Blick auf das quirlige Leben zwischen einem Dutzend ganz unterschiedlicher Tiny Houses darf man vermuten: Weder architektonisch aufregende Landmarken noch spießig-solide Eigenheim-Immobilien, sondern eine Art sozialer Avantgarde. Denn Van Bo Le-Mentzel betont:
"Dass wir versuchen, Gemeinschaften zu produzieren, gute Nachbarschaften zu bauen. Und da schließt es sich einfach aus, dass man ein Eigenheim macht nur für sich selbst. Sondern es gibt immer auch ein Angebot an die Öffentlichkeit, sei es eine offene Bibliothek oder in allen unseren Tiny Houses gibt es immer Schlafplatz für einen Menschen in Not. Weil wir daran glauben, dass der Artikel 14 unseres Grundgesetzes wirklich Sinn macht."
Und damit stehen die Tiny Houses dann doch auf festem Boden – des Grundgesetzes: Artikel 14, Absatz 2: Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Ganz gleich, ob auf Euro- oder Circle-Basis.