Tinnitus-Erfahrungen eines Betroffenen

Geräusche, die weh tun

Ein Kopfhörer für digitale Musik hängt in Köln in einem Geschäft auf einer Figur.
Krach, den sonst keiner hört - das ist das Schicksal von Tinnitus-Patienten. © picture alliance / dpa / Oliver Berg
Zusammengefasst von Calla Wilhelm · 12.11.2015
Mediziner sprechen von Tinnitus, wenn ein Patient unter Geräuschen leidet, die nur er hören kann. Millionen von Menschen sind davon betroffen. Wir haben ausführlich mit einem Betroffenen gesprochen und haben seine Erfahrungen zusammengefasst.
Am schlimmsten ist es bei Stille. Allein in einem ruhigen Raum. Oder draußen im schweigsamen Wald, dann rauscht es in mir. Vor allem aber abends, im Bett, kurz vor dem Einschlafen. Die Augen sind schon geschlossen, dann geht mein Tinnitus zum Angriff über, nervt mich, raubt mir den Schlaf. Aufmerksamkeit, die ich ihm schenke, gefällt ihm besonders gut. Die Töne werden noch lauter beim Hineinhorchen. 8000 Hertz, 65 Dezibel, das sind die Eckdaten für den Sound, den kein anderer hören kann. Nur ich selbst. Es klingt ein bisschen wie der Bohrer beim Zahnarzt: Extrem hoch, eindringlich, bisweilen aggressiv. Das Ganze garniert mit einem kraftvollen Rauschen, so, als ob der Mediziner vor der Kulisse eines gigantischen Wasserfalls unablässig bohren würde. Ganz nah, mit 65 Dezibel. Das entspricht der Lautstärke eines vorbeifahrenden Autos.
Seit zehn Jahren rauscht und fiept es in meinen Ohren. Der Tinnitus begleitet mich auf Schritt und Tritt. Ich höre die Geräusche auch beim Autofahren, im Kaufhaus, überall, es gibt kein Entkommen. Stress, Ärger, Hektik – in solchen Momenten drehen die Nerven richtig auf. Die inneren Geräusche werden intensiver, manchmal aber nur auf dem einen, mal auf dem anderen Ohr. Ein zweiter Ton, tiefer, ohne Rauschen, gesellt sich dazu. Manche Menschen, heißt es, sind deswegen schon vom Dach gesprungen, weil sie das alles nicht mehr ertragen konnten. Ich kann das verstehen.
Erst spät von Nebenwirkungen erfahren
Der Beipackzettel hätte mich warnen können. Doch von Risiken und Nebenwirkungen habe ich erst viel später erfahren, aus dem Internet, als der Tinnitus schon längst mein Leben beherrschte. Bei Schutzimpfungen bekommen Patienten den Beipackzettel eher nicht in die Hand. Schnell zieht der Arzt die Spritze auf, Piecks, das war's auch schon. In meinem Fall: Diphtherie, Tetanus und Polio "zur Auffrischung" in den einen, Hepatitis A und B in den anderen Oberarm. Noch am selben Tag setzte eine extreme Migräne mit rasenden Schmerzen ein und dann, schlagartig, Tinnitus.
Mein Hausarzt reagierte wie die meisten Mediziner bei Impfkomplikationen, wiegelte ab, eine Erkältung sei schuld. Dabei war ich bis dato topfit. Im Grunde stand alles auf dem Beipackzettel. Von "Gefäßspasmen" war da die Rede, das heißt: Adern können sich durch den Impfstoff verengen wie bei einer Migräne. Bei mir waren vermutlich gerade jene Gefäße blockiert, die meine "Hörbahn" mit Blut versorgen. Sauerstoffmangel – Hörnervenschädigung - Tinnitus, so einfach war letztlich die Erklärung. Ein HNO-Mediziner versuchte noch zu retten, was zu retten ist. Eine Woche lang erhielt ich täglich Infusionen mit Cortison. Das synthetisch hergestellte Hormon sollte die elektrische Leitfähigkeit der Nervenzellen verbessern. Doch der Tinnitus blieb.
Mehr Ehrlichkeit im Umgang mit Vakzinen!
Wie heißt es so schön? "Impfen nützt, impfen schützt." Auch wenn ich teuer dafür bezahlt habe, bin ich nach wie vor für Impfungen. Nur bitte, mehr Ehrlichkeit im Umgang mit Vakzinen. Impfstoffe sind auch nur Medikamente, und Medikamente haben Nebenwirkungen. Doch genau das wird von Ärzten und Gesundheitsbehörden gern geleugnet, damit bloß keine Impfmüdigkeit aufkommt. Für die, die Schaden genommen haben, klingt das wie blanker Hohn. Mein Tinnitus erinnert mich jeden Tag daran. Vermutlich ein Leben lang. Denn heilen kann man die grausamen Ohrgeräusche leider nicht, allenfalls etwas lindern.
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