Neuer Trend bei Tinder

Als "Fishboy" Frauen anlocken

05:14 Minuten
Ein Mann hält einen Fisch vor sein Gesicht und deutet einen Kuss an.
Männer gehen gerne angeln. Leuchtet irgendwie ein, dass man davon zum „Frauenfang“ auch Fotos macht und diese ins Internet stellt. Ob das funktioniert, ist eine andere Frage. © Iimago / imagebroker/ Moritz Wolf
Von Matthias Finger |
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Mann posiert mit Forelle, Hecht oder Karpfen. Auf Tinder gibt es einen neuen Trend. Angler knipsen sich stolz mit ihrem Fischfang und stellen diese Fotos ins Internet. Aber fühlen sich Frauen davon wirklich angesprochen?
Nina hat eine Entdeckung gemacht: Die Datingapp Tinder schlägt ihr immer wieder Männer als potenzielle Partner vor, die gern angeln und sich auf ihren Bildern mit kapitaler Beute präsentieren: Fishboys.
„Naja, es sind in der Regel Männer mit einer Angel, die irgendwie einen frisch geangelten Fisch hochhalten. Und manchmal sind das kleine Fische. Und manchmal sind das sehr große Fische. Und das sind halt immer Männer, die dann sehr stolz aussehen in dem Moment.“
Nina zeigt mir eine beeindruckende Fotocollage von Kerlen, die tote Karpfen, Hechte und Lachse vor die Linse halten – wie Trophäen in der Formel 1: Diese Männer sind auf der Jagd – auf Tinder UND mit ihrer Angel. Der einstige Zeitvertreib für Rentner ist ein internationaler Trend bei der Anbahnung von Beziehungen geworden – und irritiert Frauen auf der ganzen Welt,
„Das Problem ist die komische Figur des Fisches. Er ist ziemlich lang – auf eine Art, die ich nicht mag. – Der nächste Fisch ist cool. Schmeiß ihn zurück ins Wasser.  – Dieses Foto irritiert mich: Das Gewässer, aus dem der Fisch stammt, ist nicht sichtbar. Steht der Typ auf einem Golfplatz – mit einem toten Fisch? Ich weiß nicht, wo der Fisch herkommt und mag das nicht.“

Inszenierung von Männlichkeit

Auf TikTok bewertet die Amerikanerin Cala Murry Fotos der angelnden Selbstdarsteller. Doch was – um alles in der Welt – wollen uns die Prachtexemplare sagen – tote glitschige Tiere fest in den Händen haltend? Ada Borkenhagen lehrt an der Uni Magdeburg:
„Als Psychoanalytikerin fällt mir natürlich auf, dass ich den toten Fisch auch als Phallussymbol sehen würde; dass ein Mann damit auch seine Potenz zeigt und seine ursprüngliche nicht technisierte Männlichkeit.“
… a la Putin. Der inszeniert sich mit nacktem Oberkörper und Angel wie ein ganzer Kerl. Und auch Fishboys wollen keine Waschlappen sein. Vorstellungen einer archaischen Männlichkeit folgend, inszenieren sie sich als Kerle, die mit der Natur umgehen können und Versorgerfähigkeiten haben: Die können eine Familie durchfüttern – im Notfall mit selbst geangelten Fischen.

Der "Versorger" präsentiert sich

„Alles, was darauf hindeutet, dass man in der Lage ist, sich in Situationen ganz gut selbst zu versorgen – auch so den Arbeitsethos dahinter zu haben, sich zu bemühen – solche Sachen sind grundsätzlich Eigenschaften, die bei der Partnerwahl präferiert werden“, erklärt Evolutionspsychologe Lars Penke von der Uni Göttingen.
Versorgerfähigkeiten suggerieren übrigens auch Männer, die gar keine Angelbilder in Datingportalen posten, dafür aber angesehene Berufe angeben oder mit Bildern von teuren Reisen an exotische Orte posen. Gleiches Prinzip – nur mit Geld. Aber wirken die Angelfotos wirklich anziehend auf Frauen? Nina, die den Tindertrend dokumentiert, hat da ihre Zweifel.
„Ich habe mich mit vielen Freundinnen darüber unterhalten, und die Bilder mit vielen Freundinnen angeschaut. Ich habe keine einzige getroffen, die gesagt hätte: Also den würde ich nicht von der Bettkante schubsen.“

Mögen Frauen solche Fotos wirklich?

Doch die Fishboys reagieren auf vermeintliche Erwartungen und inszenieren sich so, wie sie glauben, dass Frauen sie attraktiv finden würden. Psychologin Johanna Degen von der Uni Kiel beobachtet den Trend schon länger:
„Was wir sehen, muss auch irgendwie funktionieren. Weil das gibt es nicht: Dass ein Phänomen sich ausbreitet, was komplett dysfunktional ist. Zum Beispiel Frauen, die sehr viel Haut zeigen: In Interviews wird gesagt, dass man die nicht daten würde, weil die vermeintlich umtriebig sind. Aber es gibt sie massenhaft. Also ich glaube eher: Manche Sachen sagt man vielleicht auch nicht. Vielleicht wollen Frauen nicht zugeben, dass sie den Mann mit Fisch doch heiß finden.“
Und die Angelbilder sind vor allem auch eins: authentisch. Sie halten echte Glücksmomente fest – ganz ungestellt – und spiegeln so auch einen Teil der werbenden männlichen Persönlichkeit. Nina vermutet kein bewusstes Handeln:
„Ich glaube, es gibt wenige Momente, wo Männer Fotos von sich machen. Es gibt immer viele Fotos mit Ex-Freundinnen. Die findet man auch auf Tinder. Da gibt es dann die Exfreundin, die rausgeschnitten ist oder so ein Foto, was so halb abgeschnitten ist. Aber so ein Foto, wo ein Mann alleine drauf zu sehen ist? Das passiert, glaub ich, in einer Situation, wo man was Tolles gemacht hat.“
Ihre Theorie konnte Nina noch nicht überprüfen. Ihr wurden zwar viele Angler vorgeschlagen, ein Match gab es aber noch nie - mit so einem tollen Hecht.

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